Nach dem Mord an einem Tunesier ermittelt die französische Antiterror-Staatsanwaltschaft. Der mutmaßliche Täter kommt offenbar aus dem rechtsextremen Milieu. Was sagt der Fall über die Gewaltbereitschaft der Ultrarechten aus?
Hishem Miraoui hatte sich schon länger bedroht gefühlt. Sein Nachbar, der mutmaßliche Täter, traktierte ihn immer wieder mit rassistischen Beleidigungen. Das berichtet Hishems Cousine anonym im Fernsehsender TF1: "Der Nachbar beleidigte ihn öfter, einfach so im Treppenhaus. Auf den Scooter von Hishem hatte er 'dreckiger Araber' gesprüht. Sobald es im Hausflur nach Essen roch, beschimpfte er Hishem. 'Dreckiger Araber, geh nach Hause.'"
Am vergangenen Samstag soll der Sportschütze Christophe B. seinen tunesischen Nachbarn Hishem mit fünf Kugeln getötet haben. Die Polizei konnte den 53-jährigen Angreifer wenige Stunden später festnehmen.
Schon kurz danach übernahm die Antiterror-Staatsanwaltschaft den Fall. Murad Batik, der Anwalt des Opfers, begrüßt diesen außergewöhnlichen Schritt: "Denn hier handelt es sich um eine Person, die vorsätzlich gehandelt hat und zwar aufgrund ihrer rechten Ideologie."
Festgenommener zeigte online Gesinnung
Davon zeugen die zahlreichen rassistischen Kommentare auf der Facebook-Seite des festgenommenen Christophe B. Der mutmaßliche Täter zitiert dort die Werke rechtsnationaler Politiker und Politikerinnen unter anderem vom Rassemblement National.
Außerdem, und das ist für die Antiterror-Ermittler das Entscheidende, ruft er zur Revolte auf. Er appelliert an die Franzosen, sich an "Ausländern und vor allem an Maghrebinern" zu vergreifen und schwört auf die französische Flagge.
"Das ist völlig widersinnig", sagt Anwalt Murad Batik. "Die französische Flagge steht seit 200 Jahren für Einheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Und hier macht man aus der Flagge das Sinnbild für eine hasserfüllte Ideologie. Das ist traurig und skandalös."
Vorwurf - Politiker schüren Ressentiments
Dass es so weit kommen konnte, habe auch damit zu tun, dass Politiker und Politikerinnen des rechten Spektrums Ressentiments gegen Zugewanderte schürten und quasi für legitim erklärten, kritisieren Vertreter der Linken. Diese Kritik richtet sich auch und gerade gegen Innenminister Bruno Retailleau von den konservativen Republikanern, der als Hardliner beim Thema Immigration gilt.
Im Zusammenhang mit einem anderen rassistisch motivierten Mord vor wenigen Wochen in einer Moschee hatte Retailleau nur sehr zurückhaltend reagiert. Nun erklärte er auf die Tat von Christophe B. angesprochen: "Der Rassismus ist ein Gift". Ein Gift, das töte. "Jeder rassistische Akt ist ein antifranzösischer Akt. Denn die Republik macht keinen Unterschied zwischen Herkunft, Hautfarbe oder Religion."
Der Anwalt der Familie des am Samstag ermordeten Hishem begrüßt zwar grundsätzlich die Worte des Innenministers, stellte aber auch klar: "Ich habe das Gefühl, dass da politische Pyromanen am Werk sind, die dann das Feuer löschen, das sie selbst angezündet haben. Machen wir uns nichts vor angesichts der Stimmung in Frankreich. Dieser Mörder von Hishem ist die Frucht einer sich immer stärker verhärtenden Atmosphäre im Land."
Gruppe der Ultrarechten wird aktiver
Ultrarechte Gruppen haben in den letzten Monaten immer wieder auf den Straßen Flagge gezeigt. Vor wenigen Tagen überfiel ein zehnköpfiges Kommando ein bei der kommunistischen Jugend beliebtes Café im südfranzösischen Alès. Im April marschierten 1.000 Ultrarechte in Paris auf. Im Winter 2023 folgten Dutzende gewaltbereite Ultrarechte dem Aufruf, den Mord an einem weißen Jugendlichen in Crépol bei Valence zu rächen.
Unter "ultrarechts" versteht man in Frankreich Vereinigungen, die gewaltbereit sind, nicht wählen gehen und das Ziel verfolgen, Angst zu verbreiten. 3.000 gibt es insgesamt. 1.300 von ihnen haben einen entsprechenden Eintrag bei den Sicherheitsbehörden.
Zahlenmäßig bleibt diese Gruppe relativ stabil, stellen die Behörden fest, doch sie seien zunehmend aktiv, erklärt Rechtsextremismus-Forscher Stéphane François von der Universität Lille: "Sie vertreten die Theorie, dass man den Niedergang, die Verhärtung der Gesellschaft beschleunigen muss bis ein ethnisches Bürgerkriegsklima zwischen der weißen Bevölkerung und den Zugewanderten ausbricht."
Hishems Anwalt warnt: Das herrschende Klima in Frankreich sei äußerst gefährlich.
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