Polen will ab kommender Woche vorübergehend Kontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Man sei mit der Geduld am Ende, sagte Regierungschef Tusk. Aus SPD und CDU kommt Kritik an der Maßnahme.

Polen hat Grenzkontrollen zu Deutschland ab dem 7. Juli angekündigt. Durch die zeitweise Wiedereinführung von Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze solle "der unkontrollierte Strom von Migranten hin und zurück begrenzt und verringert werden", sagte Regierungschef Donald Tusk. Auch an der Grenze zum östlichen Nachbarland Litauen soll es künftig Überprüfungen geben. 

Der Schritt sei eine Reaktion auf die deutschen Kontrollen, sagte Tusk. "Ich habe die deutsche Seite bereits im März vorgewarnt und mehrfach mit dem neuen Kanzler darüber gesprochen."

Die bisherige geduldige Haltung seines Landes gegenüber den einseitigen Kontrollen könne durch die geänderte Praxis, dass nun auch Menschen nach Polen zurückgeschickt werden, nicht mehr aufrechterhalten werden. 

Merz: Wollen Grenzhinterland-Kontrollen mit Nachbarn

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte, die Migrationsfrage sei "ein gemeinsames Problem, das wir gemeinsam lösen wollen". Deutschland stehe "mit der polnischen Regierung in ganz engem Austausch, um die Belastungen so gering wie möglich zu halten", betonte er bei einer Pressekonferenz mit dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Luc Frieden kurz vor der Bekanntgabe der neuen Grenzkontrollen durch Polen.

Angepeilt seien gemeinsame Grenzhinterlandkontrollen mit den Nachbarn, sagte Merz. Diese sollten sowohl auf der deutschen als auch auf der Seite der Nachbarländer greifen. "Wir sind uns im Ziel völlig einig, dass wir die irreguläre Migration und den illegalen Grenzübertritt bekämpfen müssen", sagte Merz. Man wolle aber die Einschränkungen im Grenzverkehr so gering wie möglich halten.

Merz bestätigte, dass er mit den Niederlanden, Italien und Dänemark über eine weitere Verschärfung der EU-Migrationsregeln gesprochen habe. Diese Gruppe sei mittlerweile auf 21 Staaten angewachsen, sagte er. Der Kanzler betonte auch mit Blick auf die polnischen Proteste gegen die deutschen Kontrollen, dass es - anders als in polnischen Medien dargestellt - "keine Rückführungen von bereits in Deutschland angekommenen Asylbewerbern nach Polen" gebe.

Kritik aus SPD und CDU

Adis Ahmetović, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, warf Merz vor, sich beim Thema Grenzkontrollen nicht ausreichend mit europäischen Partnern abgestimmt zu haben. "Die enge Absprache mit den europäischen Nachbarn ist Merz und Dobrindt bisher mäßig gelungen", sagte er dem Spiegel. "Die Reaktion Polens zeigt jetzt, wovor wir seit Jahren warnen: Gerade in sensiblen Fragen der Sicherheit und Migration braucht es enge Zusammenarbeit und frühzeitigen Dialog mit unseren Nachbarn."

Ahmetovićs Parteikollegin, Fraktionsvize Sonja Eichwede, sieht in den geplanten polnischen Grenzkontrollen einen Rückschlag für den freien Personen- und Warenverkehr in Europa. "Es war zu erwarten, dass Polen im Gegenzug zu den deutschen Binnengrenzkontrollen ebenfalls Kontrollen einführen wird", sagte sie der Rheinischen Post. "Das ist ein herber Rückschlag für den Schengen-Raum und die Freizügigkeit." Die Kontrollen zu Deutschland würden vor allem den Pendelverkehr belasten, aber wenig Migration in Richtung Polen verhindern.

Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham (CDU), warnte vor dauerhaften Grenzkontrollen zwischen beiden Ländern. Die deutschen Grenzkontrollen seien zwar "als politisches Signal notwendig" gewesen, "dass sich die Migrationspolitik in Deutschland geändert hat", sagte Abraham der Zeitung Die Welt. Die Lösung könne aber nicht darin liegen, "die Migranten nun zwischen Polen und Deutschland hin- und herzuschieben oder die Grenzkontrollen auf beiden Seiten zu zementieren".

Verstärkte deutsche Kontrollen seit Mai

Deutschland kontrolliert bereits seit Oktober 2023 stichprobenhaft an der Grenze zu Polen, um irreguläre Migration zu stoppen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte kurz nach dem Antritt der neuen Bundesregierung im Mai intensivere Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, dass künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. 

An dieser Praxis hält die Bundesregierung auch nach einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts fest. Das Gericht hatte festgestellt, die Zurückweisung von drei Somaliern bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof Frankfurt (Oder) am 9. Mai sei rechtswidrig gewesen. Ohne eine Klärung, welcher EU-Staat für einen Asylantrag der Betroffenen zuständig sei, dürften sie nicht abgewiesen werden.

Das Bundesinnenministerium wertet das jedoch als Einzelfallentscheidung. Die drei Betroffenen waren nach Polen zurückgeschickt worden. 

Migration als zentrales Wahlkampfthema in Polen

Die Migrationspolitik war ein zentrales Thema im polnischen Präsidentschaftswahlkampf. Tusks Mitte-Links-Regierung steht unter dem Druck der rechtskonservativen Oppositionspartei PiS. "Deutschland schiebt regelmäßig illegale Migranten auf unsere Seite. Der Staat hat abgedankt, und Chaos und Straflosigkeit nehmen von Tag zu Tag zu", schrieb PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski kürzlich auf X. 

Der Wahlsieg des Rechtsnationalisten Karol Nawrocki, der schärfere Kontrollen an der Grenze zu Deutschland forderte, war ein herber Rückschlag für Tusks Regierung. Der Ministerpräsident stellte nach der Niederlage seines Verbündeten Rafal Trzaskowski bei der Wahl Anfang Juni die Vertrauensfrage. Die Abstimmung im Parlament gewann seine Regierung.

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