Deutschland stationiert Soldaten dauerhaft in Litauen. Für die Bundeswehr ist das Vorhaben Neuland. Erste Familien leben bereits an der NATO-Ostflanke, anderen steht der Umzug noch bevor.

Als der weiße Mittelklassewagen von Danny um die Ecke biegt, wirbelt er Staub auf. Die Straße zu seinem Haus ist nicht geteert. Danny sitzt in Uniform am Steuer. Gerade noch in der Kaserne, ist er jetzt auf dem Heimweg.

Seit einigen Monaten lebt der Soldat mit seiner Frau und den beiden Kindern in Litauen. Hier baut er die dauerhafte deutsche Militärpräsenz mit auf und ist damit einer der ersten deutschen Soldaten, die fest in Litauen stationiert sind. Sein Nachnamen wird auf Bitten der Bundeswehr verschwiegen.

Danny erzählt, er sei in zwei Auslandseinsätzen gewesen. Während des ersten habe er die Geburt seiner zweiten Tochter verpasst: "Und dann dachte ich mir, wieder einen längeren Zeitraum von meiner Familie getrennt zu sein, das ist schlecht." Als aber eines Tages die Meldung kam, es würden Freiwillige gesucht für die neue Brigade in Litauen, habe ihn das gereizt: Er könne etwas Neues mit aufbauen, seine Erfahrungen einbringen.

Hund, Katze, Einfamilienhaus

Anders als in seinen vorherigen Einsätzen konnte die Familie dieses Mal mitkommen. Mit Hund und Katze lebt sie nun in einem Einfamilienhaus: moderner Klinkerbau, großes Wohnzimmer, die Kinderzimmer im Obergeschoss, Garten, Garage.

Dannys Frau Jaqueline sagt, sie fühle sich angekommen. Auch die Kinder fühlten sich wohl. Die Befürchtungen, sie würden keine Freunde finden, hätten sich nicht bewahrheitet. Der Abschied von zu Hause sei nicht leicht gewesen, erzählt Jaqueline. Sie ist Erzieherin, arbeitet im Moment aber nicht. Sie kümmert sich ganz um die Kinder. Die besuchen einen Kindergarten und die Grundschule vor Ort.

Die Kinder ins Interview einbeziehen wollen Danny und Jaqueline nicht: Keine Aufnahmen, das machen die beiden zur Bedingung. Die Sicherheitslage hier an der östlichen Grenze des NATO-Bündnisgebiets ist zu ernst. Nachrichtendienste könnten Details aus dem Familienleben deutscher Soldaten für Erpressungsversuche nutzen, fürchtet das Paar. Ohnehin habe sie die Sorge vor einer Eskalation immer im Hinterkopf, sagt Jaqueline - "gerade als Mutter". Zumindest sie und die Kinder könnten aber jederzeit zurück in die Heimat, das gebe ihr Sicherheit. Bei der Entscheidung, zu gehen, sei das ein wichtiger Faktor gewesen.

Bundeswehr setzt auf Freiwillige

Derzeit sind rund 400 Soldatinnen und Soldaten vor Ort, die die Brigade aufbauen. Etwa 40 davon haben laut Angaben eines Bundeswehrsprechers ihre Familien mitgebracht.

In den nächsten Jahren dürften es mehr werden. Geplant sind auch ein deutscher Kindergarten sowie Schulen. Die Brigade soll bis Ende 2027 einsatzbereit sein und dann rund 4.800 Soldatinnen und Soldaten umfassen. Die Bundeswehr setzt dabei bislang auf Freiwillige.

Der Hauptstationierungsort der Brigade soll ein Kasernengelände in unmittelbarer Nähe des Dorfes Rudninkai werden. Dort wird gebaut. Eine dauerhafte Auslandsstationierung in dieser Form ist für die Bundeswehr Neuland.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte sie im Juni 2023 angekündigt und damit die aller meisten Soldaten und Beobachter überrascht. Seit 2017 gibt es zwar eine NATO unter deutscher Führung in Litauen, für diese rotierten die Truppenkontingente aber etwa alle sechs Monate.

Ein Verband wird komplett verlegt

Einer, dem der Umzug noch bevorsteht, ist Alex. Auch in seinem Fall bittet die Bundeswehr, den Nachnamen nicht zu nennen. Der Hauptfeldwebel dient im Panzergrenadierbataillon 122 in Oberviechtach in Bayern. Der Verband soll komplett nach Litauen verlegt werden. Ab dem kommenden Jahr stehen zunächst Manöver und Ausbildungsvorhaben in Litauen an.  

Für Alex ist der Aufbau der Litauen-Brigade der richtige Schritt. "Letztendlich ist es ja auch eine Abschreckungsmaßnahme", sagt er. "Wir wollen ja nicht, dass der Krieg stattfindet. Sondern wir wollen ja damit zeigen: Passt auf - da steht jemand und das wird nicht einfach."

"Dann sehe ich da gar kein Problem"

Der Vater zweier Söhne aber wird einen anderen Weg gehen als sein Kamerad Danny: Alex' Familie bleibt zu Hause, fürs Erste zumindest. Der jüngere Sohn hat gerade eine Berufsausbildung begonnen und braucht zumindest noch einen Elternteil vor Ort.

"Die Schwierigkeiten, die dann auftreten, die sind ja dann erst präsent, wenn sie denn tatsächlich da sind", sagt Alex. Dass es Schwierigkeiten geben wird, damit rechnet er fest. Er verweist aber darauf, welche Situationen er schon mit seiner Familie durchlebt habe: "Es ist immer eine Sache, wie man da rangeht. Wenn man der Sache positiv gegenübersteht und nach Lösungen sucht, dann sehe ich da gar kein Problem."

Noch sei das alles aber Zukunftsmusik, sagt Alex. Denn wann die Oberviechtacher Panzergrenadiere genau nach Litauen verlegt werden, ist noch unklar. 

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der aktuellen Kontrovers Story "Bundeswehr in Litauen: Ein Bataillon zieht um". Diese finden Sie in der ARD-Mediathek oder auf YouTube.

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