Mehrere Bundesländer nutzen bereits die Daten-Software der berüchtigten US-Firma Palantir. Kritiker haben dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Nun gibt es in Baden-Württemberg Streit um einen Vertrag mit Palantir.
Das "Palantir-Desaster": So nennt der grüne Koalitionspartner das, wofür sich das CDU-geführte Innenministerium in Baden-Württemberg derzeit verantworten muss. Denn es hat einen Vertrag mit Palantir abgeschlossen, zu deren Mitgründern der US-Investor Peter Thiel zählt. Das allein wäre schon Anlass für Debatten, denn Thiel ist hoch umstritten. In Baden-Württemberg kommt hinzu, dass es gar keine rechtliche Grundlage für die Nutzung der von Palantir entwickelten Software gibt.
"Gotham" heißt das Programm, benannt nach der Stadt in den "Batman"-Comics, in der der Superheld auf Verbrecherjagd geht. Das, so verspricht es Palantir, tut auch "Gotham": Die Software wertet große Datenmengen aus und stellt Verbindungen her.
Warnung vor "hochinvasivem Instrument"
"Dabei gelangen potenziell auch völlig Unbeteiligte mit in die Datenverarbeitung", kritisiert Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter Tobias Keber. Er spricht von einem "hochinvasivem Instrument", für das es bislang keine Rechtsgrundlage gebe. Trotzdem hat Baden-Württemberg einen Fünfjahresvertrag mit Palantir abgeschlossen.
Die Kosten liegen bei rund 25 Millionen Euro. Bereits im März wurde der Vertrag unterzeichnet, öffentlich wurde der Vorgang aber erst vor wenigen Wochen durch Recherchen des SWR.
Debatte über Palantir auch auf Bundesebene
Der Streit um Palantir beschäftigt längst Innenpolitiker in ganz Deutschland. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) und andere Politiker aus der Union plädieren für einen bundesweiten Einsatz einer für Deutschland modifizierten Palantir-Software. Sie argumentieren, es gebe bisher keine andere ausgereifte Anwendung, die mit der von Palantir konkurrenzfähig wäre. Auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) schließt eine Nutzung von Palantir-Software nicht aus.
Die SPD ist dagegen: Sie befürchtet, dass man sich dadurch bei einer Schlüsseltechnologie von einer US-Firma abhängig mache. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Fiedler, verweist zudem auf den umstrittenen Mitgründer und Anteilseigner von Palantir, Peter Thiel. Der Tech-Milliardär sei "ein Demokratiefeind von besonders bedrohlichem Kaliber", sagte Fiedler dem Handelsblatt. "Es ist wirklich nicht vermittelbar, dass wir diesen Typen ausgerechnet aus Steuermitteln finanziell fördern."
Thiel ist bis heute Vorsitzender des Verwaltungsrats von Palantir. Er gilt als einer der wichtigsten Strippenzieher in der US-Politik und ist berüchtigt für seine Kritik an der Einführung des Frauenwahlrechts und seine demokratiefeindlichen Aussagen. Thiel unterstützte zudem US-Präsident Donald Trump bereits bei dessen erster Kandidatur 2016.

Peter Thiel ist extrem umstritten - und Vorsitzender des Verwaltungsrats von Palantir.
Grüner Koalitionspartner war nicht informiert
In Baden-Württemberg ist das Innenministerium für den Vertragsabschluss mit Palantir verantwortlich, doch Minister Thomas Strobl (CDU) gibt sich ahnungslos: "Ich habe selber keinen Vertrag geschlossen." Im Landtag muss sich sein Staatssekretär Thomas Blenke (ebenfalls CDU) der Kritik der Abgeordneten stellen. Das Programm des US-Anbieters sei das einzige, das den "polizeilichen Anforderungen" genüge, sagt er.
Dass das baden-württembergische Polizeigesetz die Datenzusammenführung und -verarbeitung, wie sie Palantirs Software leistet, derzeit gar nicht erlaubt, muss Blenke allerdings eingestehen. Trotzdem habe man im März den Vertrag unterzeichnen lassen, "und zwar am letzten Tag einer Preisbindungsfrist". Nach Ablauf dieser Frist wäre der Vertrag laut Blenke "ungefähr doppelt so teuer" geworden.
Der grüne Koalitionspartner war über diesen Deal offenbar nicht informiert. Oliver Hildenbrand, innenpolitischer Sprecher der Grünen, sieht offene Fragen: "Was für Verträge mit welchen Inhalten sind unterzeichnet worden? Wie kommt man aus diesen Verträgen wieder raus?"
Staatssekretär Blenker verweist im Landtag auch auf ein anderes Bundesland: Beim Vertragsabschluss habe man sich an Bayern orientiert, das einen Rahmenvertrag mit Palantir ausgehandelt habe.
Software in mehreren Bundesländern umstritten
Die bayerischen Polizeibehörden nutzen bereits ein Programm, das auf der Palantir-Software basiert. Die rechtliche Grundlage dafür hat die bayerische Landesregierung im vergangenen Jahr mit der Änderung des "Polizeiaufgabengesetzes" (PAG) geschaffen. Es erlaubt den bayerischen Polizeibehörden nun das sogenannte "Data Mining" - das automatisierte Zusammenführen und Auswerten großer Datenmengen, so wie Palantir es ermöglicht.
Kritiker bezweifeln ganz grundsätzlich, ob das rechtens ist. Der gemeinnützige Verein "Gesellschaft für Freiheitsrechte" (GFF) hat in den Bundesländern, in denen bereits eine Palantir-Software genutzt wird, Verfassungsbeschwerde eingelegt: in Hessen, in Nordrhein-Westfalen und nun auch in Bayern. "Die weitreichende Zusammenführung in einer Art Super-Datenbank und die automatisierte Massenauswertung von personenbezogenen Daten verletzt Grundrechte", argumentiert die GFF. Sie sieht eine Verletzung der informationellen Selbstbestimmung und des Fernmeldegeheimnisses.
Wie geht es in Baden-Württemberg weiter?
Doch was wird nun aus 25 Millionen Euro schweren Palantir-Vertrag mit Baden-Württemberg? Wird auch dort das Polizeigesetz so geändert, dass eine Nutzung der Software möglich ist - trotz der Verfassungsbeschwerden in anderen Bundesländern? Innenstaatssekretär Blenke von der CDU ist optimistisch: "Wir sind in guten und konstruktiven Gesprächen innerhalb der Koalition."
Bei Innenpolitiker Hildenbrand von den Grünen klang das zumindest vor ein paar Tagen noch ganz anders: "Dass wir unter diesen Umständen, wo die wichtigen Fragen nicht beantwortet sind, jetzt einfach das Polizeigesetz ändern, halte ich für ausgeschlossen."
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