Ungarns Regierungschef Orban hat die Pride-Parade in Budapest verboten. Trotzdem wollen mehr als 70 EU-Parlamentarier teilnehmen. Für sie ist es ein Zeichen gegen Diskriminierung und für die europäischen Grundwerte.

Die Pride-Parade in Budapest ist offiziell verboten - und quasi "ganz Europa" kommt trotzdem. Gut 70 Abgeordnete des EU-Parlaments werden in Budapest dabei sein, "weil in Europa keine Prides verboten werden dürfen", sagte der FDP-Europa-Abgeordnete Moritz Körner.

Es gehe darum, Akzeptanz und Toleranz zu schaffen und das als Politiker auch entschieden zu verteidigen, so Körner. "Eigentlich reden wir ja meist über andere Länder in der Welt, wenn wir wirklich über die Diskriminierung von Homosexualität, von queeren Menschen sprechen." Deshalb müsse man da ein deutliches Zeichen setzen.

"Kinderschutz-Gesetz" als Verbotsgrundlage

Ungarns Regierungschef Viktor Orban hatte im März ein Gesetz durchs Parlament gebracht, dass die diesjährige Pride-Parade verbietet. Grundlage dafür ist ein sogenanntes "Kinderschutz-Gesetz“ aus dem Jahr 2021.

Es soll verhindern, dass Kindern und Jugendliche Zugang zu Büchern, Filmen und kulturellen Produkten haben, die "Abweichungen vom Geburtsgeschlecht oder Homosexualität fördern oder darstellen".

Orban selbst sagte über die Veranstaltung: "Ich sage ganz ehrlich als Vater, als ungarischer Staatsbürger und jemand, der sich für die geistige Verfassung der nächsten Generation verantwortlich fühlt: Ich habe mir immer Sorgen gemacht angesichts von Veranstaltungen wie der Pride."

Parlamentarier planen Teilnahme

Schon früh sei deshalb bei vielen Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen im Europaparlament die Entscheidung gereift, hinzufahren, erzählt die Co-Vorsitzende der Europäischen Grünen, Terry Reintke.

"Wir sind in ganz Europa und auch in Ungarn vertreten. Und wir stehen an der Seite des ungarischen Volkes und der ungarischen Demokratie", sagte Reintke. Deshalb wehrten sie sich. "Auch am 28. Juni in der Stadt."

Oberbürgermeister versucht, Feier dem Zugriff Orbans zu entziehen

Möglich ist das, weil der grün-liberale Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony die Pride kürzlich zu einer offiziellen Feier der Hauptstadt Budapest erklärt hat, um sie dem direkten Zugriff des Ministerpräsidenten zu entziehen.

Aus Sicht von Orban gilt das Verbot aber weiterhin. Die Polizei könne die Pride-Veranstaltung auflösen, werde es aber nicht tun, kündigt er in einem staatlichen Radiosender an. "Ungarn ist ein zivilisiertes Land. Wir verletzen einander nicht."

Gesichtserkennungssoftware und Geldstrafen

Aber die Strafandrohungen bleiben: Es könnte Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden, um Teilnehmer zu erkennen und mit Geldstrafen von bis zu 500 Euro zu belegen. Den Organisatoren der Veranstaltung könnte eine einjährige Freiheitsstrafe drohen.

"Ich konnte mir gar nicht vorstellen, das so etwas in Europa möglich ist", sagte der EU-Parlamentarier Körner. Er würde sich wünschen, dass die EU-Kommission noch stärker gegen Ungarn verginge.

Wie reagiert die EU-Kommission?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat der Veranstaltung und den Teilnehmenden klar den Rücken gestärkt: "In Europa ist es eine Grundfreiheit, für seine Rechte zu kämpfen und zu lieben, wen man möchte", sagte sie in einem Videostatement.

"Unsere Union ist geprägt von Gleichheit und Antidiskriminierung. Diese Grundwerte müssen jederzeit und in allen Mitgliedstaaten geachtet werden", so die Kommissionschefin.

Laufendes Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn

Ungarn jedoch verstößt seit Jahren fundamental gegen die EU-Grundwerte. Seit 2018 läuft deshalb ein Artikel-7-Verfahren gegen das Land. Am Ende könnte Budapest das Stimmrecht im Europäischen Rat entzogen werden. Das Verfahren stockte zuletzt.

Auch ausgelöst durch das Pride-Verbot haben kürzlich 17 EU-Staaten - darunter auch Deutschland– die Kommission in einem Brief aufgefordert, nun alle Mittel gegen Ungarn auszuschöpfen.

Schon 2021 hatte die EU-Kommission Ungarn wegen des "Kinderschutz-Gesetzes" verklagt, das nun die Grundlage für das Pride-Verbot bildet. Das endgültige Urteil des EuGH steht aus, aber die zuständige Generalanwältin hat jüngst den Richtern empfohlen, der Klage aus Brüssel stattzugeben.

Die EU-Strategie für mehr Gleichberechtigung

2020 hatte die EU-Kommission ihre erste LGBTIQ-Equality-Strategy aufgelegt: Sie verfolgt unter anderem das Ziel, Hasskriminalität und Hetze gegen die LGBTIQ-Gemeinde in die Liste der EU-Straftatbestände aufzunehmen. Dann gebe es EU-einheitliche Vorschriften, Definitionen und Strafen.

Weit fortgeschritten ist auch der Ansatz, Konversionstherapien zu verbieten - also Maßnahmen, um Geschlechtsidentitäten oder sexuelle Orientierung zu unterdrücken oder zu verändern.

Einen weiteren entscheidenden Aspekt der EU-Equality-Strategy hat der FDP-Abgeordnete Körner im ARD-Europa-Podcast punktEU erklärt: "Die EU will erreichen, dass Eltern - also ein gleichgeschlechtliches Paar – das in einem Land ein Kind adoptiert hat, sicher sein kann, dass dies auch in einem anderen EU-Land rechtlich anerkannt wird." Denn wenn man über Kinderrechte spreche, sei das vor allem wichtig, so der FDP-Politiker.

"Ich werde immer eure Verbündete sein"

Bei der Unterstützung der Budapester Pride geht es auch um einen größeren Trend. So formuliert es Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrem Videostatement: "An die LGBTIQ+ Community in Ungarn und darüber hinaus: Ich werde immer eure Verbündete sein."

Denn gerade im Pride Monat Juni kommt es verstärkt zu Anfeindungen und Gewalt gegen queere Menschen, meist durch rechte Gruppierungen. Das Bundeskriminalamt zählte im vergangenen Jahr mit mehr als 2.100 Straftaten gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen einen Höchststand.

Debate gegen "Wokeness"

Da müssten wir als Gesellschaft aufpassen, mahnt Körner. "Ich glaube, wir erleben eine große Debatte, die auch aus Amerika kommt. Alles unter dem Stichwort 'wokeness'."

Er selbst sei "überhaupt nicht 'woke'. Ich möchte einfach, dass ich so lieben kann, wie ich will. Und dass das alles können." Und, dass zunächst mal alle ungestraft die Budapester Pride besuchen können.

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