Bislang kann der Internationale Strafgerichtshof Angriffskriege nicht ahnden. Deutschland will diese Gesetzeslücke schließen. Doch ob das bei der heute beginnenden Völkerrechtskonferenz in New York gelingt, ist fraglich.
Gerade erst feierte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Geburtstag: 23 Jahre wurde das Gericht am 1. Juli alt. Anders als der Internationale Gerichtshof sollte der Internationale Strafgerichtshof Kriegsverbrecher persönlich belangen können.
Doch von Anfang an gab es einen massiven Geburtsfehler. Für den schlimmsten aller Vorwürfe sollte es nicht zuständig sein: für einen Angriffskrieg. Das möchte das Auswärtige Amt ändern und kämpft für eine Ausweitung der Befugnisse bei einer heute beginnenden Konferenz in New York.
Erster Versuch in Kampala
Bereits im Jahr 2010 hatten die Vertragsstaaten - allen voran Deutschland - versucht bei einer Konferenz in Kampala diese Lücke zu schließen. Es gelang ihnen nur halb. Im Rom-Statut, das die Zuständigkeit des Gerichts regelt, konnte zwar neben Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auch das Verbrechen der Aggression eingefügt werden. Jedoch schlossen sich dieser Regelung nur wenige Staaten an, nur rund 40 unterzeichneten. Selbst diese ließen sich eine Hintertür offen, um sich einem Verfahren entziehen zu können.
Druck kam aber vor allem aus den USA, die ebenfalls gar kein Mitglied des Gerichts sind, aber dennoch an der Konferenz in Kampala mit einer Delegation teilnahmen. Zu groß war ihre Sorge durch ihr eigenes militärisches Vorgehen, etwa dem Krieg im Irak 2003, selbst belangt werden zu können. Gegenwehr kam aber auch aus Frankreich und Großbritannien.
Russlands Angriffskrieg brachte Bewegung
Wie groß diese Lücke ist, zeigt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Russlands Präsident Wladimir Putin kann zwar wegen anderer Verbrechen vom internationalen Strafgerichtshof belangt werden - das Ur-Verbrechen, der eigentliche Angriff am 24. Februar 2022, gehört aber nicht dazu. Die damalige Außenministerin Annalena Baerbock nahm dies zum Anlass, das Thema wieder auf die politische Tagesordnung zu setzen - mit einem Sondertribunal und einer grundsätzlichen Reform des Rom-Statuts.
In einer Rede Mitte Januar 2023 in Den Haag betonte Baerbock: "Daher möchte ich heute hier mit mindestens genauso großer Verve für einen zweiten, einen parallelen Track zum Sondertribunal werben: Nämlich, dass wir uns mit mindestens der gleichen Verve der Völkerstrafrechtslücke grundsätzlich widmen. Und das heißt, das Römische Statut reformieren." Auch Experten befürchten, dass allein der Weg über ein Sondertribunal ausschließlich gegen Russland als Völkerrecht à la carte wahrgenommen werde.
Nichts weniger als ein Kompromiss
Deutschland dürfte es nicht leicht fallen, seine Positionen maximal durch zu bekommen. Aussagen von Bundeskanzler Friedrich Merz oder dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Armin Laschet, einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs im Falle eines Besuches des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu in Deutschland ignorieren zu wollen, helfen den Verhandlungen nicht.
Auch die US-Administration macht weiter Druck. Sie hatte jüngst sogar Sanktionen gegen vier Richterinnen des Gerichts erlassen. Hintergrund waren Ermittlungen gegen US-Soldaten in Afghanistan und die Haftbefehle gegen Netanjahu und dem damaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant. Aus den Kreisen des Auswärtigen Amts heißt es, ganz dicke Bretter müssten noch gebohrt werden.
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