Inhalt des Artikels:

  • Negative Folgen für Radfahrer
  • Ein Gesetz mit zu vielen Grauzonen
  • Klare Regeln für E-Scooter definieren

Einer der jüngsten Beschlüsse des slowakischen Parlaments sorgte für Aufsehen: Zum Schutz von Fußgängern auf Gehwegen beschlossen die Abgeordneten ein Tempolimit von 6 km/h für E-Scooter und Radfahrer. Gelten soll es ab Anfang nächsten Jahres. In den sozialen Medien machte sich schnell Entrüstung breit, denn die Änderung wurde fälschlicherweise so verstanden, als gelte Geschwindigkeitsbegrenzung auch für Fußgänger. Im Text ist nämlich von einer "durchschnittlichen Gehgeschwindigkeit" die Rede. Die Slowakei galt auf einmal als erstes Land überhaupt, in dem Fußgänger künftig nicht schneller als 6 km/h unterwegs sein dürfen.

Initiiert wurde die Gesetzesänderung vom Abgeordneten Lubomír Vážny. Der frühere Verkehrsminister gehört der Regierungspartei Smer von Premier Robert Fico an. Auf die zunehmende Ironisierung seines Antrags in den sozialen Netzwerken, wo die Information trotz der schnellen Richtigstellung ein Eigenleben in der Gestalt von Memes und dergleichen entwickelte, reagierte Vážny sehr dünnhäutig. Etwa mit der Bemerkung, auch ein mittelmäßig trainierter Schimpanse würde verstehen, worum es bei seinem Anliegen gehe. Dabei wollte er seinen Worten zu Folge mit der Gesetzesänderung lediglich die verletzlichsten Teilnehmer des Straßenverkehrs schützen, nämlich die Fußgänger.

Negative Folgen für Radfahrer

Auch wenn schnelles Gehen nicht geahndet werden soll, ist dennoch eine negative Konsequenz absehbar: Kinder unter zehn Jahren wird nun faktisch verboten mit ihren Fahrrädern auf Gehwegen unterwegs zu sein, denn die Geschwindigkeiten, die sie selbst auf ihren kleinen Geräten erreichen, ist meist wesentlich höher als die erlaubten 6 km/h. Eltern, die ihre Kleinen weiter auf Fußwegen Radfahren lassen, würden sich also strafbar machen.

Viele Experten für Verkehrssicherheit bemängeln zudem, dass dem Gesetz anzumerken sei, dass es nicht von einem Ministerium, sondern von einem Abgeordneten eingebracht wurde. Ein Ministeriumsvorschlag wäre ihrer Meinung nach ausgereifter, klarer und würde nicht für diese Verunsicherung sorgen.

Kinder mit dem Fahrrad auf dem Fußweg? Das neue Gesetz in der Slowakei verbietet es gewissermaßen. Denn die Kleinen sind meist deutlich schneller als 6 km/h. (Symbolbild)Bildrechte: IMAGO/Westend61

Ein Gesetz mit zu vielen Grauzonen

Diese Ansicht vertritt auch Libor Budina. Er leitet eine Plattform für Verkehrssicherheit, die sich "Vize 0", also auf Deutsch "Vision Null" nennt. Deren Ziel ist es, durch verschiedene Maßnahmen und insbesondere durch Aufklärung zu erreichen, dass die Zahl der Verkehrsopfer im Land nach und nach auf Null sinkt. Zum slowakischen Gesetz sagte der tschechische Verkehrsexperte im Gespräch mit dem MDR: "Die Norm hat einige Grauzonen und wird wohl bald geändert, bzw. präzisiert werden müssen. 6 km/h mit dem Fahrrad – das ist schon an der Grenze des Umkippens. Die gefährdetsten Verkehrsteilnehmer könnten dann auf die Straßen verdrängt werden. Dazu gehören aber auch Benutzer von elektrisch angetriebenen Rollstühlen, denn auch deren Geschwindigkeit liegt irgendwo zwischen 6 und 10 km/h, so dass auch sie das Gesetz brechen würden, sollten sich auf Gehwegen unterwegs sein." Viel hinge seinen Worten zufolge auch davon ab, ob jemand mögliche Verstöße gegen das Gesetz tatsächlich ahnden würde. Und falls ja, ob er sich strikt an die Formulierungen halten oder aber gesunden Menschenverstand anwenden würde.

Klare Regeln für E-Scooter definieren

Umso wichtiger wäre es seiner Meinung nach, einheitliche Regeln für den Betrieb elektrischer Scooter und dergleichen zu definieren. Was für Zubehör sollten sie haben? Wer darf mit ihnen unterwegs sein, damit die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer, in diesem Fall der Fußgänger, gewährleistet werden kann? Das wären wohl die wichtigsten Fragen. Insofern ist laut Budina der slowakische Vorstoß ein erster wichtiger Schritt, dem aber nun weitere folgen müssten.

Nicht nur in der Slowakei sucht man nach sinnvollen Regeln für die Nutzung von E-Scootern in Städten. (Symbolbild)Bildrechte: Colourbox.de

In Tschechien sei es beispielsweise oft so, dass viele Kommunen ihre eigenen Verordnungen haben, in einigen, vor allem kleineren, aber das potenzielle Problem als solches noch gar nicht erfasst wurde. "E-Bikes und E-Scooter haben sicher die Mobilität der Menschen verändert und erhöht. Aus dieser Sicht entfalten sie eine positive Wirkung. Für viele Nutzer stellen sie eine Lösung für die letzten Kilometer und Meter bis zum Wohnort dar, und kompensieren somit vielleicht ein ungenügendes Angebot bei den öffentlichen Verkehrsmitteln," so Experte Budina.

Zu den negativen Effekten gehöre allerdings, dass viele Nutzer ohne Helm oder zu zweit auf einem solchen Scooter fahren würden. Oft diene dann so ein Verkehrsmittel nicht dazu, um von Punkt A zum Punkt B zu kommen, sondern zum Spaß, wo dann oft auch Alkohol im Spiel sei und sich das Risiko für Unfälle dadurch noch zusätzlich erhöhe. "Ich bin aber kein Anhänger der Idee, dass Fußgänger auf Gehwegen absoluten Vorrang haben sollten. Auch sie müssen Acht geben und sich verantwortungsvoll verhalten," so Verkehrsexperte Budina gegenüber dem MDR.

Fußgänger, Radfahrer, E-Scooter: Der Platz auf den Bürgersteigen wird knapp. Es braucht klare Regeln und Rücksicht – fodert der tschechische Verkehrsexperte Libor Budina. (Symbolbild)Bildrechte: IMAGO/Sabine Gudath

Er plädiere daher für einen Mix aus Aufklärung der breiten Öffentlichkeit und konsequenter Kontrolle, wie die Verkehrsregeln auf Gehwegen eingehalten werden. Mittlerweile wachse eine Generation heran, für die die Nutzung von Geräten wie E-Scootern oder E-Bikes völlig selbstverständlich sei. Weitaus weniger sei aber die Haltung vertreten, dass man auch auf andere Rücksicht nehmen müsse. Daher gibt es laut Libor Budina von der Plattform für Verkehrssicherheit Vize 0 noch viel zu tun, in den Schulen etwa oder in den Medien, um eine Bewusstseinsänderung herbeizuführen.

MDR (voq)

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