Das Papier von 28 Staaten, Kritik von Diplomaten und Frankreichs Ankündigung der Anerkennung Palästinas haben den Druck auf die Bundesregierung erhöht. Der Tenor: Mit Blick auf Gaza reichen Appelle wie bisher nicht aus. Nun scheint sich etwas zu tun.
Als der Bundeskanzler zu Beginn der Woche die Regierungschefs aus Norwegen und Tschechien empfing, ging es immer auch um die verheerende humanitäre Lage in Gaza. Friedrich Merz fand deutliche Worte: Das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen, sagte er, sei nicht akzeptabel. "Wir sehen vor allem die große Not der zivilen Bevölkerung dort, und deswegen erneuere ich auch gern noch einmal meinen Aufruf, jetzt wirklich der Zivilbevölkerung im Gazastreifen die notwendige humanitäre Hilfe zukommen zu lassen."
Appellieren, fordern, das direkte Gespräch mit der israelischen Regierung suchen: Angesichts der Bilder verhungernder Kinder, der Nachrichten über Menschen, die an Verteilstationen erschossen wurden, werden die Rufe lauter, mehr zu tun. Auch beim Koalitionspartner SPD.
Dass sich die Bundesregierung Anfang der Woche nicht durchringen konnte, einen - wenn auch scharf formulierten - internationalen Appell zu unterzeichnen, kann der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetović, nicht nachvollziehen.
Ahmetović: Nicht zu unterschreiben "ist und bleibt ein Fehler"
"Die 28 Staaten haben klargemacht, dass sie ein Ende dieses Krieges wollen, ein Ende des humanitären Leids und die Freilassung der Geiseln durch die Hamas", so Ahmetović. "Das ist eine Position, die wir als Bundesregierung, als Parlament teilen." Deshalb hätte die Initiative mit unterstützt werden müssen, sagt der SPD-Politiker. "Dass wir es nicht getan haben, ist und bleibt ein Fehler."
Abgeordnete der Unionsfraktion wie der CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann halten dagegen. "Das ist aber doch genau das, was die Hamas will." Einseitiger Druck auf Israel dürfe so lange nicht stattfinden, solange der Druck auf die Hamas nicht dazu führe, dass die Hamas die Geiseln freilasse, sagte Hoffmann.
Es wird gestritten: über die Staatsräson, über das Völkerrecht. Über Formulierungen, Verantwortlichkeiten und Schuld. Es ist eine emotionale Debatte, die polarisiert. Selbst pensionierte Diplomatinnen und Diplomaten mischen sich ein, was äußerst selten vorkommt. In einem offenen Brief kritisieren sie, dass sich Deutschland dem Appell, den Krieg zu beenden, nicht angeschlossen hat. Gerade Deutschlands Stimme sei mit Blick auf Israel wichtig.
Wadephul: "Sterben schon seit längerer Zeit unerträglich"
Es gehe nicht darum, den Terror der Hamas relativieren zu wollen, betont der ehemalige Botschafter Martin Kobler: "Ich finde auch: Staatsräson verpflichtet." Sie verpflichte, so Kobler, die Sicherheit Israels zu gewährleisten - "aber dann auch Israel zu sagen: Bis hierher und nicht weiter."
Dass eigentlich vieles schon längst hätte passieren müssen, weiß auch Außenminister Johann Wadephul: "Denn das Sterben ist schon seit längerer Zeit unerträglich geworden." Er hält es für richtig, dass die Bundesregierung das direkte Gespräch mit Israel sucht, appelliert und fordert. Aber das, sagt er im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio, setze eben auch voraus, dass das Gesagte gehört werde und Folgen habe. Das sei bisher völlig unzureichend.
Der Kampf gegen Hamas sei gerechtfertigt, sagte Wadephul. Aber: Man müsse sehen, welche Folgen das habe "und welches zahlloses Leiden diese Auseinandersetzung mittlerweile hervorgerufen hat. Und das führt uns dazu, dass wir Themen diskutieren müssen, die wir bisher nicht diskutiert haben."
Stopp von Waffenlieferungen steht im Raum
In der kommenden Woche will die Bundesregierung beraten und entscheiden, was zu tun ist. Ins Detail will der Außenminister nicht gehen. Im Raum steht ein Stopp von Waffenlieferungen. Möglich wäre aber auch, dass sich Deutschland entschließt, das Aussetzen eines zentralen Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und Israel mitzutragen.
Eine Anerkennung eines Staates Palästina aber, so wie sie der französische Präsident angekündigt hat und unter anderem auch die Linkspartei fordert, steht nicht zur Debatte. Dieser Schritt kann aus Sicht der Bundesregierung erst am Ende von Verhandlungen stehen. Zurzeit ist aber nicht einmal ein Anfang in Sicht.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke