Der Mangel an Arbeitskräften könnte für Deutschland existenziell werden. Nun werden verschiedene Modelle diskutiert, die entlasten sollen. Helfen Boomer am Ende selbst aus? Und was müssen Unternehmen bieten?
Wenn die geburtenstarken Jahrgänge sich nach und nach in den Ruhestand verabschieden, ergibt sich für Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) eine zentrale Frage: "Wer macht eigentlich die Arbeit, wenn die Babyboomer in den Ruhestand gehen und die jungen Jahrgänge, die nachrücken, diese Lücke nicht füllen können?"
Von der Antwort auf diese Frage hängt ab, wie es hierzulande weitergeht. Der Mangel an Arbeitskräften könnte für das Land existenziell werden. Eine mögliche Antwort könnte sein: Die Boomer arbeiten einfach länger, beispielsweise bis 70. Doch das ist leichter gesagt als umgesetzt.
Die Altersgrenze zu verschieben, ist ein langwieriger Prozess: Bei der Rente mit 67 hat er bereits 2007 begonnen und ist heute noch nicht abgeschlossen. Darauf weist Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, SPD, hin: "Die Regelaltersgrenze steigt ja bereits zwei Monate pro Jahrgang bis 2031, dann werden wir das Renteneintrittsalter von 67 Jahren erreicht haben."
Aktivrente mit dem Prinzip Freiwilligkeit
Eine Anhebung der Altersgrenze über 67 hinaus käme für das akute Boomer-Problem also zu spät. Außerdem ist auch keine politische Mehrheit dafür in Sicht.
Etwas einfacher ist es da, den Boomern eine Berufstätigkeit über das Rentenalter hinaus schmackhaft zu machen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wirbt daher für einen Vorschlag der schwarz-roten Regierungskoalition: "Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt zusätzlich zur Rente sein Gehalt von 2.000 Euro pro Monat steuerfrei. Die Aktivrente kommt."
Dabei beruht die Aktivrente auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Allerdings gibt es auch Kritik daran. Der zufolge ist die Aktivrente vor allem für akademische Berufe geeignet und nicht für Menschen, die körperlich arbeiten, also eher etwas für Architekten als für Maurer. Das könnte soziale Ungleichheiten verschärfen.
Grundlegende Reform des Rentensystems?
Auch deshalb stellt sich die Linken-Vorsitzenden Ines Schwerdtner eher eine grundlegende Reform: "Das Rentensystem müsste reformiert werden, aber nicht durch solche kosmetischen Aktivrentenvorschläge und schon gar nicht durch irgendwelche Ideen, dass die Deutschen länger arbeiten müssten, sondern indem man besser umverteilt innerhalb des bestehenden Rentensystems."
Schwertner argumentiert wie die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Yasmin Fahimi: Wenn auch Selbständige und beispielsweise Abgeordnete einzahlen würden, gäbe es schon mal mehr zu verteilen. Außerdem sollten Leistungen, die politisch gewollt, aber nicht beitragsfinanziert sind, wie zum Beispiel die Mütterrente, auch voll und ganz vom Staat bezahlt werden.
Wettbewerb um ältere Arbeitskräfte
Dessen ungeachtet müsste auf dem Arbeitsmarkt der Kampf auch um ältere Arbeitskräfte eigentlich längst im Gange sein. Elke Ahlers von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung stellt fest: "Unternehmen mit einer guten Unternehmenskultur und einem guten Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern, die haben natürlich größere Chancen, dass man gut und auch länger zusammenarbeitet."
Das heißt: Künftig müssen die Unternehmen den Arbeitskräften etwas bieten, damit weniger Menschen in Altersteilzeit gehen und mehr sich wohlfühlen am Arbeitsplatz, obwohl sie schon älter sind und vielleicht mit der technologischen Entwicklung Mühe haben. Dazu müssten auch Fortbildungen und eine entsprechende Teamkultur zählen.
Ahlers glaubt, dass viele möglichst früh in Rente gehen wollen, weil sie sich in ihrer angestammten Tätigkeit nicht mehr wohl und im Unternehmen nicht mehr wertgeschätzt fühlen.
Einbußen drohen für alle Jahrgänge
Um den Arbeitskräftemangel in Grenzen zu halten, gibt es weitere Faktoren: So brauchen viele Teilzeitkräfte gute Rahmenbedingungen, um in Vollzeit wechseln zu können. Für Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen müsste entsprechend gesorgt sein. Außerdem wird es ohne Zuwanderung in den Arbeitsmarkt nicht gehen. Fraglich bleibt, ob die Politik die Lücke, die durch die Babyboomer im Arbeitsmarkt gerissen wird, schließen kann.
Insgesamt sieht die Prognose von Holger Schäfer (IW) nicht gerade rosig aus: "Wir werden in eine Situation kommen, wo wir eben diese beschriebenen Arbeitskräfteknappheiten in sehr verstärktem Maße spüren werden, was auch zu Wohlstandseinbußen führen wird."
Wohlstandseinbußen - davon sind nicht nur die geburtenstarken Jahrgänge betroffen. Insofern geht die Rentenfrage wirklich alle an.
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