Prag, die goldene Stadt – für Touristen wirkt sie immer noch preiswert. Ein Bier für 2,50 Euro, das erscheint günstig. Doch für die Tschechinnen und Tschechen ist das Leben längst nicht mehr billig. Wohnungen in Prag kosten so viel wie in deutschen Metropolen, auch Diesel und Benzin sind ähnlich teuer. Und der Strompreis? Der wird – ausgerechnet – in Leipzig gemacht.
An der Energiebörse EEX wird bestimmt, was die Menschen in ganz Mitteleuropa zahlen – auch in Tschechien. Und die Tarife sind hoch: Ein durchschnittlicher Haushalt zahlt hier rund 0,32 bis 0,34 Euro pro Kilowattstunde, ähnlich viel wie in Deutschland. Gemessen an der Kaufkraft gehört Tschechien damit zu den teuersten Stromländern Europas.
Tschechien setzt weiter auf Atomenergie
Ein Paradox, denn im Unterschied zu Deutschland hat Prag nie "Nein" zur Atomenergie gesagt. Die Meiler in Temelín und Dukovany liefern rund ein Drittel des tschechischen Stroms, bis 2040 soll der Anteil auf fast 70 Prozent steigen. Eigentlich ein Standortvorteil – doch die Verbraucher zahlen im Schnitt trotzdem mit die höchsten Strompreise in Europa.
Für Andrej Babiš ist das ein Wahlgeschenk. Er wettert immer wieder gegen "die Leipziger Preise", will ČEZ vollständig verstaatlichen und das Land von der Leipziger Strombörse abkoppeln. Seine Botschaft: "Unsere Energie soll zuerst den Tschechen gehören, Überschüsse können wir exportieren." Eine einfache Formel, die großen Applaus bringt.
Experten betonen Bedeutung der Strombörse
Doch Experten warnen: So leicht ist das nicht. Ohne die Börse wäre Tschechien in Krisen isoliert, beim Import von Gas oder Öl sogar erpressbar. Analysen zeigen: Tschechien profitiert auch von der Börse. Heute als Stromexporteuer von den hohen Preisen, langfristig von der Sicherheit des Verbundes. Leipzig ist nicht nur Kostenfaktor, sondern auch Lebensversicherung.
So wird Leipzig zum Symbol in diesem Wahlkampf. Für viele Tschechen steht die Stadt nicht für Völkerschlachtdenkmal oder Buchmesse, sondern für hohe Strompreise. Ein Sinnbild dafür, dass Entscheidungen jenseits der Grenze tief ins eigene Leben eingreifen. Und ein Hebel für Populisten wie Babiš, die aus der Unzufriedenheit politisches Kapital schlagen.
Doch populistische Rechnungen gehen selten auf. Weder werden die Strompreise schnell sinken, noch verschwinden die sozialen Probleme. Am Ende zahlen nicht die Politiker, sondern die Menschen – mit ihrer Stromrechnung. Und Europa zahlt mit: Denn ein Tschechien, das sich abwendet, schwächt die Mitte der EU.
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