Wenn in Belém am Amazonas-Becken die 30. Weltklimakonferenz (COP30) beginnt, richtet sich der Blick der Weltgemeinschaft auf eine Stadt, die sinnbildlich für das steht, worum es inhaltlich geht: Tropenwald, Klimafolgen, Gerechtigkeit. Doch viele Beobachter sehen der Konferenz mit gedämpfter Erwartung entgegen. In den vergangenen Jahren hat sich der Eindruck verfestigt, dass die großen Klimagipfel zwar viel verhandeln, aber zu wenig verändern.

Friedrich Bohn, Waldökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Teilnehmer der COP30, hält dagegen: "Ich bin ein großer Befürworter von den Konferenzen", sagt er. "Das Wichtige, was dort auch passiert und was man in der Regel nicht so mitbekommt, ist der konstruktive Austausch. Man kriegt normalerweise in den Medien nur die Hauptplenarsitzung mit und das finale Ergebnis. Aber die Klimakonferenz ist eigentlich viel mehr."

Für Bohn liegt der eigentliche Wert jedes Klimagipfels im informellen Teil, wo Forscher, Delegierte und NGOs gemeinsam nach Lösungen suchen, die manchmal dann erst Jahre später zu Ergebnissen führen. "Diese ganze Arbeit ist natürlich aus Nachrichtenperspektive nicht so spannend", sagt er, "ist aber superwichtig, damit wir diese Transformation wirklich gut und gerecht hinbekommen."

EU bremst beim Klimaziel – ein Signal der Schwäche?

Kurz vor Beginn der Konferenz hat die Europäische Union ihre überarbeitete Klimaverpflichtung ("Nationally Determined Contribution", NDC) beschlossen. Sie sieht vor, die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu senken, erlaubt aber, bis zu fünf Prozentpunkte dieser Reduktion über internationale CO₂-Zertifikate zu kompensieren. Kritiker sehen darin eine gefährliche Abschwächung.

"Für mich ist diese Entscheidung ein klarer Rückschritt in der Klimapolitik der Europäischen Union", sagt Niklas Höhne, Leiter des NewClimate Institute in Köln. "Hier werden Dinge zurückgefahren, die vorher schon beschlossen waren, und das belohnt eigentlich diejenigen, die sich ein bisschen zurückgelehnt haben und gehofft haben, das fossile Geschäftsmodell noch lange weitermachen zu können. Und es bestraft diejenigen, die sich darauf verlassen haben, dass es hier einen klaren Pfad gibt hin zur Klimaneutralität."

Auch Lambert Schneider vom Öko-Institut in Berlin, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik und in Belém Teil der EU-Delegation, warnt vor den Folgen der scheinbar kleinen Flexibilität zwischen 85 und 90 Prozent. "Fünf Prozent klingt irgendwie erst mal nicht nach so einer ganz großen Zahl, aber wir haben das nachgerechnet." Weil sich die Prozentangaben auf 1990 beziehen, heiße das "dass 2040 die EU tatsächlich ungefähr 50 Prozent mehr Treibhausgase ausstoßen kann, als sie das ohne diese Zertifikate machen würde", so Schneider.

Klimaschutz braucht einen langen Atem

Dr. Friedrich Bohn, Waldökologe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in LeipzigBildrechte: André Künzelmann / UFZ

Weltbewegende Beschlüsse wie in Paris 2015 sind in Belém nicht zu erwarten. "Diese großen Entscheidungen wird es jetzt erst mal nicht mehr so in dem Sinne geben, weil das Regelbuch geschrieben ist", sagt Friedrich Bohn vom UFZ. Jetzt gehe es erstens darum, wie sich die Welt an diese Regeln hält. Und zweitens dauere Klimaschutz meistens einige Zeit. "Ob Beschlüsse erfolgreich waren, ist immer relativ schwer zu sagen direkt nach einer Klimakonferenz", sagt Bohn, "weil viele Ansätze dort angelegt werden, die sich erst später auswirken.“

Ein prominentes Beispiel dafür sei Kopenhagen 2009 gewesen: "Damals hieß es, die Konferenz sei gescheitert", erinnert sich Bohn, weil ein Abkommen wie sechs Jahre später in Paris eben nicht zustande kam. "Gleichzeitig war es aber so, dass dort die Probleme der verschiedenen Länder besser verstanden wurden, sodass wir dann Paris überhaupt erst möglich machen konnten."

Zeitraubend und überhaupt erschwerend hinzukommt, dass natürlich nicht alle Länder inhaltlich auf einer Wellenlänge sind: "Sowohl CO₂- und Klimawandelproblematik als auch Biodiversitätsverlust bis hin zu Landnutzungs- und Wasserkreislauffragen sind aktuell nicht das zentrale Thema", schätzt Friedrich Bohn die politische Weltlage ein. "Jedes Land sortiert das gerade anders ein, bis hin zu dem schlimmen Fall, den wir gerade in den USA erleben. Also: Nein, die Welt zieht da nicht an einem Strang. Leider."

Zwischen Trump-Weg und China-Weg?

Auch beim Klimaschutz könnten Geopolitik und wirtschaftliche Allianzen immer wichtiger werden. Denn die Frage lautet: Wer gibt künftig das Tempo vor? Niklas Höhne vom NewClimate Institute sieht derzeit zwei entgegengesetzte Richtungen. "China hat sich als eines der wenigen großen Länder ein neues Ziel gesetzt", sagt er. Das nach Indien einwohnerreichste Land der Welt habe Klimaschutz und weniger CO₂-Emissionen in den Fünfjahresplan geschrieben. China sei damit so etwas wie der große Gegenpol zu den USA, die aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen sind.

An einem dieser beiden gegensätzlichen Pole werden sich viele Länder der Welt nun orientieren, glaubt Höhne: "Die Länder müssen sich entscheiden: Wollen sie sich eher in Richtung Trump orientieren, der rückwärtsgewandt ist, auf die Bremse tritt und an der Vergangenheit festhält? Oder wollen sie sich mehr in Richtung China orientieren, die aus meiner Sicht tatsächlich in Richtung Klimaschutz gehen?" Höhne sieht dabei sogar Potenzial für neue Allianzen, nämlich zwischen Ländern, die, wenn es um fossile Energien geht, abhängig von Importen sind. "Länder, die dadurch erpressbar sind und Preisfluktuationen spüren", präzisiert Höhne. Das betreffe China, die EU und viele Schwellen- und Entwicklungsländer. "Wenn man so neue Allianzen schmieden könnte, wäre das ein guter Weg."

Tropischer Regenwald und die Hoffnung auf den "Tropical Forest Forever Fund"

Dass die COP30 ausgerechnet in Belém stattfindet, ist kein Zufall. Der Ort soll den Blick auf die Bedeutung der Tropenwälder lenken. Hier setzt Waldforscher Friedrich Bohn auf ein zentrales Thema der COP30-Agenda: einen von Brasilien gestarteten Fonds zum Schutz der weltweiten Regenwälder: "Für mich eine der wichtigsten Sachen."

Brasiliens Präsident Lula da Silva hatte das Vorhaben bereits vor drei Jahren angekündigt, seither wurde es mit Regierungen, NGOs und Investoren weiterentwickelt. "Ich denke, dass der Ausrichtungsort positiv auf diese Fragestellung einwirkt", sagt Bohn. Es sei geplant, den Fonds mit 25 Milliarden US-Dollar aus Vertragsstaaten sowie 100 Milliarden von privaten Investoren zu bestücken. Ob das alles klappt, sei natürlich noch offen.

Aber der Anfang ist gemacht. Kurz vor Beginn des eigentlichen Gipfels hat Brasiliens Präsident Lula da Silva den Fonds unter dem offiziellen Namen "Tropical Forests Forever Facility" gestartet – gemeinsam mit mehr als 50 Staaten, die eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichneten, darunter auch Deutschland und die EU. Laut Regierung in Brasília wurden bereits Zusagen von über 5,5 Milliarden US-Dollar eingebracht, darunter je eine Milliarde von Brasilien und Indonesien sowie drei Milliarden von Norwegen. Der Fonds soll langfristig mindestens ein Fünftel der Mittel direkt an indigene und lokale Gemeinschaften weiterleiten.

Manche Experten mahnen allerdings zur Vorsicht vor zu großen Erwartungen. "Es gibt unter Ökonomen strittige Diskussionen, wie gut dieses Modell des Fonds aufgeht und wie groß die Auszahlungen am Ende sein werden an die Länder, die Regenwald haben, und wie stark die Anreize sind, die von diesem Fonds ausgehen", sagt Lambert Schneider vom Öko-Institut. Aus seiner Sicht werde allein Geld die Abholzung nicht stoppen.

"Wir sehen: Es bringt was."

Für Wald- und Klimaforscher Friedrich Bohn ist der TFFF dennoch ein möglicher Erfolg, den die Konferenz von Belém bringen könnte. Ein anderer wäre, "wenn wir bei den finalen Regeln, was den Kohlenstoffmarkt angeht, auch ein gutes Ergebnis erzielen", sagt der Forscher, "so dass wir einen funktionierenden Kohlenstoffmarkt haben, der tatsächlich dazu führt, dass die Emissionen langfristig auch sinken und nicht nur umverteilt werden. Da bin ich aber optimistisch, dass das klappen könnte."

Und überhaupt ist aus seiner Sicht jede solche Weltkonferenz wichtig, auch wenn die Fortschritte manchmal dauern. "Wir sind immer noch nicht auf einem Weg zum 1,5-Grad-Ziel", sagt der Forscher. "Aber, und das finde ich immer wichtig, auch mit zu kommunizieren: Es passiert trotzdem viel." Die ganze Arbeit zwischen und in den Staaten habe einen Effekt. Die Erde sei klimatechnisch schon nicht mehr auf dem schlimmstmöglichen Pfad. Zum Beispiel könne man das im August gescheiterte Plastikabkommen als Vergleich nehmen, sagt Bohn. Da gehe die Plastikproduktion wegen des Scheiterns jetzt einfach ungebremst weiter. "Das ist beim CO₂ inzwischen nicht mehr so, das heißt, wir sehen anhand dieses Vergleichs, es bringt was."

Das Einzige, was ihm große Sorgen mache, seien die berühmten "Tipping Points", also die Kipppunkte, deren Erreichen einen selbstverstärkenden Effekt auf den Klimawandel hätte. "Zu jenem Zeitpunkt, als wir die jetzigen Regularien entwickelt haben, dachten wir, dass die erst später bei höheren Temperaturen eintreten", sagt Friedrich Bohn. "Die neueste Forschung zeigt aber, dass die Tipping Points immer früher eintreten. Das heißt, die Dringlichkeit ist weiterhin sehr, sehr hoch, obwohl wir uns schon in die richtige Richtung entwickeln. Aber wir sind nicht schnell genug. Die Dringlichkeit steigt."

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