Es sind noch knapp zwei Jahre bis zur nächsten Documenta. Das ist nicht viel Zeit, wenn man eine so große und bedeutende Ausstellung vorzubereiten hat. Naomi Beckwith, die künstlerische Leiterin der Documenta 16, wurde nach allerlei Querelen und dem Rücktritt der ersten Findungskommission erst im Dezember 2024 ernannt. Nun wurden diejenigen vorgestellt, die sie auf dem Weg zur fertigen Schau in Kassel begleiten werden – also Künstler auswählen, Konzepte schreiben. Es geht darum, die Weltkunstschau in Hessen nach den vereinzelten, aber doch fatalen antisemitischen Entgleisungen unter dem indonesischen Kollektiv Ruangrupa wieder in sicheres Fahrwasser zu bringen.
Ausgewählt wurden von Naomi Beckwith, derzeit Chefkuratorin am Solomon R. Guggenheim Museum in New York, vier Menschen, und ausschließlich Frauen. Carla Acevedo-Yates beschäftigt sich vor allem mit karibischer und südamerikanischer Kunst. Sie kuratierte eine Ausstellung zur karibischen Diaspora sowie zu Kunst und Aktivismus in Chicago und Puerto Rico, wo sie aufwuchs. Xiaoyu Weng ist seit Kurzem Direktorin des wiedereröffneten New Yorker Ausstellungsraums Art in General, arbeitet parallel als künstlerische Leiterin der Tanoto Art Foundation in Singapur und war zuvor verantwortlich für die Abteilung Moderne und Gegenwart an der Art Gallery of Ontario.
Über Romi Crawford heißt es in der Documenta-Meldung, sie sei „Pädagogin, Autorin und Professorin für Visual and Critical Studies an der School of the Art Institute of Chicago. Sie interessiert sich für die Entstehung von Wissen im Prozess des künstlerischen Arbeitens und befasst sich mit einer responsiven, kollaborativen, regenerativen und vor allem lebendigen Kunstgeschichtsschreibung, die oft experimentelle Formen annimmt.“
Mayra Rodríguez Castro ist Autorin und hat einen Sammelband zu den Vorträgen von Audre Lorde herausgegeben. Sie widmet sich „verborgenen Einschreibungen, sei es in Archiven, Versen, Liedern oder in Landschaften. Mit jeder von ihr verfassten Seite ehrt sie die Vermächtnisse von Dichterinnen, Wortschöpferinnen und im Verborgenen wirkender Philosoph*innen“.
Man stellt sich die Frage, wie diese Kuratorinnen das alles unter einen Hut bringen wollen, wenn sie quasi nebenbei die Documenta planen. Aber gut, die Tendenz geht ohnehin dahin, viele Tätigkeiten und Funktionen auf sich zu vereinen, über die Kontinente hinweg.
Die Themen und Diskurse, mit denen sie sich beschäftigen, klingen vertraut. Gemeinsam decken die vier die etablierten Stränge institutioneller Gegenwartskunst 2025 ab: Diaspora- und Postkolonialdiskurse, Black Studies, alternative Pädagogiken, das gegenwärtige China.
Die Berufung des Documenta-Teams zeigt zweierlei: dass Naomi Beckwith zurück zur Normalität will und dass diese Normalität heute eine andere ist – weiblicher, nichtweißer, kontextueller, ohne die großen, herrischen Gesten, die noch vor einigen Jahren dazugehörten.
Was heißt das für die Documenta 16? Der große Bruch, der kalkulierte Aufruhr ist nicht zu erwarten, aber auch kein Backlash hin zu einer traditionelleren Kunstauffassung, der wiederum für Stress im Betrieb gesorgt hätte. Nach dem Kontrollverlust von 2022 klingt diese Auswahl eher so, als wolle da jemand möglichst wenig Reibung erzeugen und keine Risiken eingehen. Ob das für die Marke Documenta eine gute Idee ist, wird sich zeigen.
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