Die Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut wird in Deutschland reformiert. Zum 1. Dezember nimmt eine Schiedsgerichtsbarkeit ihre Arbeit auf, die die 2003 gegründete „Beratende Kommission“ ablöst. Das neue Gremium soll verbindliche Entscheidungen treffen und damit die oft langwierige Restitution von Raubkunst beschleunigen. Ein Auswahlausschuss hat im Kanzleramt 36 Schiedsrichter sowie ein Präsidium benannt.
An der Spitze stehen die ehemalige österreichische Verfassungsrichterin Elisabeth Steiner und der frühere saarländische Ministerpräsident und langjährige Richter am Bundesverfassungsgericht Peter Müller. Neu ist, dass Opfer und deren Nachkommen Restitutionsverfahren unabhängig von den Besitzern fraglicher Objekte anrufen können. Der Zugang wird leichter, die Entscheidungen sind bindend. Ein neuer Bewertungsrahmen sieht zudem Beweiserleichterungen vor, um offene Fälle sachgerecht zu klären.
Der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien Wolfram Weimer sprach von einem „letzten großen Schritt“ zur Einrichtung des Schiedsgerichts und dankte den benannten Schiedsrichtern „für ihre Bereitschaft und ihr Engagement, gerechte und faire Lösungen im Sinne der Washingtoner Prinzipien möglich zu machen.“ Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, hob die Bedeutung der paritätischen Besetzung hervor – Bund, Länder, Kommunen, Zentralrat und Claims Conference stellen gemeinsam das Gremium. Hessens Kulturminister Timon Gremmels erklärte, die Rückgabe von NS-Raubgut sei ein „unabdingbarer Schritt zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte“. Die Reform setzt eine Vereinbarung aus dem Jahr 2024 um.
Die Dysfunktionalität der bisherigen Kommission und die mangelnde fachliche Expertise mancher ihrer Mitglieder waren seit Jahren kritisiert worden – auch in dieser Zeitung. Unter den sechs Historikern, die in die Schiedsgerichtsbarkeit berufen wurden, ist auch WELT-Autor Julien Reitzenstein, der regelmäßig über Raubkunst- und Restitutionsfälle berichtete und seit Langem eine Reform der Rückgabeverfahren fordert. „Die Beratende Kommission hat Pionierarbeit geleistet“, erklärt Reitzenstein, „doch wie ihr Vorsitzender Hans-Jürgen Papier zutreffend bemerkte, hat der Gesetzgeber sie nicht gut konstruiert“.
Nun werde endlich ermöglicht, „dass beraubte Familien das Gericht einseitig anrufen können und so jene staatlichen Institutionen, die das mutmaßliche Raubgut in Besitz haben, sich einer Sachverhaltsklärung nicht mehr zu verweigern vermögen“. Damit werde mehr Gerechtigkeit geschaffen: „Es ist kaum das Versäumnis der beraubten Familien, dass oft erst jetzt im Zuge der Digitalisierung der Museumsbestände erkennbar wird, wohin mutmaßlich ihnen gehörende Kulturgegenstände gelangt sind“, sagt Reitzenstein, „und noch weniger, dass die Bundesrepublik 80 Jahre gebraucht hat, um einen Rechtsanspruch auf einseitige Sachverhaltsklärung zu schaffen.“
Was weiterhin fehlt, ist ein verbindliches Restitutionsgesetz. Auch Vertreter der Claims Conference sowie der Kommunen mahnten es erneut an. Es ist nötig, damit auch nichtstaatliche Eigentümer verpflichtet werden, Ansprüche prüfen zu lassen.
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