RAF-Mitgründer, Sozialist, Nationalsozialist und Antisemit: Der Rechtsanwalt Horst Mahler war stets extrem - egal, in welcher politischen Richtung. Über alle Sinneswandlungen hinweg blieb sein Hauptgegner stets die Bundesrepublik Deutschland. Von A. Kartschall.

RAF-Mitgründer, Sozialist, Nationalsozialist und Antisemit: Der Rechtsanwalt Horst Mahler war stets extrem - egal, in welcher politischen Richtung. Über alle Sinneswandlungen hinweg blieb sein Hauptgegner stets die Bundesrepublik Deutschland.

"Unbelehrbarer", "Universalextremist", "Holocaust-Leugner": Es gibt vieles, was über Horst Mahler in seinen letzten Lebensjahren geschrieben wurde. Eines aber hat ihm wohl niemand attestiert: Altersmilde.

1936 wird Horst Mahler in Schlesien geboren. Seine Eltern sind überzeugte Nationalsozialisten und gläubige Christen. Abends betet die Familie gemeinsam. Wie Mahler sich später erinnern wird, sind es Gebete, "die dann am Schluss immer auch Adolf Hitler einschlossen. Dass Gott also Adolf Hitler beschützen möge."

Und Mahler weiß, was er später werden will. "Das war mir seit frühester Kindheit schon klar: Ich wollte Politiker werden". Der kleine Horst Mahler hat ein aus seiner Sicht großes Vorbild: "Ich hab mir die Haare so geschnitten wie Hitler und hab mich dann hingestellt und Reden gehalten." Von klein auf ist beides für Mahler verbunden: Der Traum vom Politiker werden und Hitler als Vorbild - ein Mann also, für den Politik vor allem aus "Kampf" bestand.

Untergang des Dritten reiches Zäsur

Der Untergang des Dritten Reiches ist eine Zäsur für die Familie - und den jungen Mahler. Nach dem Krieg lebt die Familie in Roßlau (Elbe), innerhalb der sowjetischen Besatzungszone. Mahler wird Mitglied der sozialistischen Massenorganisation "Freie Deutsche Jugend" - wie er später erklären wird, weil er sich davon einen Studienplatz erhofft.

1949 folgt der zweite Einschnitt in Mahlers Leben: Mit dem Dritten Reich ist für den Vater eine Welt zusammengebrochen. Eines Sonntags erschießt er sich im Garten.

Jahrgangsbester, Stipendiat, Linksradikaler

Die Mutter zieht mit den drei Kindern nach West-Berlin. Bereits in jungen Jahren gründet Mahler hier eine Schülerpartei, die "Mahler-Gruppe". Der Schuldirektor verbietet sie umgehend. Das Abitur legt der offensichtlich begabte junge Mann 1955 als Jahrgangsbester ab. An der Freien Universität Berlin beginnt er ein Jurastudium, erhält Begabtenförderung von der "Studienstiftung des deutschen Volkes". Außerdem wird er Mitglied in der konservativen Studentenverbindung "Thuringia".

Es scheint angerichtet für ein erfolgreiches, zutiefst bürgerliches Leben als zukünftiger Rechtsanwalt. Mahler kann das alles haben - und will doch bald von alldem nichts.

Politisch immer weiter nach links

Stattdessen wandert der Student Mahler politisch immer weiter nach links. Er tritt in die SPD ein - und aus der Burschenschaft aus. Die Sozialdemokraten aber sind ihm schnell nicht links genug. Denn Mahler hat Karl Marx gelesen und "eine gewisse Vorstellung, wie es in der Welt weitergehen könnte: proletarische Revolution, Weltrevolution". Politik, na klar, als Kampf.

Der angehende Rechtsanwalt tritt auch noch dem Sozialistischen Studentenbund (SDS) bei. Dieser aber ist der SPD zu radikal - es gibt einen Unvereinbarkeitsbeschluss. Mahler sieht sich selbst als "Leninist" und entscheidet sich gegen die Sozialdemokraten und für die linken Studenten.

Im Zweifel radikal

Es wird ein Muster sein, das in seinem Leben wiederkehrt: weg von der Mitte, hin zu den Rändern. Dabei scheint unzweifelhaft, dass Mahler die Möglichkeit gehabt hätte, ein Leben in der Mitte der Gesellschaft als "Gewinner" zu führen. Eine Zeitlang praktiziert er beides parallel: Wirtschaftlich erfolgreich sein und politisch radikal.

Als junger Anwalt spezialisiert er sich auf Wirtschaftsfälle. Er hat Erfolg, sorgt für Aufsehen, als er 1966 einen Präzedenzfall schafft. Für einen Mandanten geht er bis zur Europäischen Menschenrechtskommission. Der Mann saß fünf Jahre ohne Gerichtsverhandlung in Untersuchungshaft, Mahler holt ihn auf freien Fuß.

Sätze im Sound der RAF

Am 2. Juni 1967 wird in Berlin der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Von hinten in den Kopf. Das wird klar, als Mahler als Anwalt der Witwe der Obduktion beiwohnt. Ein weiteres einschneidendes Erlebnis. Viele Jahre später sagt er: "Für mich war es die Bestätigung der marxistischen Theorie über die Rolle des Staates als Instrument der Herrschenden zur Unterdrückung der ausgebeuteten Mehrheit."

Eine nachgeschobene Kriegserklärung an die Bundesrepublik Deutschland, formuliert im 68er-Slang: kompliziert, theorielastig, für Außenstehende kaum verständlich. Es ist der Sound, den später auch die Rote Armee Fraktion von sich geben wird. Und Mahler selbst, der ein Leben lang ein Meister des Schachtelsatzes bleibt.

Bruch mit dem Rechtsstaat

Der Schuss auf Ohnesorg bleibt ungeahndet. Auch deshalb bricht der Rechtsanwalt Mahler innerlich mit dem bundesdeutschen Rechtsstaat. Zunehmend vertritt er vor Gericht die Symbolfiguren der linksradikalen Studentenszene - und wird immer mehr selbst eine von ihnen. Mitglieder der "Kommune I", die "Kanzlerschlägerin" Beate Klarsfeld, der spätere RAF-Terrorist Andreas Baader: sie alle gehören zu seinen Mandanten. Er ist einer der Mitgründer des "Sozialistischen Anwaltskollektivs". Auch dabei: der spätere Grünen-Polit-Star Hans-Christian Ströbele.

Mahler identifiziert sich mit den politischen Zielen seiner Klienten. In einer Rede fordert er die Revolution: "Kämpft mit der Kommunistischen Partei für eine menschliche Gesellschaft. Für den Sozialismus." Immer wieder gerät Mahler selbst mit dem Gesetz in Konflikt. Beispielsweise wegen "Rädelsführerschaft" bei Studentenunruhen.

Mitbegründer der RAF

1970 ist er es, der die untergetauchten Linksradikalen Andreas Baader und Gudrun Ensslin aus ihrem Versteck in Italien zurück nach Deutschland lotst, um die RAF zu gründen. Rund zehn Jahre nach seinem Staatsexamen ist aus dem vielversprechenden Rechtsanwalt Mahler der Initiator der bald berüchtigsten Terrororganisation Deutschlands geworden. Einer seiner Mandanten, Michael Baumann sagt später: "Ohne Horst Mahler hätte es die RAF nie gegeben."

Quasi die komplette erste Generation der RAF wird gefasst, Mahler wird 1974 zu insgesamt 14 Jahren Haft verurteilt. Einer seiner Anwälte: Otto Schily, der später Bundesinnenminister wird. Mahler über Schily: "Er gehörte zur geistigen Elite des Anwaltsstandes. Er hatte Fähigkeiten, die andere nicht haben. Ich habe sie nicht."

Über Hegel zum Nationalsozialismus

Im Gefängnis "studiert" Mahler, wie er es nennt. Vor allem Hegel, den großen "Vordenker des Sozialismus". Die Auseinandersetzung mit der Hegelschen Logik ist Anstoß für den letzten philosophisch-ideologischen Wendepunkt im Denken des Horst Mahler. Er distanziert sich von der RAF.

Durch Hegels Philosophie der Dialektik habe er erst verstanden, dass er ein "völlig neues Verhältnis zum Nationalismus und Nationalsozialismus" entwickeln könnte. Aus dem Sozialisten Mahler wird zunehmend der Nationalsozialist Mahler. Die innere Reise von ganz links nach ganz rechts dauert mehr als ein Jahrzehnt. Mahler findet Parallelen zwischen seiner sozialistischen Radikalenzeit und seiner Herkunft aus einer nationalsozialistischen Familie.

Im Zentrum steht jeweils das vermeintliche Interesse der Massen oder des Volkes. Das Individuum und bürgerliche Freiheitsrechte spielen in seinen politischen Idealvorstellungen immer eine eher untergeordnete Rolle. Ein angebliches höheres Ziel haben beide Denkweisen ohnehin gemein. Mahler betont nunmehr nur eben nicht mehr "die Internationale", sondern "das Nationale". Der Wunsch nach einer diktatorischen, undemokratischen Gesellschaftsordnung bleibt.

Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung 1980 wird es zunächst ruhig um ihn. 1988 erhält er seine Anwaltszulassung zurück. Sein Rechtsbeistand: der zukünftige Kanzler Gerhard Schröder. Dieser hält Mahler für einen, "dessen Persönlichkeitsprognose eindeutig positiv ist."

"Chefideologe des radikalsten Flügels der NPD"

Nach der Jahrtausendwende sagt Mahler einmal, was er unter Freiheit versteht: "Freiheit heißt, dass ein Staat das Interesse des gesamten Volkes gegen private Interessen zur Geltung bringt und private Interessen einschränkt, damit sie nicht zerstörerisch wirken."

Fortan fällt er durch rechtspopulistische Aussagen auf, auch Antisemitismus ist dabei. Im Jahr 2000 tritt er der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) bei. Die Süddeutsche Zeitung nennt ihn 2001 den "Chefideologen des radikalsten Flügels der NPD". Im selben Jahr beginnt Mahler damit, die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht zu verteidigen. Die Bundesregierung will die rechtsextreme Partei verbieten. Sein Widersacher ist ein alter Bekannter: Otto Schily, mittlerweile Bundesinnenminister.

Das Verfahren wird Mahlers größter Triumph. Er gewinnt - gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen Otto Schily, den er ja zur "geistigen Elite" des Landes zählt. Es soll Mahlers letzter großer Sieg werden. Nach dem Verfahren tritt Mahler aus der NPD aus. Die Partei ist ihm nicht radikal genug, denn diese sei schließlich "am Parlamentarismus ausgerichtet".

Volksverhetzung, Holocaust-Leugnung, Reichsbürgertum

In den folgenden 20 Jahren steht Mahler immer wieder vor Gericht und wird mehrfach zu Haftstrafen verurteilt. Holocaust-Leugnung, Volksverhetzung, Billigung von Straftaten - die Liste der Verurteilungen ist lang.

Zudem taucht der "Universalextremist" (FAZ) Mahler mit Verschwörungstheorien auf, ist ideologischer Mitbegründer der "Reichsbürger". Ihre Vertreter werden sich später immer wieder auf ihn berufen. Bis zu Mahlers Lebensende sind Verfahren gegen ihn anhängig.

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