Hitlers Eineiigkeit ist schon lange Gegenstand gelehrter Diskussionen. Bislang stritt die Wissenschaft, ob sich der fehlende Hoden einer Kryptorchie oder doch eher einer Monorchie verdanke. Ersteres bezeichnet einen phlegmatischen Testikel, der lieber im Hodenkanal verbleibt, als ordnungsgemäß in den Sack abzuwandern. Monorchie hingegen beschreibt das gänzliche Fehlen des Hodens.
Eine Verwundung des jungen Gefreiten im Ersten Weltkrieg, am 5. Oktober 1916 bei der Schlacht an der Somme, könne der Grund gewesen sein, lautet eine Theorie. Nach der Notoperation habe Hitlers Frage an die Sanitäter gelautet, ob er noch Kinder zeugen könne. Ein Freund aus Jugendtagen, der Österreicher Eugen Wasner, erzählte hingegen 1943 an der Ostfront, der kleine Adolf habe als Kind beim Versuch, in das Maul eines Ziegenbocks zu urinieren, einen Teil seines Glieds verloren – das womöglich mit geschichtsprophetischen Gaben gesegnete Tier habe entschlossen zugebissen. Wasner wurde vor ein Militärgericht gestellt, wegen „Wehrkraftzersetzung“ und „Heimtücke“. Es folgte die Hinrichtung durch das Fallbeil – wobei Schelme nicht umhin können, an die Szene aus Mel Brooks’ „Helden in Strumpfhosen“ denken, wo der Rabbi seine Beschneidungsguillotine vorführt.
Nun hat der englische Fernsehsender Channel 4 eine spektakuläre Enthüllung angekündigt. „Hitler’s DNA: Blueprint of a Dictator“ heißt die Doku, die an diesem Wochenende ausgestrahlt werden soll. Sie basiert auf einer Genanalyse von Hitlers Blut, gewonnen im sogenannten Führerbunker aus einem Stofffetzen des Sofas, auf dem der Diktator Selbstmord beging. Ein amerikanischer Soldat will ihn als Trophäe ausgeschnitten und jahrzehntelang verwahrt haben. Die Authentizität der makaberen Reliquie sollen Abgleiche mit der Genomstruktur von Verwandten beweisen.
Unter den Forschern, die ihre Mikroskope und Zentrifugen in Stellung brachten, ist die Genetikerin Turi King, berühmt durch ihre Identifikation der Gebeine Richards III., 2012 geborgen, indem man in Leicester einen Parkplatz aufbuddelte, an dessen Stelle der König 1485 in der Schlacht von Bosworth sein Leben ließ.
Nun ist also Hitler dran. „Er hätte das langweiligste Genom der Welt haben können“, wird King zitiert. „Aber das hatte er nicht.“ Entdeckt worden sei eine Deletion im PROK2-Gen, was zum Kallmann-Syndrom führen kann – einem Mangelzustand, bei dem der Körper zu wenig Geschlechtshormone bildet. Mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu zehn habe der Diktator einen Mikropenis gehabt.
Man darf jetzt nicht in die Falle tappen, Hitlers Lust auf Raumgewinne und Vorstöße, seine millionenfache Vernichtung nackter Körper, als Akt psychosexueller Kompensation zu deuten. King selbst schiebt solchen Kurzschlüssen den Riegel vor: „Die Genetik kann sein Handeln in keiner Weise entschuldigen“, sagt die Direktorin des Milner Centre for Evolution in Bath.
Und es wäre ja noch schöner: das 20. Jahrhundert biochemisch betrachtet eine Pubertätsanomalie, ein Unfall in der Hypothalamus-Logistik, ein endokrinologisches Missgeschick – bis hin zur These, der Holocaust hätte sich mit Hormontabletten verhindern lassen. CRISPR ersetzt keine Charakterbildung, Keimbahnen sind keine Alternative zu Historikerkongressen. Hannah Arendts Erkenntnis von der Banalität des Bösen stellt keine Genomanalyse infrage. Nur weil Hitler, wie dessen Weggefährte Ernst Hanfstaengl einmal sagte, im „sexuellen Niemandsland“ unterwegs gewesen sei, gibt ihm das kein Recht, woanders Eroberungen zu starten. Interessant sind die Befunde dennoch. Bei guten Quoten kommen garantiert bald die ersten Trittbrettfahrer. Einen Titel hätten wir schon mal: „CSI: Reichskanzlei“.
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