- Die polnische Gesellschaft ist tief gespalten, die Politik des neugewählten Präsidenten Naworcki könnte die Spaltung weiter vertiefen.
- Mit Karol Nawrocki im Präsidentenpalast sind zentrale Vorhaben der Regierung von Donald Tusk kaum noch umsetzbar.
- Nawrockis Wahlsieg ebnet der PiS-Partei den Weg zurück an die Macht, während Parteichef Kaczyński Rache an Tusk nehmen will.
Es war ein böses Erwachen heute Morgen. Am Abend gaben die ersten Nachwahlbefragungen dem Kandidaten der Bürgerkoalition, Rafał Trzaskowski, einen minimalen Vorsprung. Am Morgen, nach der Auszählung aller Stimmen, war es genau umgekehrt: Karol Nawrocki wird mit 50,89 Prozent der Stimmen neuer polnischer Präsident. Für mein Land ist das eine schlechte Nachricht.
Die polnische Gesellschaft ist tief gespalten, und die Spaltung wird sich mit Nawrocki im Präsidentenpalast weiter vertiefen. Trotz aller schockierenden Meldungen über Nawrockis Vergangenheit – er soll in seinen jungen Jahren unter anderem als Zuhälter gearbeitet haben –, haben viele Bewohner der ländlichen Regionen und der Kleinstädte, insbesondere im Osten des Landes, für den PiS-Kandidaten gestimmt.
Vorwürfe gegen Karol Nawrocki (bitte aufklappen)
Karol Nawrocki, der neu gewählte Präsident Polens, sieht sich mit mehreren Vorwürfen konfrontiert, die seine Vergangenheit betreffen und während des Wahlkampfs für Kontroversen sorgten.
1. Vorwürfe der Vermittlung von Prostituierten: Laut einer Recherche des polnischen Nachrichtenportals Onet soll Nawrocki in seiner Zeit als Schichtleiter im Grand Hotel in Sopot ein Netzwerk zur Vermittlung von Prostituierten an Hotelgäste mit aufgebaut haben. Dabei soll er mit verurteilten Zuhältern zusammengearbeitet haben. Nawrocki bestreitet diese Anschuldigungen und kündigte rechtliche Schritte gegen das Nachrichtenportal an.
2. Wohnungsgeschäft mit einem älteren Mann: Es wurde berichtet, dass Nawrocki eine Wohnung von einem älteren Mann übernommen hat, dem er im Gegenzug lebenslange Pflege versprach. Allerdings soll der Mann später in einem staatlichen Pflegeheim untergebracht worden sein, ohne dass Nawrocki sich um ihn kümmerte. Nachdem die Vorwürfe öffentlich wurden, spendete Nawrocki die Wohnung an eine Wohltätigkeitsorganisation.
3. Beteiligung an Hooligan-Schlägereien: Im Jahr 2009 soll Nawrocki an einer Massenschlägerei zwischen rivalisierenden Fußballfans beteiligt gewesen sein. Er selbst bezeichnete diese Auseinandersetzungen als "edle Kämpfe".
4. Kontakte zur Unterwelt: Es gibt Berichte über Nawrockis frühere Kontakte zu kriminellen Kreisen, insbesondere während seiner Zeit als Amateurboxer und Türsteher. Diese Verbindungen werfen Fragen hinsichtlich seiner Eignung für das Präsidentenamt auf.
Trotz dieser Vorwürfe konnte Nawrocki die Präsidentschaftswahl knapp für sich entscheiden. Viele seiner Anhänger betrachten die Anschuldigungen als politisch motivierte Angriffe. Die Kontroversen um seine Vergangenheit könnten jedoch weiterhin Einfluss auf seine Präsidentschaft und die politische Landschaft Polens haben.
Für Großstädter, die mit überwältigender Mehrheit Trzaskowski gewählt haben, ist das nicht nur unerklärlich – es ist in ihren Augen auch unverzeihlich. "Polen B" hat "Polen A" um die Zukunft gebracht. Um das Polen, von dem sie träumen: modern nicht nur in technischer, sondern auch in weltanschaulicher Hinsicht, in der EU fest verankert, angesehen und immer bedeutender.

Hashtags wie #ZuhälterNawrocki konnten nichts an dem Votum vieler Kleinstadt- und Dorfbewohner ändern. Polen zerfällt somit, ähnlich wie die USA, endgültig in zwei Parallelgesellschaften, in denen Menschen nicht miteinander, sondern nebeneinander leben und völlig unfähig sind, die Weltanschauung und die politischen Entscheidungen der jeweils anderen Seite zu akzeptieren.
Es ist ein schlechtes Zeichen für die Zukunft des Landes – nicht nur für seine politische Entwicklung. Denn mit Nawrocki im Präsidentenpalast wird sich die Spaltung aller Voraussicht nach vertiefen. Die Bürgerkoalition mit Premier Donald Tusk an der Spitze wird die zentralen Punkte ihres politischen Programms nicht umsetzen können – und das bedeutet Frust nicht nur für Spitzenpolitiker, sondern für Millionen von Wählern, die hinter ihren Parteien stehen, fast die Hälfte der Bevölkerung im Land.

So wird die von vielen Polen erwartete Abrechnung mit der PiS-Partei und die Wiederherstellung demokratischer Institutionen, die unter der PiS-Regierung massiv beschädigt wurden, nahezu unmöglich. Dabei ist die Liste der Vorwürfe und Baustellen sehr lang: Machtmissbrauch, Veruntreuung öffentlicher Gelder, Politisierung der Justiz, Einschränkung der Medienfreiheit, Missbrauch von Spionagesoftware zur Bekämpfung der Opposition.

Nawrocki wird aller Voraussicht nach kein einziges Gesetz unterschreiben, dass eine Sanierung der Justiz mit dem kaum noch handlungsfähigen Verfassungsgericht an der Spitze zum Ziel hat. Sollten einzelne PiS-Politiker wegen ihrer Amtsdelikte verurteilt werden, wird er sie mit ziemlicher Sicherheit begnadigen. Auch weltanschauliche Forderungen wie die Liberalisierung des Abtreibungsrechts oder die Einführung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften sind mit ihm kaum zu machen.
Viele erwarten sogar, dass er versuchen wird, die jetzige Regierung mittels Obstruktion zu Fall zu bringen. Die polnische Verfassung gibt ihm zahlreiche Instrumente an die Hand, die er dabei einsetzen kann – von der Nichternennung von Botschaftern oder hochrangigen Offizieren bis hin zum Veto gegen das Haushaltsgesetz. So könnte Nawrocki zu einem willfährigen Vollstrecker der Politik Jarosław Kaczyńskis werden, der bei der Parlamentswahl 2027 nicht nur zurück an die Macht will, sondern auf Rache sinnt. Heute Morgen ist er diesem Ziel bedeutend nähergekommen.

MDR (baz)
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