«Russlands Pearl Harbor» sei das, schrieb der russische Kriegsblogger Roman Aljochin am Sonntag, als die Bilder von brennenden Bombern auf sibirischen Flugplätzen um die Welt gingen. Wie Japans Überfall auf die US-Basis 1941 sei das eine Katastrophe für eine vermeintliche Grossmacht, schien Aljochin zu sagen.

So überraschend der ukrainische Coup kam: Russlands Angriffskrieg ist von Beginn an von Rückschlägen gekennzeichnet. Im Februar 2022 erwartete der Kreml einen Sieg innert Tagen. Inzwischen läuft die von Putin ausgerufene «Spezialoperation» seit bald dreieinhalb Jahren.

Russlands Kriegsflotte im Schwarzen Meer ist weitgehend ausgeschaltet; schon früh versenkte die Ukraine das russische Flaggschiff «Moskwa».

«Blamage» in Russland kein Thema

Einige Debakel konnte Russland wieder ausbügeln – etwa die ukrainische Besatzung im Gebiet Kursk. Andere wirken bis heute nach und machen die Absurdität einiger russischer Positionen deutlich. So zum Beispiel der russische Rückzug aus der ukrainischen Grossstadt Cherson. Trotzdem behauptet der Kreml, sie annektiert zu haben, und betrachtet sie als sein Staatsgebiet.

In westlichen und ukrainischen Medien ist nach solchen Entwicklungen oft von einer «Blamage für Putin» zu lesen. In der Tat kratzen ukrainische Erfolge am Bild, das Russland von sich selbst verbreitet. Sie zeugen von russischen Schwächen und zeigen auf, dass die Armeeführung oft inkompetent, die russische Technik veraltet und der Geheimdienst auch einmal unaufmerksam ist.

Aber wie schlimm ist eine Blamage, wenn kaum jemand darüber spricht? Denn der ukrainische Drohnenangriff ist in Russland kein Thema – und nicht nur, weil ihn die Staatsmedien herunterspielen. Regimegegner wie -befürworter haben sich vom Kriegsgeschehen längst abgeschottet.

Ob Rückschlag oder russischer Erfolg an der Front – die kriegsmüde Bevölkerung will damit nichts zu tun haben. Für Putin ist wenig peinlich, wenn die grosse Mehrheit seines Volkes gelernt hat, zu schweigen.

Niemand kritisiert den Kremlchef

Bleibt der kleine Kreis an Hardlinern im Netz, der sich über die Schmach vom Sonntag entsetzt zeigt. Noch in den ersten Jahren des Krieges waren diese dem Kreml ein Dorn im Auge, und er versuchte sie zu beschwichtigen. Nach dem Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, der in der Szene ein Star war, griff der Staat jedoch durch: Prigoschin ist tot, einige Blogger in Haft, andere wurden vom Propaganda-Apparat vereinnahmt.  

Heute richtet sich die Kritik im Netz nie gegen Putin selbst, sondern allenfalls gegen unfähige Generäle. So kann der Kremlchef selbst Rückschläge in einen PR-Sieg verwandeln: Hardliner Roman Aljochin schrieb weiter, Russland solle sich rächen, wie sich die USA für Pearl Harbor gerächt hätten. Putins grosses Ziel – die Unterwerfung der Ukraine – wird nie infrage gestellt, sondern eher noch stärker unterstützt.

Mit dem militärischen Schaden wird der Kreml klarkommen müssen. Die Ukraine wird hoffen, dass der Westen aus Russlands Schwächen Lehren zieht. Aber selbst ein blamierter Wladimir Putin sitzt weiterhin fest im Sattel.

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