Kiruna ist der Grund dafür, dass das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg Norwegen überfallen und besetzt hat. Die Stadt liegt zwar in Schweden, aber das hochwertige Erz, das im südöstlich der Stadt gelegenen größten Eisenerzbergwerk der Welt abgebaut wird, wurde über eine Bahnstrecke exportiert, die zum norwegischen Hafen Narvik führt. Der Grund ist, dass die Nordsee vor Narvik ganzjährig eisfrei ist, anders als die schwedische Ostseeküste hier. Kiruna ist die nördlichste Stadt Schwedens.

Die deutsche Sorge um die Sicherheit des Erzexports aus Kiruna und Grube im etwas weiter südlich gelegenen Malmberget bei Gällivare löste schließlich den Fall „Weserübung“ aus – die Invasion Norwegens und Dänemarks, die am 7. April 1940 begann. Einem englischen Vorstoß auf Narvik kamen die Deutschen nur wenige Stunden zuvor. Drei Monate kämpften 4500 Gebirgsjäger und Marinesoldaten unter dem deutschen General Eduard Dietl gegen 25.000 überwiegend englische Soldaten, bis diese abgezogen wurden, weil sie zur Verteidigung Frankreichs gebraucht wurden.

Kiruna ist also nicht einfach ein schwedisches Nest mit knapp 2000 Einwohnern nördlich des Polarkreises, sondern eng und schicksalhaft mit der deutschen Geschichte verbunden. Nicht nur deshalb sollten Deutsche besonders interessiert hinschauen, wenn die Stadt zu großen Teilen abgerissen und anderswo neugebaut wird. Bereits am Ende der Nullerjahre hatte der Stadtrat beschlossen, das ganze Stadtzentrum bis zum Jahre 2035 vier Kilometer nach Osten zu verlegen und die Bevölkerung umzusiedeln.

Der Grund ist, dass durch den jahrzehntelangen Erzabbau in der nahegelegenen Mine Kiirunavaara der Untergrund der Stadt instabil geworden ist. Der Abriss ermöglicht den Zugriff auf gewaltige weitere Erzvorräte. Eine Alternative wäre gewesen, den Abbau einzustellen und damit der Stadt ihre wirtschaftlichen Grundlagen zu entziehen. Neuerdings sind in Kiruna seltene Erden entdeckt worden, die Europa weniger abhängig von China machen könnten.

Ähnliche Umsiedlungsaktionen hatte es bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Malmberget gegeben. Durch den Ort verläuft eine 250 Meter tiefe Grube, die ihn in zwei Teile teilt. Wenn die Grube ihnen zu nahe kam und Einsturzgefahr herrschte, wurden nach und nach Gebäude und Wege in Malmberget abgerissen. Der Umzug hatte allerdings nicht die Dimensionen wie in Kiruna.

Dessen spektakulärster Teil findet seit diesem Dienstag statt. Die 1912 nach Plänen des Architekten Gustaf Wickmann im nationalromantischen Stil aus Holz gebaute Kirche wird mit einem Spezialkonvoi an ihren neuen Standort transportiert. Als Beobachter des Umzugs wird auch Schwedens König Carl XVI. Gustaf erwartet. Das Gotteshaus gilt als schönste Kirche Schwedens und ist weltberühmt. Der Umzug mit 500 Metern pro Stunde soll zwei Tage dauern. Die Kosten von rund 44 Millionen Euro übernimmt das staatliche Bergbauunternehmen LKAB.

Vor der Umzugsaktion wurde die Kiruna Kyrka von Bischof Asa Nyström und Kirchenpfarrerin Lena Tjärnberg gesegnet. Tausende verfolgten die Segnung und den Start des Umzugs, der nun in einem Livestream übertragen wird. Im Vorfeld war der Boden rund um die Kirche ausgehoben worden. Anschließend wurden riesige Stahlträger unter das 40 Meter breite und 672 Tonnen schwere Gebäude geschoben. Unter die Stahlträger fuhren dann die Schwerlasttransporter, die dadurch die Kirche als Ganzes transportieren können.

Die Form der Kirche erinnert an eine Kote – so werden die traditionellen Behausungen der Samen aus Torf, Leder und Birkenstämmen genannt. Auch innen ist die Kiruna Kyrka mit von den Ureinwohnern der Region inspirierten Motiven verziert. Besonders geschützt werden müssen während des Umzugs die historische Orgel von 1957 und das Altarbild von Prinz Eugen von Schweden.

Nicht so viel Aufwand wie mit der Kirche wird mit anderen Gebäuden getrieben. Für einige wurde der Denkmalschutz aufgehoben. Dazu gehört das 1959 bis 1962 nach Plänen des Architekten Artur von Schmalensee errichtete Rathaus. Es gilt als ein frühes Beispiel der Postmoderne – bevor überhaupt der Begriff „Postmoderne“ aufkam. Das Haus hatte 1964 den Kasper Salin-Preis als „Schwedens schönstes öffentliches Gebäude“ erhalten. Sein Umzug wäre aber teurer als ein Neubau.

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