US-Präsident Trump hat Eliteuniversitäten wie Harvard den Kampf angesagt. Für deutsche Studierende wirft das viele Fragen auf: Wie lange kann ich noch in den USA bleiben? Und bekomme ich überhaupt ein Visum?
Michael Gritzbach hat viel in sein Masterstudium in Harvard investiert: In den Jahren davor hatte er schon für eine Beratungsfirma gearbeitet - jetzt fließt all sein Erspartes in den Master of Public Administration an der Universität. "Mein Studium in Harvard kostet um die 180.000 bis 200.000 Euro. Und somit ist meine Lebensersparnis jetzt halt wieder auf null gefallen."
Die Sommersemesterferien verbringt Michael Gritzbach unter anderem mit Praktika in Deutschland. Wir sind zum Videocall verabredet. An der Wand hinter ihm hängen die Europafahne und ein Harvard-Wimpel. Persönlich macht er sich wenig Sorgen, dass er sein Traumstudium wegen der Harvard-feindlichen Politik von Donald Trump vielleicht abbrechen muss.
Uni hilft bei Alternativen
Im Zweifel würde sich die Universität auch um Lösungen kümmern, meint er. "Wir können zum Beispiel in Toronto an die Munk School of Policy gehen. Oder wie während der Corona-Zeit virtuell studieren." Die Universität überlege sich auch Lösungen, sollte man nicht zurückkommen können oder wollen, weil man sich unsicher fühle.
Im Fall Harvard wollte die Regierung der Universität verbieten, ausländische Studierende und Dozenten aufzunehmen. Ein Bundesgericht hat diesen Vorstoß vor eineinhalb Wochen gestoppt - zumindest vorerst. Aber egal, welche amerikanische Universität: Schwierig ist die Situation aktuell für alle Studentinnen und Studenten, die zwar schon einen Studienplatz haben, aber noch kein Visum für die USA.
Visa-Vergabe gestoppt - Verunsicherung groß
Das Verfahren für die Vergabe von Studentenvisa war vorübergehend gestoppt worden. Was für große Verunsicherung sorgt, sagt Christian Strowa, Büroleiter des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in New York: "Es war von Anfang an klar, dass das nur vorübergehend der Fall sein würde. Nach unserer Auskunft werden da jetzt auch wieder Termine vergeben. Was allerdings jetzt neu dazugekommen ist, ist diese Überprüfung sämtlicher Onlineinhalte. Man nennt das verkürzt hier manchmal die Social-Media-Überprüfungen. Es geht aber über Social Media hinaus." Das führe auch dazu, dass die Visa-Anträge länger brauchen.
Welche Folgen das haben wird? Im Moment sei das noch nicht abzusehen, meint Strowa. "Wir haben noch keine Erfahrungswerte zum jetzigen Zeitpunkt, wie dieser Prüfprozess aussieht und welche Auswirkungen das haben kann. Aber in der Tat, es wurden Visa abgelehnt und es ist natürlich auch zu befürchten, dass das in Zukunft der Fall sein kann."
Kritik an Social-Media-Screenings
Das Screening der Online-Aktivitäten hält Karin Fischer, Reporterin beim Fachmagazin "Chronicle of Higher Education", für einen gravierenden Einschnitt. Erstens wisse man nicht, wie dieses Screening ablaufe, ob dafür Künstliche Intelligenz benutzt werde oder ob jemand alle Instagram-Posts lese. "Und dann ist unklar, wonach sie genau suchen. Die Angaben sind da sehr allgemein: Inhalte, die feindlich gegenüber den USA sind. Aber was heißt das? Keiner weiß das so genau", sagt Fischer. Die Social-Media-Accounts zu löschen, sei allerdings keine gute Idee, weil einen das auch verdächtig mache.
Die Münchner Jazz-Studentin Fernanda von Sachsen hatte ein begehrtes Stipendium bekommen für einen Sommerkurs am Berkeley College of Music in Boston. Schon vorher hatte sie ein schlechtes Gefühl, weil sie die Politik der Trump-Regierung ablehnt. "Ich habe versucht, es so ein bisschen abzukapseln. Ich mache ja nur Musik. Aber ich hatte schon ein bisschen Probleme damit." Der Stopp der Visa-Vergabe sei dann so etwas wie das I-Tüpfelchen gewesen: "Da habe ich mir gedacht habe, nein, das will ich jetzt auch gar nicht mehr versuchen. Das geht nicht mit mir einher, das jetzt zu machen."
Nachteile für den Standort USA befürchtet
Weil es jetzt mit den Visa - auch wegen des Social-Media-Screenings - länger dauert, könnte es bei vielen Studierenden knapp werden mit der Einreise zum Wintersemester. Fachautorin Karin Fischer rechnet damit, dass die Lage für Studentinnen und Studenten sowie für Universitäten unter Donald Trump angespannt bleibt - mit langfristig negativen Folgen für den Wissenschaftsstandort USA: "40 Prozent der Doktoranden in den Natur- und Ingenieurwissenschaften sind keine Amerikaner," meint Fischer.
Für die Universitäten seien sie eine wichtige Quelle an Talenten, sie blieben oft in den USA, würden Teil des wissenschaftlichen Ökosystems, gründeten Start-Ups. "Wie sollen die Universitäten ihre Graduiertenprogramme aufrecht erhalten, wenn sie nicht mehr die klugen Köpfe aus der ganzen Welt gewinnen können, wie in den vergangenen 75 Jahren?", fragt sich Fischer.
Michael Gritzbach hatte eigentlich vor, nach seinem Master in den USA zu bleiben und bei einem großen Tech-Konzern anzuheuern. Stand jetzt hält er das für eher unwahrscheinlich. Sein Studium in Harvard will er aber auf jeden Fall abschließen: "Der aktuelle Plan wäre der 3. September, da habe ich mein Rückflug-Ticket. Das hoffe ich wahrnehmen zu können."
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