BYD macht es seinen Interessenten nicht leicht mit den Modellnamen. Gerade haben die Chinesen einen nagelneuen Dolphin vorgestellt, den Surf. Aber der bisherige Dolphin ist noch im Programm und sowieso ein ganz anderes Auto. ntv.de hat ihn gefahren.
Sie interessieren sich für einen BYD? Dann wird es entweder einfach oder richtig kompliziert. Einfach, weil BYD für erträgliche Kurse annehmbare Ware liefert - das passt irgendwie. Kompliziert, weil BYD als Autohersteller noch jung ist mit entsprechend steiler Lernkurve. Sprich: Kauft man ein frühes Modell, bekommt man dezenten China-Charme, während die frischen Modelle auch für Europäer deutlich attraktiver sind.
Und es bleibt kompliziert. Denn gerade hat BYD den Dolphin in Europa neu vorgestellt - einen stylisch gezeichneten Kleinstwagen mit der Zusatzbezeichnung "Surf". Allerdings ist das Fahrzeug global seit 2023 auf dem Markt. Der hier und heute besprochene Dolphin trägt diese Zusatzbezeichnung nicht und ist auch schon etwas, aber nicht viel länger erhältlich, nämlich seit 2021.
Doch zwei Jahre Entwicklung machen den Unterschied. Der Kleinwagen Dolphin wirkt deutlich konservativer im Design, weniger sexy als der Surf mit seinem fetzigen Design und peppigen Farben. Immerhin ist der größere Dolphin dafür ziemlich funktional, zumal er mit 1,57 Metern Höhe kein konventionelles Format besitzt. Und wie ein SUV wirkt er auch nicht. Aber ein Hingucker, den man den Händlern aus den Händen reißen würde? Eher nicht.
Aber jetzt wird eingestiegen. Und sofort fällt auf, dass sich die Architekten um einen coolen Look bemüht haben, ohne den für europäische Ansprüche erforderlichen Feinschliff zu erreichen. Ja, die wie ein massiver gefräster Metallblock anmutende Walze in der Mittelkonsole mit den Tasten für alltägliche Funktionen nebst Getriebewahlschalter ist schon mal eine witzige Idee und sieht auf der Website auch gut aus. In der Realität könnten die Verantwortlichen eine Schippe bei der qualitativen Umsetzung drauflegen.
Der Dolphin ist solide, aber für das Gebotene zu teuer
Gleiches gilt für die Sitze. Unter der Berücksichtigung, in einem Kleinwagen zu weilen, muss man das Gesamtpackage jedoch schon als ordentlich bezeichnen. Aber! Wer ein bisschen auf der BYD-Website herumsurft und dann mal den Konfigurator anschmeißt, könnte seinen Schockmoment erleben. Denn der Dolphin startet bei 32.990 Euro. Wie bitte?
Gut, jetzt muss differenziert werden. Richtig, das Preislevel ist knackig - ein Volkswagen ID.3 beispielsweise steht mit 33.330 Euro im Konfigurator. Allerdings leistet der nicht 204 PS - kleiner hat BYD es beim Dolphin nicht, jedenfalls gilt das für Deutschland. Wobei die Informationsqualität der Website ungefähr dem Auto selbst entspricht: Es ist ganz okay mit Luft nach oben. Während im Konfigurator nämlich bloß die starke Version erscheint, existieren laut aktueller PDF-Broschüre durchaus Sparvarianten mit weniger Motorpower und beschaulichen 45 kWh Akkukapazität. Vielleicht lohnt sich das einfach nicht, denn der Bundesbürger hat ja sowieso schon Reichweitenangst. Also gibt es 60 kWh zum Kauf, und mit dieser Batterie ist auch der Testwagen ausgestattet.
Und damit kommt der Dolphin für einen Kleinwagen sogar recht weit. Allerdings leidet der Fronttriebler unter einem Phänomen, das gar nicht mal BYD-spezifisch, aber dennoch ärgerlich ist - die Reichweite wird bei witterungsbedingter Kälte zu progressiv angegeben. Mit 90 Prozent Ladung werden deutlich mehr als 300 Kilometer Reichweite versprochen - tatsächlich aber saugt das Auto schon nach 250 Kilometern wieder durstig am Charger. Immerhin schönt BYD im Prospekt nicht übermäßig die Ladezeiten: So sollen 40 Minuten vergehen, um von 10 auf 80 Prozent zu laden. ntv.de hat es in dieser Zeit von 13 auf 76 Prozent geschafft, das ist okay. Zumal ein Ladevorgang nie reproduzierbar ist, es kann in der Realität also auch mal schneller oder langsamer gehen. Aber der Dolphin ist jetzt kein Lademonster.
Mit 204 PS ist der BYD ausgezeichnet motorisiert
Aber ein Beschleunigungsmonster wenigstens? Könnte man so sagen, denn zumindest haben die vorderen Pneus hie und da Probleme, prompt einsetzende 310 Newtonmeter zu verarbeiten in Form von Traktionsmangel. Das geht in Ordnung, wobei dem Fahrwerk insgesamt der Feinschliff fehlt. Federung, Geradeauslauf oder Lenkung - hier sollten die Ingenieure noch mal ran. Jetzt muss so ein Kleinwagen auch kein Präzisionswerkzeug sein, und dass er bei windigem Wetter ein bisschen nervös reagiert, mag auch der Höhe geschuldet sein, dank der man wiederum etwas mehr Kopffreiheit im Fond genießen kann. Das ist alles in okay. Und für den Zwischenspurt sind die 204 Pferdchen dann doch gut zu gebrauchen. Man bekommt den 1,7-Tonnen innerhalb von sieben Sekunden auf 100 km/h beschleunigt, das macht mitunter auch Spaß. Und dass bei 160 Sachen Schluss ist, passt zum Segment.
Am Ende ist der BYD Dolphin schon ein annehmbares Stückchen Elektroauto mit reichlich Platz im Innenraum (2,70 Meter Radstand). Ob 345 Liter Kofferraumvolumen zufrieden stellen bei einem Auto, das mit 4,29 Metern schon an der Segmentspitze rangiert, darüber kann diskutiert werden. Definitiv gut funktionieren die Komfort-Assistenten wie der adaptive Tempomat. Der lässt sich bei zähfließendem Verkehr ohne Probleme einsetzen, bremst den Dolphin bis zum Stillstand ab und fährt ihn auch wieder an (sorgt zusammen mit den bequemen Sitzen durchaus für Langstreckenfähigkeit). Dass die Abstimmung einen Zacken feinfühliger sein könnte, geschenkt.
Spannend zu wissen wäre, ob für einen Dolphin in der Realität über 30.000 Euro gezahlt werden, allerdings schwer vorzustellen. Das Auto ist annehmbar, aber hat Schwächen - vor allem im Vergleich zu ausgereiften europäischen Wettbewerbern. Und das müsste sich monetär auszahlen.
Beim deutlich cooler daherkommendem Dolphin Surf spielt BYD hingegen die Preis-Karte und bietet den Winzling für 20.000 Euro an. Jede Wette, dass er über Zeit Sichtbarkeit auf der Straße bekommen wird. Der Dolphin dürfte höchstens ein paar wenige Tausender mehr kosten als der Surf, denn Motorleistung macht noch keine Attraktivität, wenn das Fahrwerk nicht zu 100 Prozent passt. Doch die Lernkurve von BYD scheint steil, man darf also gespannt sein, was sich der Konzern einfallen lassen wird, um auch den Dolphin so attraktiv zu machen, wie es der Surf womöglich jetzt schon ist.
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