DJs heizen mit schwarzen Beats ein, Freitagabend ab 23 Uhr im Alando Ballhaus in Osnabrück. Um 1.30 Uhr morgens soll Haftbefehl auftreten, der Superstar unter den Deutsch-Rappern. Es soll sein erster Live-Auftritt nach dem Hype um die traurige und brutale Doku über ihn werden. "Babo – die Haftbefehl Story" ist lange unter den Top Ten der beliebtesten Netflix-Filme. Für seinen Auftritt sind nur 30 Minuten geplant, eingebettet in die laufende Clubnacht. Clubshow nennt sich das neue Format – intensiv und nah am Publikum. Doch kommt er auch?
Haftbefehl gilt als einer der unberechenbarsten Künstler des Landes, im Guten, wie im Schlechten. Einer, der immer wieder aufsteht, wenn ihn andere schon abgeschrieben haben. Während der Dreharbeiten zu "Babo" rutscht er dramatisch ab, schießt sich mit einer Überdosis Kokain beinahe aus dem Leben. Er muss wiederbelebt werden, macht danach weiter wie bisher.
Die Kamera hält drauf, als er im Rausch abgleitet, seine Dämonen verflucht, seine Frau weint. Haftbefehl selbst will es so. Die Doku soll vor allem für Jüngere eine Warnung vor Drogen sein, so Haftbefehl selbst. Sie zeigt einen Abgrund an Schmerz und Kummer. "Der Typ ist 100 Prozent das, was er sagt und macht", sagt Kollege Sido über ihn. Während viele Rapper erst im Scheinwerferlicht zum Gangster werden, hat Haftbefehl laut eigenen Angaben schon mit 13 Jahren mit dem Koksen angefangen und mit 14 so viele Haftstrafen gesammelt, dass er jahrelang ins Ausland untertaucht. Daher sein Künstlername, eigentlich heißt er Aykut Anhan.
Haftbefehl kommt früh und geht früh
1.15 Uhr kommt er, eine Viertelstunde früher als angekündigt. Typisch unberechenbar. Eine eindrucksvolle Instrumentalisierung aus schweren Bässen, eiskalten Synthesizern und etwas orientalisch anmutenden Hall lässt die bedrohliche Gangsta-Rap-Stimmung aufkommen. Da steht der Mann im Scheinwerferlicht, nimmt Raum ein. Wirkt irgendwie zu groß für den mit 1800 Zuschauern ausverkauften Saal. Die Menge rast vor Begeisterung.

Gangsterrap im Unterricht "Hundertprozent kriminell": Gehört Haftbefehl in die Schule?
Unter dem sonst typischen Publikum, das sich für Rap interessiert, sind dieses Mal auch viele, die erst die jüngste Medienpräsenz des Musikers neugierig gemacht hat. Wahrscheinlich sind auch nicht wenige da, die sehen wollen, wie sehr "Hafti" nun von den Folgen seiner Sucht, seines Lebens, zerrieben ist. Sein langgezogenes, irgendwie arrogant wirkendes "Aaaahhhh" am Anfang der Strophen. Auf der Bühne seine Freunde, alles Männer, die ihn supporten, indem sie mittanzen, mitsingen, anwesend sind. Geballtes Testosteron.
"Die Banken kratzen an den Wolken", brüllt er den Leuten entgegen. "Zähne fehlen in Kanacks Fressen/ Kinder auf 0,3 Lines, Gesetze kein Interesse / ich sag blasen soll Justitia." Alles vorgetragen mit der krass aggressiven Ghetto-Attitude. Uneitel, etwas staksig in seinen Bewegungen, von einer perfekt einstudierten Performance weit entfernt. Eine Naturgewalt, die sich durchsetzt mit all ihrem musikalischen und sprachlichen Talent und mit all ihrer Zerstörungskraft.
Haftbefehl und der weichere Aykut
Zwischendurch, bei den Ansagen, lacht der 40-Jährige freundlich ins Publikum. "Ihr habt bestimmt alle meine Doku gesehen. Ich wollte Euch noch sagen, ich bin clean", ruft er. "Und ich hoffe, ihr bleibt es auch. Scheiß auf Drogen!" Die Person Aykut soll anders als die Kunstfigur Haftbefehl sein. Zerbrechlicher, feinfühliger und von kindlicher Liebenswürdigkeit. Auf dem Konzert im Alando trägt er eine Maske bis über die schon viel besprochene, vom Kokain-Konsum zerstörte Nase.
So schnell wie er gekommen ist, ist er auch wieder verschwunden. Lediglich 20 Minuten dauert Haftbefehls Auftritt. Die meisten Besucher stört das nicht. Fast alle sind begeistert von dem energiegeladenen Konzert. DJs heizen weiter ein, das Publikum tanzt ekstatisch.
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