Inhalt des Artikels:
- Besetzte Brücken auf der Route der Pride?
- Drohungen des Justizministers
- Orbán: Keine Gewalt gegen Pride-Teilnehmer
Es sind deutliche Worte, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an die Adresse Ungarns richtet: "Für die eigenen Rechte zu demonstrieren, ist in Europa eine grundlegende Freiheit", sagte von der Leyen in einer in den sozialen Medien veröffentlichten Videobotschaft. "Unsere Union steht für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung. Das sind unsere zentralen Werte, die in unseren Verträgen niedergelegt sind, und sie müssen immer und in allen Mitgliedsstaaten respektiert werden." Sie forderte die ungarischen Behörden auf, die Budapest Pride zuzulassen – ohne dass Organisationsteam und Teilnehmende Sanktionen fürchten müssten.
Die Antwort kam prompt: Auf X (vormals Twitter) forderte Premierminister Viktor Orbán die Kommissionspräsidentin auf, sich nicht in "die Strafverfolgungsangelegenheiten der Mitgliedstaaten" einzumischen.
Die Budapest Pride, die am Samstag zum 30. Mal stattfinden soll, ist in Ungarn bereits seit Monaten ein Politikum. Die rechtspopulistische Regierung hatte unter dem Vorwand des Kinderschutzes im März eigens das Versammlungsrecht geändert, um die Demonstration für Gleichberechtigung von LGBTQI+-Personen zu verbieten. Daraufhin hatte der Oberbürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, die Pride kurzerhand zu einer Hauptstadtveranstaltung erklärt, und versichert, sie werde stattfinden. Die Polizei dagegen beharrt darauf, sie sei verboten.
Besetzte Brücken auf der Route der Pride?
Ob und auf welcher Route sich die LGBTQI+-Demo durch die ungarische Hauptstadt bewegen wird, ist derzeit noch völlig unklar. Die Veranstalter haben eine Route veröffentlicht, die am Rathaus beginnt, und über die Freiheitsbrücke führen soll. Doch die rechtsextreme Partei "Mi Hazánk" (Unsere Heimat) und ihr nahestehende Akteure haben auf allen innerstädtischen Donaubrücken von Budapest und entlang der Strecke eigene Demonstrationen angemeldet, um den Pride-Marsch zu blockieren. Wie die Polizei mit dieser Situation umgeht, und ob sich die Veranstalter zu einer Änderung der Route entschließen oder dazu gezwungen werden, kann man noch nicht sagen (Stand: Freitag, 14 Uhr).
Ungarische Medien berichten derweil, dass entlang der geplanten Demoroute zahlreiche Überwachungskameras angebracht wurden. Bereits im Vorfeld hatte die Regierung mit einer Gesetzesänderung dafür gesorgt, dass die Polizei selbst bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten elektronische Gesichtserkennung einsetzen darf.
Drohungen des Justizministers
Trotz – oder vielmehr wegen – aller Widrigkeiten haben sich zahlreiche internationale Teilnehmer angesagt. So haben rund 70 EU-Parlamentarier ihr Kommen angekündigt. Auch die Botschaften vieler EU-Staaten wollen mit ihren Angehörigen vertreten sein. Derweil versuchen Politiker der Regierungspartei Fidesz, möglichst viele Menschen von ihrer Teilnahmen an der Pride abzubringen: Laut der ungarischen Wochenzeitung HVG hat der Justizminister der Orbán-Regierung, Bence Tuzson, am Dienstag einen Brief an mehrere Botschaften in Budapest geschickt, in dem er sie daran erinnert, dass der Marsch von der Regierung verboten ist und dass sie "ihre Kollegen darüber informieren" sollen.
Zudem wandte sich Tuszon in den sozialen Medien an den Bürgermeister von Budapest und betonte, dass die Organisation einer verbotenen Veranstaltung oder der Aufruf zur Teilnahme daran eine Straftat ist, die mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden kann. Oberbürgermeister Gergely Karácsony nannte diese Drohung einen "Witz" und beharrt nach wie vor darauf, dass es sich um eine legale städtische Veranstaltung handelt, die nicht unter das Versammlungsrecht fällt und daher nicht von der Polizei verboten werden kann.
Orbán: Keine Gewalt gegen Pride-Teilnehmer
Inzwischen hat sich der Ministerpräsident noch einmal in der Sache zu Wort gemeldet. In einem Interview mit Kossuth Radio betonte er, dass auch seiner Auffassung nach die Pride verboten sei. Und: "Wir sind erwachsen und ich rate jedem, sich an geltendes Recht zu halten. Ich tue das auch." Sonst müsse man mit Konsequenzen rechnen. Orbán betonte gleichzeitig, das Ungarn "ein zivilisiertes Land" sei, in dem man sich "nicht weh tue". Zwar sei es Aufgabe der Polizei, die Menschen zur Einhaltung der Gesetze zu bewegen. Er sehe aber keinen Anlass, gegen Teilnehmer der Pride mit Gewalt vorzugehen.
Die Stiftung Regenbogen Mission, die ursprüngliche Veranstalterin der Pride, betont, dass die Teilnahme an der Demonstration selbst in dieser unklaren Rechtslage lediglich eine Ordnungswidrigkeit sei. Gemeinsam mit anderen NGOs, die sich mit Menschenrechten beschäftigen, hat sie ein FAQ zu Rechtsfragen zusammengestellt und eine Hotline eingerichtet, die Betroffenen von Polizei-Sanktionen Rechtsberatung bietet. Klar ist: Rechtlich betritt die Budapest Pride in diesem Jahr Neuland. Doch trotz aller Versuche der ungarischen Regierung, die LGBTQI+-Parade zu kriminalisieren, ist die Teilnahme daran kein Verbrechen.
MDR (tvm)
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