Vor dem Problem, wie man schier immerwährende Kriege beendet, standen Menschen schon vor 2446 Jahren. Aber damals konnte man sich wenigstens noch an die Götter wenden, wenn alle menschliche Vernunft versagte. Deshalb ließ der Dichter Aristophanes in seiner Komödie „Der Frieden“ den Winzer Trygaios auf einem Mistkäfer zum Olymp fliegen.
Dort wollte er eigentlich mit Zeus darüber reden, warum die Griechen ununterbrochen Krieg führen. Doch schon Trygaios musste sich, nachdem er auf dem heiligen Berg angekommen war, belehren lassen, dass der Göttervater und die Seinen sich in höhere Sphären zurückgezogen hätten, weil der irdische Kriegslärm sie in den Ohren schmerzte. Zeus war nicht scharf auf einen Friedensnobelpreis, sondern nur auf seine Ruhe.
Heute sind wir noch gottesferner, und die einzige Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten und der Ukraine liegt bei einem Unternehmer, der in die Politik gegangen ist – wie Trygaios. Dem gelingt es nach einigem Hin und Her, Polemos, den personifizierten Krieg, zu bannen und den bellizistischen Seher Hierokles zu verjagen.
Als Aristophanes es schrieb, war es ein aktuelles Zeitstück, dessen Anspielungen im Publikum der Athener Dionysos-Festspiele jeder verstand, bei deren Dramenwettbewerb „Der Frieden“ 421 v. Chr. uraufgeführt wurde. Als Kriegshetzer wird ausdrücklich der Staatsmann Perikles genannt. Und der Ritt auf dem Mistkäfer war eine Parodie auf die Darstellungen des fliegenden Pferdes Pegasos, die Aristophanes’ Konkurrent Euripides in seinen Dramen einbaute.
Euripides, Sophokles und Aischylos werden heute noch regelmäßig auf deutschen Bühnen gespielt. Aristophanes ist dagegen aus der Mode gekommen. Das war um 1970 anders. Da hielten ihn linke Schriftsteller und Theaterleute ausgerechnet, ihn, der ein konservativer galliger Gesellschaftskritiker war, für die authentischere Stimme des griechischen Volkes. Sie schrieben sogar eigene Versionen seiner Stücke. Rolf Hochhuth wollte mit „Lysistrata und die Nato“ dem westlichen Militarismus die Maske vom Gesicht reißen. Das gefiel in der DDR so gut, dass Hochhuths Stück in Rostock (damals unter Hans-Anselm Perthen eines der wichtigsten Theater) inszeniert und fürs Ost-Fernsehen aufgezeichnet wurde.
Die DDR brachte auch mindestens eine eigene Aristophanes-Aktualisierung hervor. Schon 1962 hatte der heute wieder in nostalgischen linken Kreisen geschätzte Prenzlauer-Berg-Goethe Peter Hacks seine Bearbeitung von „Der Frieden“ verfasst. Sie wurde am Deutschen Theater uraufgeführt. Den Kommunisten gefiel wohl besonders die Idee, dass die Industrie hinter allen Kriegen steckt und die Politiker nur mehr oder weniger bewusst als deren Erfüllungsgehilfen handeln.
Bei Aristophanes sind es die „Waffentrödler“ und Ausrüster der Hopliten – ein Helmbuschbinder, ein Lanzen-, ein Trompetenmacher, ein Helm- und ein Brustpanzerschmied –, die sich bei Trygaios beklagen, als er Frieden gemacht hat: „Verderbt mir hast du Kunst und Unterhalt.“ So offen wie sie würde heute natürlich kein Rüstungsaktionär jammern.
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