Lässt sich die Hamas auf die Bedingungen von Trumps Gaza-Plan ein? Und wie soll er im Detail eigentlich funktionieren? Für den Nahost-Experten Jan Busse ist der Plan an sich ein Fortschritt - er ist aber skeptisch, was die Umsetzung angeht.
tagesschau24: Dass US-Präsident Donald Trump seinen eigenen Plan für den Gazastreifen als Durchbruch feiert, ist wenig überraschend. Aber auch andere internationale Reaktionen sind durchaus positiv, von einer historischen Chance ist die Rede. Schätzen Sie das ähnlich ein?
Jan Busse: Diese Chance wäre sicherlich historisch. Ich bin aber skeptisch, was die Umsetzung angeht. Was den Plan selber betrifft sehen wir große Fortschritte, insbesondere im Vergleich zu dem sogenannten Riviera-Plan von Trump, der ja die völkerrechtswidrige Zwangsumsiedlung der Zivilbevölkerung des Gazastreifens vorgesehen hatte. Davon ist Trump jetzt eindeutig abgerückt.
Und wir sehen beispielsweise auch, dass sich der Plan ganz klar dagegen ausspricht, dass der Gazastreifen wieder durch Israel besetzt, geschweige denn annektiert werden sollte. Das heißt, da sehen wir Fortschritte. Aber wie so oft wird es dann darauf ankommen, ob es mit der Umsetzung klappt.

Druck von Präsident Trump
tagesschau24: Wir sprechen nicht von besonders innovativen Ideen: Die Hamas soll sich ergeben, die Geiseln freikommen, der Gazastreifen unter internationale Kontrolle kommen. Warum ist es bislang niemandem gelungen, an den Punkt zu kommen, dass wieder Hoffnung geschöpft wird?
Busse: Zum einen würde ich sagen: Es klingt in der Theorie einfach. Denn beide Seiten müssen sich ja an die jeweiligen Verpflichtungen halten. Und die Hamas muss überhaupt erst mal diesem Deal, der ja ohne sie verhandelt wurde, zustimmen.
Aber vor allem ist es so: Wir sind überhaupt erst dadurch an den Punkt gekommen, dass Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sich zu so einem Deal bereit erklärt, dass Trump Druck ausgeübt hat. Es ging allein schon damit los, dass Netanjahu gestern im Weißen Haus nahezu dazu genötigt wurde, sich in einem Telefonanruf bei Katar dafür zu entschuldigen, dass es kürzlich diesen Angriff auf die Hamas-Führung in Doha gegeben hat. Es war eine Voraussetzung dafür, dass es zu diesem Friedensplan kommen konnte.
Bis jetzt hatte Trump sich geweigert, solchen Druck auszuüben. Zuletzt hatten wir im Januar gesehen, dass er dafür gesorgt hat, dass zahlreiche palästinensische Gefangene und vor allem israelische Geiseln freigekommen sind. Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt: In dem Moment, wo ein US-Präsident bereit ist, Druck auf die Kontrahenten im Nahen Osten auszuüben, dann passiert auch was. Das sehen wir jetzt.
Und eine der ganz entscheidenden Fragen ist: Bleibt Trump am Ball? Wir erleben ihn ja als jemanden, der schnell die Lust oder Aufmerksamkeit an schwierigen Themen verliert. Das könnte in diesem Fall auch ausschlaggebend dafür sein, ob dieser Plan umgesetzt werden kann. Das muss engmaschig begleitet werden, damit der Druck auf die Konfliktparteien hoch bleibt.
"Schritte des Plans müssen ausbuchstabiert werden"
tagesschau24: Inwiefern spielt die Unberechenbarkeit Trumps eine Rolle, dass diesem Plan Chancen auf Erfolg zugeschrieben werden? Trump hat ja zum Beispiel Netanjahu freie Hand für den Fall gegeben, dass die Hamas nicht zustimmt.
Busse: Das weiß ich nicht, denn das war ja bisher auch schon in den letzten Monaten der Fall. Trump hat es zugelassen, dass das Aushungern als Kriegswaffe durch Israel eingesetzt werden konnte. Und auch, dass die Offensive auf Gaza-Stadt - die hochgradig umstritten war, auch in der israelischen Militärführung - gestartet werden konnte. Da sehe ich jetzt keine großartige Veränderung.
Jetzt müssen aber erst einmal die einzelnen Schritte des Plans ausbuchstabiert werden: Wer soll in diesen Übergangsgremien für den Gazastreifen sitzen? Wie genau soll der Rückzug der israelischen Armee stattfinden? Welche Staaten stellen Truppen für eine Sicherheitstruppe im Gazastreifen? Das sind ja alles Punkte, bei denen völlig unklar ist, wie das aussehen soll.
Lässt sich die Hamas auf die Bedingungen ein?
tagesschau24: Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Hamas völlig bedingungslos ergibt. Andererseits soll die Terrororganisation geschwächt sein. Wie schätzen Sie das ein?
Busse: Ja, die Hamas ist eindeutig geschwächt. Die Hamas ist nur noch ein Schatten dessen, was sie vor ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 war. Wir haben da keine gut organisierte Miliz mit ausgebildeten Kämpfern mehr, sondern eher eine Guerillatruppe, die es immer wieder schafft, durch Überraschungsangriffe gegen Israel, gegen die israelischen Streitkräfte vorzugehen. Aber viel mehr auch nicht.
Auf der anderen Seite ist die Hamas noch lange nicht am Ende. Auch für Israel und für Netanjahu bietet Trumps Plan also jetzt womöglich einen willkommenen Ausweg aus dem Krieg mit der Hamas, weil es durchaus noch viele, viele Monate dauern könnte, bis die Hamas endgültig besiegt sein könnte. Weil es so schwer ist, sie im Gazastreifen zu bekämpfen, in diesem Tunnelsystem und mit ihrer Guerillataktik. Aber natürlich ist sie unter Druck gewesen. Dieser Druck ist auch von Katar und von Ägypten aufgebaut worden - wichtige Verhandler, was dieses Abkommen angeht. Und jetzt bleibt abzuwarten, ob die Hamas bereit ist, diesen Vorgaben zuzustimmen.
Denn drei Fragen sind ganz zentral. Erstens: Die Hamas soll innerhalb von drei Tagen alle Geiseln freilassen - und dann hat sie natürlich kein Druckmittel mehr in der Hand. Ist sie dazu überhaupt bereit? Gerade auch, weil man in der Vergangenheit gesehen hat, dass Trump nicht unbedingt jemand ist, der zu seinem Wort steht. Das hat man etwa gesehen, als er mit den Iranern verhandelte und trotzdem gleichzeitig ein Angriff durch Israel stattfand. Das hat man auch gesehen, als im Frühjahr eine US-amerikanische Geisel freigelassen wurde - in der Hoffnung, dass Trump dann Druck in Richtung Waffenstillstand machen würde. Das ist auch nicht passiert. Das heißt, da fehlt das Vertrauen.
Darüber hinaus ist natürlich die Abgabe der Waffen ein Knackpunkt. Man muss sehen, wie das organisiert werden kann. Und zu guter Letzt gibt es die Frage des Rückzugs der israelischen Streitkräfte. Und ob sich die Hamas darauf einlässt, dass es, wie es aussieht, kein vollständiger Rückzug sein wird. Es soll eine Pufferzone am Rande des Gazastreifens erhalten bleiben. Es gibt also noch viele offene Fragen.
"Ziel muss eine Zweistaatenlösung sein"
tagesschau24: Die Frage ist auch, wie es danach im Gazastreifen weitergehen und wie er unter internationale Kontrolle gestellt werden soll. Wo sehen Sie die Zukunft des Gazastreifens?
Busse: Diese internationale Kontrolle muss eine Übergangslösung sein, weil das einzige plausible Ziel eine Zweistaatenregelung sein muss. Das steht jetzt so wortwörtlich leider nicht in diesem Plan. Das ist eindeutig ein Defizit. Aber nur mit dieser Perspektive ist es möglich, radikalen Kräften auf palästinensischer Seite, insbesondere der Hamas, aber auch anderen, den Zulauf zu entziehen und dafür zu sorgen, dass moderate Kräfte wieder die Oberhand gewinnen und die Federführung erhalten.
Letzten Endes haben wir das völkerrechtlich verbriefte Recht auf Selbstbestimmung für die palästinensische Seite. Und das bedeutet, dass man natürlich auch da entsprechenden Akteure mit einbeziehen muss, insbesondere die Palästinensische Autonomiebehörde. Es wäre wünschenswert, dass die sich im Zuge dessen reformiert, auch damit sie wieder mehr Legitimität in der eigenen Bevölkerung haben kann.
Aus meiner Sicht sollte eine Zweistaatenregelung angestrebt werden. Dafür müsste Trump sehr, sehr viel politisches Kapital in die Waagschale werfen, damit es überhaupt eine Aussicht in diese Richtung geben kann.
Das Gespräch führte Romy Hiller für tagesschau24. Für die schriftliche Version wurde es angepasst.
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