Bis 2050 soll Europa klimaneutral sein. Heute präsentiert die EU-Kommission ein neues Zwischenziel auf dem Weg dahin. Doch das Gesetz ist unter den Mitgliedstaaten und im EU-Parlament heftig umstritten.
Europa ächzt unter der Hitze - in Brüssel werden für heute Rekordwerte bis zu 37 Grad erwartet - und ausgerechnet auf dem voraussichtlichen Höhepunkt dieser außergewöhnlichen Hitzewelle stellt die EU-Kommission das nächste Etappenziel im Kampf gegen die Erderwärmung vor.
Extremwetter - wie die jetzige Hitzewelle - tritt laut Forschung durch den Klimawandel häufiger auf. Mit einem neuen Gesetz will die Kommission dagegenhalten. Sie schlägt vor, den Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Dafür soll Europa weniger Kohle, Öl und Gas verbrennen, mehr Energie aus Sonne, Wind und Wasser gewinnen und den Emissionshandel ausweiten.
Bevölkerung steht dahinter
Acht von zehn EU-Bürger sehen laut der jüngsten Eurobarometer-Umfrage im Klimawandel ein ernstes Problem und unterstützen das Ziel, Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu machen - also nicht mehr Klimagase auszustoßen als durch Aufforstung oder CO2-Speicherung eingespart werden.
Die erste Etappe auf dem Weg dorthin steht längst fest: Bis 2030 will die EU ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent senken. Die dafür nötigen Gesetze sind beschlossen, die Mitgliedstaaten müssen sie umsetzen. Fachleute halten das für machbar.
Mit ihrem neuen Gesetzentwurf schlägt die Kommission jetzt die Brücke zwischen 2030 und 2050.
Weltweite Wirkung
Beim Vorschlag, die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent zu reduzieren, beruft sich Brüssel auf den wissenschaftlichen EU-Klimabeirat, der das als Mindestziel empfiehlt. Laut Kommission bleiben so die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens erreichbar, ohne die Wirtschaft zu sehr zu beeinträchtigen oder eventuelle Kipppunkte im Klimasystem zu überschreiten, also Grenzen, die unumkehrbare Naturprozesse in Gang setzen.
In Paris hat sich die Weltgemeinschaft 2015 verpflichtet, die Erderwärmung deutlich unter zwei und möglichst bei 1,5 Grad zu halten. Die Paris-Vereinbarung schreibt den Staaten auch vor, regelmäßig nachgeschärfte Klimaziele zu melden.
Dieser europäische Beitrag für die internationalen Klimaverhandlungen soll sich aus dem Ziel für 2040 ableiten. Die EU will ihn im Spätsommer - rechtzeitig vor dem nächsten Klimagipfel in Brasilien - bei den Vereinten Nationen einreichen.
Umstrittenes Instrument
Ab 2036 sollen EU-Staaten auf ein Instrument zurückgreifen können, das die Welt seit dem ersten weltweit verbindlichen Klimavertrag von Kyoto kennt: Statt zu Hause Emissionen zu senken, sollen sie Klimaprojekte in Nicht-EU-Ländern finanzieren und sich selbst die Minderung gutschreiben dürfen. Zum Beispiel, indem sie helfen, Solar- oder Windparks in Afrika aufzubauen.
Das ist laut Artikel 6 des Pariser Abkommens erlaubt. Durch solche Zertifikate sollen höchstens drei Prozent der Emissionen abgedeckt werden. Unter dieser Voraussetzung will auch die Bundesregierung das EU-Klimaziel für 2040 unterstützen.
Der EU-Klimabeirat warnt die Mitgliedstaaten allerdings davor, sich von eigenen Anstrengungen freizukaufen. Das untergrabe die Glaubwürdigkeit, schränke die Mittel für Klimaschutz in Europa ein und schmälere die Chance, Europas Führungsposition im Bereich der sauberen Technologien zu stärken.
Die Grünen sprechen von "Rechentricks", während die Europa-CDU solche Flexibilität für unbedingt erforderlich hält, um unter den Mitgliedstaaten eine Mehrheit für das Gesetz zu bekommen.
Uneinigkeit in Parlament und Rat
Denn das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten müssen den Kommissionsvorschlag beraten und ihm - nach etwaigen Änderungen - zustimmen. Die dänische EU-Ratspräsidentschaft steht grundsätzlich dahinter.
Aber Frankreich, Italien und Polen lassen Zweifel erkennen. Der französische Präsident Emmanuel Macron stellte das Klimaziel 2040 beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche zur Debatte.
Durch die neuen Mehrheiten nach der Europawahl vor rund einem Jahr hat sich die politische Großwetterlage für den Klima- und Umweltschutz verändert. Die Kommission nimmt nun erklärtermaßen mehr Rücksicht auf die Wirtschaft.
Umweltvorhaben stehen unter Rechtfertigungsdruck, nicht die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen einzuschränken. Auf Druck der christdemokratischen EVP-Fraktion hat die Kommission mehrere Gesetze abgeschwächt, verschoben oder Entwürfe ganz zurückgezogen.
Das Klimaziel könnte die nächste hitzige Debatte auslösen - unabhängig von der jeweiligen Außentemperatur.
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