Zähneknirschend haben die Sozialdemokraten dem Koalitionsvertrag mit der Union zugestimmt. Doch jetzt fällt die SPD in ein Umfragetief, Parteichef Klingbeil ist unbeliebter denn je. Kann die Partei den Niedergang noch stoppen?
Nein sagen - das ist etwas, das SPD-Parteichef Lars Klingbeil, der seit der schwarz-roten Regierung nun auch Vizekanzler und Finanzminister ist, lernen musste. Nein sagte er zu vielen Sozialdemokraten, als es um eine Postenvergabe in der Regierung ging. Nein sagte er zu vielen Ministerinnen und Ministern, als es um mehr Geld aus dem Bundeshaushalt für die kommenden Jahre ging.
Und ein klares Nein musste er jetzt auch zu vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern und Kleinbetrieben sagen, als es um die Entlastung bei der Stromsteuer geht. Egal, wie oft er nun betont, dass es zu anderen Entlastungen ja noch kommen wird, wie viel Geld in die Modernisierung der Infrastruktur gesteckt wird und wie das ja alles auch mit Kanzler Friedrich Merz so vereinbart war - das häufige Neinsagen von Klingbeil kommt offenbar nicht gut an.
Klingbeils Image bröckelt
Im politischen Berlin wird Klingbeil gerne das Image des "netten, großen Teddybären" nachgesagt. Der, der immer freundlich schaut, nicht brüllt. Doch sein Image bröckelt. Auch sein Plan, als "Investitionsminister" dazustehen, geht derzeit nicht auf, da die Bevölkerung und die Wirtschaft Entlastungen und Investitionsversprechen noch nicht spüren können.
Stattdessen geht Klingbeil geschwächt aus den vergangenen zwei Wochen - nach harten Haushaltsverhandlungen, einem Streit in der Koalition um Strompreissenkungen. Die Frage steht im Raum: Können Klingbeil und die SPD sich in dieser Koalition noch profilieren, oder geht es nun nur noch weiter bergab?
Wofür steht die SPD noch?
Wer die SPD auf ihrem Parteitag vergangene Woche erlebt hat, konnte sich schon die Frage stellen, wofür die Partei eigentlich gerade steht. Das, was sie an den Wänden plakatiert hatte, "soziale Politik für Dich" und "Veränderung", konnte man auf dem Parteitag nicht spüren. Klar ist nämlich, dass die Partei ihre Wahlversprechen in der schwarz-roten Koalition gerade nicht umsetzen kann.
Eine Reform der Einkommenssteuer wird es so mit der Union als Koalitionspartner nicht geben - das musste Parteichef Klingbeil auf dem Parteitag zugeben. Die Vermögenssteuer bleibt - wie so oft - ein Traum des linken Flügels der SPD.
Stattdessen setzt die SPD eine harte Koalitionsentscheidung nach der anderen um - und der linke Flügel der SPD wird immer unruhiger. So war es auch kein Unfall, dass Klingbeil von den SPD-Delegierten mit einem historisch schlechten Ergebnis von rund 65 Prozent als Parteivorsitzender abgestraft wurde. Seiner Rede fehlte die Energie, die konkrete Idee, wie es in Zukunft anders laufen könnte für seine Partei. Die großen sozialdemokratischen Themen wie eine Reform der Rente oder des Bürgergeldes sind noch nicht so spruchreif, dass die neue SPD-Parteivorsitzende Bärbel Bas nun schon konkret damit in der Bevölkerung punkten kann.
SPD meist Verlierer in schwarz-roten Koalitionen
Die Kluft sei größer geworden - zwischen der Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus in Berlin, und der Parteibasis und der Bevölkerung, hieß es immer wieder auf dem Parteitag. Von "Pseudodebatten" und einer "Pseudoaufarbeitung" des schlechten Wahlergebnisses sprach so mancher Sozialdemokrat auf dem Parteitag. Wie solle man denn zu Hause noch erklären, wofür die SPD gerade genau steht? Wie könne man denn das Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen, wenn man sozialdemokratische Themen nicht wirklich umsetzen kann?
Eine wirkliche Antwort auf dem Parteitag gab es dafür nicht. Stattdessen wurde immer wieder betont, dass die SPD jetzt als Teil der Regierung die Chance habe, das Land mitzugestalten. Doch die Befürchtung vor allem bei den älteren Genossen bleibt, dass die SPD bei einer schwarz-roten Koalition meistens als Verlierer rausgeht. Das ist eine Erfahrung, die die SPD mit den Regierungsjahren unter Ex-Kanzlerin Angela Merkel verbindet. Tatsächlich stand die SPD zuletzt 2019 in Umfragen bei zwölf Prozent, ihr historisch schlechtestes Ergebnis in Zeiten einer großen Koalition.
Druck von links und rechts
Gerade beim Thema soziale Gerechtigkeit, dem Urthema der SPD, kann die Partei gerade nicht punkten und steckt in einer Sinnkrise. Die Linkspartei zieht bei diesen Themen an den Sozialdemokraten vorbei, spricht als Oppositionspartei in einer Leichtigkeit davon, wie die Regierung bei den Entlastungsplänen nur "Geld den Konzernen in den Rachen" wirft - und zeigt damit auf die SPD und Klingbeil als Finanzminister. Das tut der SPD besonders weh.
Auch beim Thema bezahlbarer Wohnraum muss die SPD gerade nachholen. Zu sehr wird ihr noch übel genommen, dass Ex-Kanzler Olaf Scholz "400.000 neue Wohnungen pro Jahr" ins Schaufenster gestellt hat - und das Versprechen nie eingehalten werden konnte.
Einig im Kampf gegen die AfD
Auch von rechts bekommt die SPD viel Druck und weiß, dass sie einige Wählerinnen und Wähler an die AfD bei den vergangenen Wahlen verloren hat. Das Einzige, was die Sozialdemokraten gerade eint, ist ihr Kampf gegen die AfD. "Solange die SPD existiert, werden wir den Kampf gegen diese Menschenfeinde machen - und wir werden ihn gewinnen", sagte die ehemalige SPD-Chefin Saskia Esken noch in ihrer Abschiedsrede auf dem Parteitag. Von einer historischen Aufgabe, diese "Leute" aus dem Parlament zu bekommen, sprach Parteichef Klingbeil. Sie gehörten da nicht hin.
Die Umfragewerte der AfD bleiben stabil, während die SPD verliert. Es könnte also eine Frage der Zeit sein, bis die SPD in der schwarz-roten Koalition doch lauter wird, um ihr Profil zu schärfen.
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