Das "Teambuilding" in Würzburg hat begonnen: Die Fraktionsführungen von Union und SPD wollen offen über Fehler der vergangenen Wochen sprechen. Zum Auftakt des zweitägigen Treffens demonstrierten die Fraktionschefs Einigkeit - in Wort und Bild.
Die Regierungskoalition aus Union und SPD will nach einem verstolperten Start eine neue Etappe beginnen - zunächst mit einer gemeinsamen Klausur der Fraktionsspitzen in Würzburg und harmonischen Bildern: Unionsfraktionschef Jens Spahn reckt sein Handy zum Selfie in die Höhe. Breit lächelnd an seiner Seite: SPD-Fraktionschef Matthias Miersch und CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann.
Beim Fototermin auf der alten Mainbrücke in Würzburg wollen die Spitzen von CSU, SPD und CSU Einigkeit ausstrahlen. Am Mittag sind die Koalitionsparteien dann in die zweitägige Fraktionsklausur gestartet.
"Diese Koalition wird eine Brücke dieses Landes sein in die Zukunft", bediente Hoffmann zum Auftakt das Bild, das die Parteispitzen erzeugen wollten. CSU-Politiker Hoffmann fungiert als Gastgeber von "Würzburg 2025", wie er es selbst nannte. Das Treffen war ihm zufolge schon seit mehreren Wochen in Planung. Und nach Differenzen bei Richterwahl, Wehrdienst, sowie Steuer- und Sozialpolitik schien es nun auch nötig.
"Diese Fehler künftig vermeiden"
Die Fraktionsspitzen scheuten sich zum Start nicht davor, Fehler einzuräumen. Die letzten Wochen seien nicht einfach gewesen, sagte Miersch. "Und deswegen werden wir uns auch diese Zeit hier nehmen, sehr offen miteinander zu reden, dass wir diese Fehler künftig vermeiden." In der Ampel-Regierung hätten die Parteien ein solches Treffen nie hinbekommen, so der SPD-Fraktionschef.
Als einen der Fehler nannte Miersch die gescheiterte Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht. Sie sei im Juli "zu einem sehr schlechten Zeitpunkt" vor der parlamentarischen Sommerpause gekommen. Auch darüber werde gesprochen, das weitere Verfahren solle allerdings kein Schwerpunkt in Würzburg sein.
Sein Unionskollege Spahn erwähnte so manch scharfe Kurve, "die uns durchgeruckelt hat". Er führte aus: "Wir bedauern, dass wir so in die Sommerpause gestartet sind. Das hätte besser, das hätte anders laufen müssen."
Aussprache im Fokus der zwei Tage
Laut Miersch hatte es gestern schon ein Abendessen unter den Dreien gegeben - Hoffmann zufolge auch mit einem Glas Frankenwein. Denn in den zwei "arbeitsreichen" Tagen der Klausur bleibe keine Zeit für "Brückenschoppen", sagte er in Anspielung auf die Würzburger Tradition, auf der alten Mainbrücke ein Glas Wein zu trinken.
Zunächst steht ein Besuch von NATO-Generalsekretär Mark Rutte an, der Gast in Würzburg ist. "Das Thema innere und äußere Sicherheit hat bei den Menschen eine sehr große Bedeutung", so Hoffmann.
Rutte warnt vor hybriden Angriffen
Und Rutte warnte bei seinem Besuch vor hybriden Angriffen Russlands: "Das können Attentatsversuche sein, es können Störsignale des zivilen Luftverkehrs sein, auch versuchte Cyberangriffe gegen ein großes NATO-Land." Aber er wisse, dass Deutschland hier nicht naiv sei.
Anschließend folgt der Hauptteil der Klausur: die große Aussprache. Die Parteien wollten die "Vertrauensbasis aufbauen und ausbauen", beschrieb Miersch das erklärte Ziel. Ihm zufolge steht eine erste Bilanz im Fokus - über die Dinge die schlecht, aber auch die Dinge die gut gelaufen seien.
Spahn und Miersch tauschten sich in Sommerpause aus
Dafür sind nicht nur Miersch, Spahn und Hoffmann in Würzburg zusammengekommen - sondern auch Gruppen weiterer Abgeordneter aus den Fraktionsführungen.
Spahn und Miersch haben sich nach eigenen Angaben schon in der Sommerpause über das ausgetauscht, was schief gelaufen ist. Aber Miersch betonte, es reiche "nicht aus, wenn zwei Leute das empfinden. Deswegen ist wichtig, dass wir hier auch in der Fraktionsführung zusammenkommen."
Blick nach vorn
Das Treffen ist aber nicht nur ein Blick zurück. Das Aussprache sei Grundvoraussetzung für die Zukunft: "Wir haben den Auftrag bekommen, in dieser großen Koalition auch große Dinge anzugehen", sagte Spahn.
Und der Unionsfraktionschef vergaß auch nicht zu betonen: In der ersten Etappe des Weges sei Schwarz-Rot schon viel gelungen. Er verweist auf die Beschlüsse, die das Kabinett bereits auf den Weg gebracht habe: Wohnungsbau-Turbo, Kita-Ausbau, Begrenzung irregulärer Migration und Deutschlands transatlantischer Auftritt sind für ihn Beispiele.
Spahn will künftig "weniger über Parteiprogramme, mehr über das Arbeitsprogramm reden." Hoffmann sagte: "Der Koalitionsvertrag hat die Antworten für die Herausforderungen unserer Zeit."
Herbst der Reformen birgt Debattenstoff
Auch beim großen Diskussionsthema Bürgergeld verweist Spahn auf das Koalitionspapier, in dem die Grundzüge vereinbart seien. In Würzburg wird es laut Miersch in diesem Punkt zwar nicht um Einzelheiten gehen - aber es solle skizziert werden, wo es Schnittmengen gebe und wo es hake. Einig sind sich die Fraktionschefs aber in einem Punkt: Wer Hilfe brauche, solle sie im deutschen Sozialsystem künftig weiter bekommen.
Die Sozialpolitik birgt - wie das Thema Steuern - im angekündigten "Herbst der Reformen" erneut viel Debattenstoff für die Koalitionspartner. Spahn betonte deshalb schon jetzt: "Nicht jedes Treffen ist ein Krisentreffen."
Hoffmann blieb bei Sport-Metaphern: Nach einem "Trainingslager" und "Teambuilding"-Maßnahmen könne das zweite Turnier einer neuen Mannschaft schon deutlich besser werden.
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