Am Freitag eröffnete das Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) mit dem Psychothriller «Dalloway». Der Film erzählt die Geschichte der Schriftstellerin Clarissa, die von einer futuristischen KI-Assistenz überwacht wird – eine filmische Anspielung auf die Sorge, maschinelle Kreativität könne bald die menschliche überflügeln.

Legende: Zu Besuch am NIFFF: Die belgische Schauspielerin Cécile de France spielt die Hauptrolle der Clarissa in «Dalloway» – dem diesjährigen Eröffnungsfilm des Neuchâtel International Fantastic Film Festival. NIFFF

Auch der Film «Lesbian Space Princess» tangiert aktuelle gesellschaftspolitische Debatten: Wenn eine lesbische Prinzessin gegen toxisch-männliche Aliens kämpft, persifliert das den patriarchalen Zeitgeist. Für Festivaldirektor Pierre-Yves Walder steht der Film beispielhaft für die transformative Kraft des Genres: «Fantasy bietet den Raum, Identität, Menschsein oder nationale Zugehörigkeit neu zu denken.»

Fantastischer Interpretationsraum

Das Festival zeigt 127 Filme aus 42 Ländern, darunter Filmperlen der letzten 100 Jahre. Die Mischung ist bunt, und dennoch weisen alle fantastischen Filme seit den Werken des Filmpioniers Georges Méliès eine Gemeinsamkeit auf: den bewussten Bruch mit den Realismus-Konventionen der Gegenwart. Wohl aus diesem Grund eignet sich das Genre besonders für gesellschaftliche Utopien und die politische Vereinnahmung.

Es ist leicht, fantastische Geschichten zu instrumentalisieren. Sie sind klar strukturiert, oft schwarz-weiss – perfekte Vehikel für einfache Botschaften.
Autor: Pierre-Yves Walder NIFFF-Festivaldirektor

Erzkonservative Tech-Unternehmer wie Peter Thiel oder Palmer Luckey nutzen Metaphern aus fantastischen Werken als Firmennamen. Und auch Italiens Rechtspopulisten sind auf den Geschmack gekommen und haben das Festival «Atréju» ins Leben gerufen, das an den olivgrünen Helden aus Michael Endes «Die unendliche Geschichte» erinnert. Mitbegründerin Giorgia Meloni, Italiens Ministerpräsidentin, eröffnete 2023 ausserdem eine Ausstellung zu Ehren des «Herr der Ringe»-Erfinders J. R. R. Tolkien.

«Es ist leicht, fantastische Geschichten zu instrumentalisieren. Sie sind klar strukturiert, oft schwarz-weiss – perfekte Vehikel für einfache Botschaften», sagt Festivaldirektor Pierre-Yves Walder und erklärt damit, was fantastische Filme für Populisten jeglicher Couleur so anziehend macht.

Während der 60er-Jahre galt die «Herr der Ringe»-Trilogie übrigens als «Bibel der Hippies». Somit ist der Fantasy-Klassiker wohl ein berühmtes Beispiel dafür, wie Narrative und Symbole des Genres sowohl von rechten als auch von linken Strömungen ideologisch aufgeladen werden können.

Lehren eines Pioniers

Für die meisten Leserinnen und Zuschauer dient Fantasy jedoch in erster Linie dem Vergnügen. So bleibt es abzuwarten, ob das diesjährige Programm des NIFFF das Publikum primär unterhalten oder ob es politische Debatten auslösen wird – und welche Filme am Samstag mit Preisen, wie dem «Silbernen Méliès», der zu Ehren des berühmten Filmpioniers verliehen wird, ausgezeichnet werden.

Der 1861 geborene Georges Méliès war im Übrigen nicht nur in seinen Filmen, sondern auch in seiner Karriereplanung äusserst kreativ: Erst war er passionierter Zauberer, dann Theaterbesitzer. Als das Publikum ausblieb, eröffnete er 1896 Frankreichs erstes Filmstudio. Sein Kurzfilm «Le Voyage dans la Lune» von 1902 machte ihn unsterblich – ein Happy End, das die Schriftstellerin Clarissa aus dem Eröffnungsfilm «Dalloway», deren kreative Karriere durch die KI bedroht wird, inspirieren könnte.

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