• US-Präsident Donald Trump ist in seiner zweiten Amtszeit nicht chaotischer, sondern kontrollierter und verfolgt einen präzisen Plan.
  • Den Politologen Daniel Ziblatt irritiert nicht, was Trump umsetzt, sondern wie.
  • Trump regiert mit Deals und kurzfristigen Ergebnissen – und schafft damit Unsicherheiten in der weltweiten Politik.

Das fünfte Jahr des US-Präsidenten Donald Trump endet weniger dröhnend, wenig bombastisch. Es endet mit einer veränderten Choreografie. Und eben darum symbolisch. Die USA beginnen sich daran zu gewöhnen: Ihr Präsident regiert wie ein König und er ehrt besonders die Diktatoren dieser Welt mit maximalem Pomp. Als nun also der Kronprinz Saudi-Arabiens zu Besuch ist, fliegen Militärjets über die Hauptstadt. Es gibt schwarze Pferde, lange Tafeln, vergoldete Ornamente – Symbole, die nicht mehr irritieren, sondern Gewöhnung erzeugt haben.

Donald Trump regiert im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit weniger durch Provokation, sondern im Modus der Selbstverständlichkeit. Was früher als Grenzverletzung erschien, ist zum Stil geworden. Die Präsidentschaft ist eine Rolle, die Trump inzwischen verkörpert. Darin liegt der qualitative Sprung, der Unterschied zur ersten Amtszeit.

Baker: Trump regiert effizienter

Peter Baker spricht von einer "imperialen Präsidentschaft" und beschreibt den Wandel in der New York Times als Übergang von der impulsiven Grenzüberschreitung zur enthemmten Exekutive. Trump II ist nicht chaotischer als Trump I, sondern kontrollierter, sehr viel präziser geplant. Er ist nicht zahmer, sondern effektiver. In der ersten Amtszeit war Trump ein politischer Amateur, umgeben von Beratern, die ihn bremsten und abfederten. In der zweiten Amtszeit ist ein eingeübter Akteur am Werk, mit einem Plan, einer Gefolgschaft und einem Ziel: maximale Macht. Die Institutionen stehen ihm weniger im Weg als erwartet – nicht, weil sie formell abgeschafft wurden, sondern weil sie sich selbst relativieren, so seltsam brav sind, vorauseilend unterwürfig.

Die wesentliche Botschaft dieses Jahres liegt deshalb nicht in einzelnen Skandalen, sondern in der Verschiebung des Machtgefüges. Der Kongress akzeptiert Eingriffe in sein Budgetrecht, Gerichte lassen Verfahren versanden oder entscheiden minimalistisch. Der Supreme Court fungiert nicht mehr als Korrektiv, sondern er bestätigt Trump und weitet dessen Machtbereich aus.

Macht, einmal angeeignet, wird selten freiwillig zurückgegeben. Und Normen, die oft genug gebrochen werden, verlieren ihren Schutzcharakter. Genau das geschieht in den USA: Der Ausnahmezustand wird zur Betriebsform.

Trump nutzte Pause als Planungsphase

Dabei ist diese Macht nicht das Ergebnis spontaner Eskalation, sondern vorbereiteter Verdichtung. Die vier Jahre zwischen den beiden Amtszeiten waren ja keine Pause, sondern eine Planungsphase. "Project 2025" steht exemplarisch für diesen Ansatz: Project 2025 ist kein ideologisches Manifest, sondern ein Verwaltungs- und Umbauplan, der Masterplan der zweiten Trump-Ära.

Der Präsident regiert per Dekret, weil Dekrete sofort wirken. Gesetzgebungsverfahren gelten als lästig, langsam, riskant. Geschwindigkeit wird zur politischen Tugend, Reibung zum Feind. Dass Trump in seinem ersten Jahr fast dreimal so viele Executive Orders erlässt wie jeder andere Präsident seit Jahrzehnten, ist kein Zufall; es ist Methode, und genau so war es vorbereitet.

Und doch ist diese Macht prekär. Trump dominiert den politischen Raum wie kaum ein Vorgänger, bleibt zugleich dauerhaft unpopulär. Seine Zustimmungswerte sind miserabel, niedriger als in seiner ersten Amtszeit, niedriger als bei fast allen Präsidenten im selben Stadium. Das Regime ist stark, der Rückhalt schwach. Diese Asymmetrie erzeugt eine besondere Dynamik: Wer wenig Zustimmung hat, muss die eigene Macht sichern. Wer weiß, dass Mehrheiten wackeln, regiert im Vorgriff. Vielleicht erklärt dies das Tempo, die Härte, die geringe Bereitschaft zum Kompromiss.

Nicht das Was, sondern Wie überrascht

Anruf beim US-amerikanischen Politologen Daniel Ziblatt, der zusammen mit Steven Levitsky den Weltbestseller "How Democracies Die" (dt.: Wie Demokratien sterben) geschrieben hat. Ziblatt überrascht nicht das "Was" der Trump-Jahre, sondern das "Wie" – also nicht die Richtung der Politik, sondern das Tempo, die Reibungslosigkeit.

Gerichte, Medien, Universitäten, Tech-Konzerne – sie alle verfügen formal noch über Macht, nutzen sie aber zögerlich. Ziblatt spricht von einem Muskel, der noch da ist, aber nicht mehr eingesetzt wird. Das ist kein Zustand offener Repression, sondern einer freiwilligen Anpassung. Man beugt sich, um Schlimmeres zu vermeiden. Man hofft, durch Kooperation Einfluss zu behalten. Und darum verwechselt eine ganze Gesellschaft Klugheit mit Feigheit.

Besonders irritierend ist dieser vorauseilende Gehorsam in einem Land, das sich selbst gern als demokratische Ausnahme begreift. Anders als Deutschland, Südkorea oder Brasilien fehlt den USA eine Erinnerungskultur des Scheiterns. Die Erzählung lautet: Hier kann es nicht passieren. Genau diese Überzeugung macht blind für schleichende Erosion. Ziblatt formuliert es drastisch: Das hier sei nicht 1933, sondern 1938. Nicht der offene Umsturz, sondern die routinierte Anpassung sei das Problem. Heißt: Institutionen werden nicht gestürmt, sie werden übernommen. Nicht gegen Widerstand, sondern im Windschatten der Gewöhnung.

Trump setzt auf Drohungen und Stärke

Ziblatt sagt MDR AKTUELL: "Es ist bei uns ja immer noch anders als in Russland. Wenn du dort ein Oligarch bist, der aus der Gunst des Herrschers herausrutscht, kannst du morgen aus einem Fenster im vierten Stock fallen. Das passiert bei uns nicht. Warum also dieser vorauseilende Gehorsam? Ich glaube, die Bedrohung wird unterschätzt, weil wir, anders als Südkorea oder Brasilien oder Deutschland, keine Erinnerungskultur haben. Unsere kollektive Erzählung handelt von der Einzigartigkeit Amerikas – hier bei uns kann die Demokratie gar nicht entgleisen, das glauben wir."

Unsere kollektive Erzählung handelt von der Einzigartigkeit Amerikas – hier bei uns kann die Demokratie gar nicht entgleisen, glauben wir.

Politologe Daniel Ziblatt

Außenpolitisch setzt sich dieses Muster fort. Trump strebt keine Reform der liberalen Weltordnung an, sondern ihre Abschaffung. Multilaterale Institutionen gelten ihm nicht als Machtverstärker, sondern als Fessel. An ihre Stelle tritt eine Welt der Einflusszonen, der bilateralen Deals, der offenen Drohungen. Stärke ersetzt Regeln, Loyalität ersetzt Recht. Die Wiederbelebung der Monroe-Doktrin ist dabei mehr als historische Folklore. Sie markiert den Anspruch, den eigenen Einflussraum aggressiv zu sichern – politisch, wirtschaftlich, notfalls militärisch.

Lateinamerika wird wieder als Vorfeld betrachtet, Migration als Sicherheitsbedrohung, Ressourcen als strategische Beute. Sanktionen, Blockaden, verdeckte Operationen gehören zur Werkzeugkiste. Doch diese Logik bleibt nicht regional begrenzt. Trump denkt die Monroe-Doktrin global: Die USA beanspruchen das Recht, überall einzugreifen, zu bestrafen, zu diktieren – ohne multilaterale Legitimation. Strafzölle werden zum Dauerinstrument, Handelsregeln zur Verhandlungsmasse, Abhängigkeiten zur Waffe. Verbündete werden wie Gegner behandelt, Gegner wie Geschäftspartner.

Institutionen wie Uno verlieren an Bedeutung

Diese Außenpolitik ist erratisch, aber nicht ziellos. Sie folgt einer simplen Logik: Deals sind wichtiger als Werte, Autokraten verlässlicher als Demokratien, kurzfristige Gewinne wichtiger als stabile Ordnungen. Russland wird hofiert, während schwächere Staaten offen bedroht werden. Sicherheitspolitik wird personalisiert, performativ, unberechenbar. Das Ergebnis ist kein neues Gleichgewicht, sondern Unsicherheit. Niemand weiß mehr, welche Regeln morgen gelten – nicht einmal Washingtons Partner.

So entsteht ein globales Vakuum. Die alten Institutionen existieren noch, aber sie tragen nicht mehr. Die Uno tagt, die WTO urteilt, doch niemand fühlt sich gebunden. In diesem Zwischenraum wachsen Risiken: Eskalationen, regionale Kriege, wirtschaftliche Verwerfungen. Trump spricht vom Frieden, verhandelt aber wie jemand, der Eskalation als legitimes Mittel betrachtet. Ihn interessiert die Anerkennung, nicht die mühselige Stabilisierung.

Was sich im fünften Trump-Jahr verschoben hat, ist deshalb weniger die Richtung als der Aggregatzustand der Politik. Die Ausnahme ist zur Praxis geworden, der Tabubruch zur Routine. Die Demokratie funktioniert noch, aber sie verteidigt sich nicht mehr automatisch. Ob sie es wieder lernen wird, ist offen. Geschichte kennt Phasen der Machtverdichtung – und Phasen der Korrektur. Was heute normalisiert wird, wird sich in späteren Jahren nur sehr schwer korrigieren lassen.

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