Der Ärger über die deutschen Grenzkontrollen ist in Polen hochgekocht. Nun reagiert das Nachbarland mit eigenen Kontrollen. Aus der deutschen Politik kommt Verständnis für den Schritt - und Kritik am eigenen Kanzler.
Als Reaktion auf Polens Ankündigung, Kontrollen an der Grenze zu Deutschland einzuführen, haben führende SPD-Politiker Bundeskanzler Friedrich Merz kritisiert. Sie werfen ihm vor, sich beim Thema Grenzkontrollen nicht ausreichend mit den europäischen Partnern abgestimmt zu haben.
"Die enge Absprache mit den europäischen Nachbarn ist Merz und Dobrindt bisher mäßig gelungen", sagte Adis Ahmetović, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, dem Spiegel. "Die Reaktion Polens zeigt jetzt, wovor wir seit Jahren warnen: Gerade in sensiblen Fragen der Sicherheit und Migration braucht es enge Zusammenarbeit und frühzeitigen Dialog mit unseren Nachbarn."
Ahmetovićs Parteikollegin, Fraktionsvize Sonja Eichwede, sieht in den geplanten polnischen Grenzkontrollen einen Rückschlag für den freien Personen- und Warenverkehr in Europa. "Es war zu erwarten, dass Polen im Gegenzug zu den deutschen Binnengrenzkontrollen ebenfalls Kontrollen einführen wird", sagte sie der Rheinischen Post. "Das ist ein herber Rückschlag für den Schengen-Raum und die Freizügigkeit." Die Kontrollen zu Deutschland würden vor allem den Pendelverkehr belasten, aber wenig Migration in Richtung Polen verhindern.
Grüne sehen "nichts als Chaos"
Die Grünen sehen in den polnischen Maßnahmen eine Reaktion auf den verschärften Kurs der Bundesregierung in der Migrationspolitik. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt habe mit seiner "Symbolpolitik" an den Grenzen "nichts als Chaos" und einen "Dominoeffekt" in Europa ausgelöst, erklärte der stellvertretende grüne Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz. "Was wir nun erleben, ist die Konsequenz unabgestimmter nationaler Alleingänge."
Polen hatte zuvor angekündigt, wieder Kontrollen an der Grenze zu Deutschland ab dem 7. Juli einführen. Damit solle "der unkontrollierte Strom von Migranten hin und zurück begrenzt und auf ein Minimum verringert werden", teilte der polnische Regierungschef Donald Tusk mit. Auch zu Litauen führt Polen demnach vorübergehende Kontrollen ein.
Regierungschef Tusk erklärte, Polen reagiere mit der Maßnahme auf das Vorgehen der Bundesregierung. "Ich habe die deutsche Seite bereits im März vorgewarnt und mehrfach mit dem neuen Kanzler darüber gesprochen." Die bisherige geduldige Haltung seines Landes gegenüber den einseitigen Kontrollen könne durch die geänderte Praxis, dass nun auch Menschen nach Polen zurückgeschickt werden, nicht mehr aufrechterhalten werden.
NIcht nur Verständnis aus der Union
Merz verteidigte die deutschen Grenzkontrollen zur Bekämpfung von irregulärer Migration. "Wir müssen zurzeit Grenzkontrollen machen, weil der Schutz der europäischen Außengrenzen nicht hinreichend gewährleistet ist", sagte der CDU-Chef nach einem Treffen mit dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Luc Frieden in Berlin. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder äußerte Verständnis für das polnische Vorgehen. "Da sehe ich kein Problem", sagte er. "Wir kontrollieren auch."
Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham (CDU), warnte indes vor dauerhaften Grenzkontrollen zwischen beiden Ländern. Die deutschen Kontrollen seien zwar "als politisches Signal notwendig" gewesen, "dass sich die Migrationspolitik in Deutschland geändert hat", sagte Abraham der Zeitung Die Welt. Die Lösung könne aber nicht darin liegen, "die Migranten nun zwischen Polen und Deutschland hin- und herzuschieben oder die Grenzkontrollen auf beiden Seiten zu zementieren".
EU-Kommission äußert sich zurückhaltend
Man habe noch nicht die formell notwendige Ankündigung der neuen Grenzkontrollen erhalten, erklärte die EU-Kommission. Man kenne aber die Berichte und sei sich durch informelle Kontakte mit den polnischen Behörden darüber bewusst, dass man eine solche Anmeldung bald bekommen könne.
Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, man stehe in engem Kontakt mit den Ländern, die innerhalb des Schengenraums bereits Kontrollen eingeführt hätten, und auch mit jenen, die davon betroffen seien. Er erinnerte noch einmal daran, dass diese Kontrollen unter bestimmten Bedingungen für einen begrenzten Zeitraum möglich seien.
Polizeigewerkschaft befürchtet "Pingpong-Spiel"
Mit Sorge beobachtet die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Entwicklung an der Grenze zu Polen. "Polen macht nun das, was sie vor einiger Zeit angekündigt haben", sagte der GdP-Bundesvorsitzende für Bundespolizei und Zoll, Andreas Roßkopf, der Nachrichtenagentur dpa. Dies berge die große Gefahr, dass man an der Grenze in ein "Pingpong-Spiel" gerate, bei dem Deutschland Menschen zurückweise und polnische Grenzschützer diese dann nicht annähmen beziehungsweise an Deutschland zurückwiesen. Dies gelte es unbedingt zu vermeiden.
Mit Informationen von Thomas Spickhofen, ARD-Studio Brüssel
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