In Budapest geht das Strafverfahren gegen Maja T. weiter. Währenddessen droht noch einer Person in Deutschland die Auslieferung nach Ungarn - dem syrischen Staatsbürger Zaid A. aus Nürnberg.
"Zehn Kilo", so viel habe Maja bereits abgenommen, sagt Maja T.s Vater Wolfram Jarosch. Seit knapp drei Wochen befindet sich die non-binäre Person aus Jena in einem Hungerstreik, um gegen die erlebte Isolationshaft zu protestieren. "Hier geht es nicht um Gerechtigkeit oder eine menschenwürdige Unterbringung, sondern um ein politisches Exempel", erklärt Jarosch gegenüber MDR Investigativ.
Besonders verstörend sei, dass Majas Gesundheitszustand von Ärzten beurteilt werde, die kein Deutsch und kaum Englisch sprächen, fügt er hinzu. Noch sei Majas Zustand stabil, aber er fürchtet jederzeit eine Verschlimmerung. Deswegen fordert Jarosch, dass das Außenministerium jetzt dringend handeln und sein Kind zurückholen muss.
Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt?
Seit Februar 2025 muss sich Maja T. vor dem Budapester Stadtgericht für Angriffe auf Teilnehmer des rechtsextremen "Tag der Ehre" verantworten. Zwei Angriffe werden Maja T. zur Last gelegt, bei denen die Angegriffenen durch Schlagstöcke und andere Waffen zum Teil schwer verletzt worden sein sollen. Maja T. hat sich zu den Taten bisher nicht geäußert.
Die Frage nach Schuld und Unschuld scheint in großen Teilen der Öffentlichkeit längst zweitrangig geworden zu sein. Denn Grundzüge eines fairen Verfahrens, wie man sie aus deutschen Gerichtssälen kennt, scheinen in Ungarn offenbar keine Rolle zu spielen. Das beklagt zumindest Maja T.s deutscher Anwalt Sven Richwin, der mehrere Prozesstage in Budapest verfolgt hat.
"Als deutscher Strafverteidiger ist es sehr irritierend zu sehen, dass so etwas wie ein Unmittelbarkeitsgrundsatz gar keine Rolle in dem Verfahren spielt", berichtet der Berliner Anwalt von seinen Erfahrungen. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz ist eine wichtige Regel im deutschen Strafprozess. Das Urteil darf sich nur auf das beziehen, was in der Hauptverhandlung passiert ist. Also Zeugen und Sachverständige müssen in der Regel persönlich gehört werden.
In Ungarn hingegen zähle nicht was in dem Gerichtssaal geredet werde oder welche Beweismittel gewürdigt werden, sagt Richwin. Denn eigentlich stünde das schon fest und es würde nur aus der Akte zitiert werden. "Die ganze Verhandlungsführung des Richters hätte in Deutschland mehrfach zu Befangenheitsanträgen geführt, die auch berechtigt gewesen wären, weil er relativ wenig ein Geheimnis daraus macht, dass er Maja als schuldig ansieht."
Der Richter ist während des Verfahrens mittlerweile mehrfach auf diese "Kritik aus dem Ausland" eingegangen und hat sie als "unberechtigt" bezeichnet.
Weitere Auslieferung nach Ungarn möglich
Trotz der Kritik an der Auslieferung von Maja T. und den deutlichen Worten des Bundesverfassungsgerichts dazu, kann es nun sein, dass Deutschland noch einen Beschuldigten aus dem sogenannten Budapest-Komplex an Ungarn ausliefert: Auch Zaid A. soll an den Angriffen auf Rechtsextreme in Budapest beteiligt gewesen sein.
Nachdem er zunächst untergetaucht war, stellte er sich Anfang des Jahres den Ermittlungsbehörden in Köln und kam dann in Haft. Mittlerweile ist der Haftbefehl durch das Kammergericht Berlin außer Vollzug gesetzt worden. Sein Auslieferungsverfahren geht aber weiter.
Derzeit klärt der Bundesgerichtshof, ob das Kammergericht, das auch über die Auslieferung von Maja T. entschieden hatte, hier überhaupt zuständig ist. In der Haftbefehlsprüfung von Zaid A. hat das Berliner Gericht allerdings schon gesagt, dass eine Auslieferung nach Ungarn nicht "von vornherein unzulässig" ist. Auslieferungshindernisse seien derzeit nicht ersichtlich.
Werden menschenrechtliche Standards gewahrt?
Ein Auslieferungshindernis kann zum Beispiel sein, dass der Beschuldigte im Ausland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Haft erfahren könnte. Oder, dass er dort kein rechtsstaatliches Verfahren bekommt.
Denn Deutschland darf sich nicht an einer Auslieferung beteiligen, wenn das Risiko für Menschenrechtsverletzungen besteht. Allerdings sind die Hürden für solche Auslieferungshindernisse hoch, denn zumindest im europäischen Ausland ist die Auslieferung der Regelfall.
Gerichte in Paris und Mailand stoppten Auslieferungen
Endgültig hat das Kammergericht im Fall Zaid A. noch nicht entschieden, die eigentliche Auslieferungsentscheidung steht noch an. Dennoch scheinen die Aussagen im Haftprüfungsverfahren bemerkenswert. Denn zum einen hatte das Bundesverfassungsgericht im Fall von Maja T. die Auslieferung für rechtswidrig erklärt und ausgeführt, dass man sich nicht auf allgemein gehaltene Zusicherungen Ungarns verlassen kann. Zum anderen wurden auch in Italien und Frankreich Auslieferungen nach Ungarn durch Gerichte gestoppt.
Zum Beispiel im Fall des Aktivisten "Gino": Auch er soll sich an Angriffen auf Rechtsextremisten in Budapest beteiligt haben. Das Pariser Berufungsgericht ist davon überzeugt, dass "Gino" kein rechtsstaatliches Verfahren in Ungarn bekommen würde, berichtet sein Anwalt Laurent Pasquet-Mariacce: "Zunächst wegen zahlreicher öffentlicher Angriffe der ungarischen Regierung, insbesondere auch des Pressesprechers der Regierung selbst gegen alle Beschuldigten im Budapest-Komplex. Sie werden als Terroristen und Mörder dargestellt und so wird die Unschuldsvermutung verletzt."
Wegen der Berichte über Maja T. geht das Pariser Gericht auch von unmenschlichen Bedingungen in der Haft aus.
Meloni setzte sich für Antifaschistin ein
Ähnlich hatte 2024 auch ein Gericht in Mailand entschieden: Auch die Richterinnen und Richter in Italien gehen von einem konkreten Risiko unmenschlicher und erniedrigender Bedingungen in Haft aus und verhinderte die Auslieferung eines weiteren Beschuldigten im Budapest-Komplex. Zuvor hatte sich Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni persönlich für die in Ungarn inhaftierte linke Aktivistin Ilaria Salis eingesetzt. In Italien gab es wegen der Behandlung von Salis einen öffentlichen Aufschrei.
Das Berliner Kammergericht möchte nun konkrete Zusicherungen abwarten, was die Unterbringung von Zaid A. in Ungarn angeht. Zusicherungen, die Ungarn im Fall von Maja T. laut ihrem Anwalt bereits gebrochen hat.
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