20 Punkte umfasst der Friedensplan für den Gazastreifen. Was sieht er für Gaza vor - sofort und langfristig? Und warum könnte der Plan Probleme mit sich bringen - sowohl für die Hamas als auch für Israel? Ein Überblick.
Wann und wie sollen die Kämpfe im Gazastreifen enden?
Sofort - und zwar mittels einer sofortigen Waffenruhe. Damit der Plan in Kraft tritt, müssen ihm aber beide in den Krieg involvierte Seiten - also Israel und die militant-islamistische Hamas - zustimmen.
Binnen 72 Stunden nach Inkrafttreten des Plans soll die Hamas alle Geiseln, die sich noch in ihrer Gewalt befinden, freilassen - egal, ob lebendig oder tot. Israelischen Angaben zufolge soll die Terrormiliz noch 20 lebende Geiseln gefangen halten. Zudem sollen sich die Leichname von mindestens 28 Geiseln in der Gewalt der Hamas befinden.
Im Gegenzug soll Israel 250 palästinensische Gefangene, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden, freilassen. Außerdem 1.700 seit Kriegsbeginn im Gazastreifen festgenommene Personen, darunter alle Frauen und Kinder. Zudem soll Israel laut Plan für jede von der Hamas übergebene Leiche einer Geisel die Leichname von 15 Palästinensern übergeben.
Die von Israel im Gazastreifen eingesetzten Truppen sollen sich zurückziehen. Allerdings gibt es rund um diesen vorgesehenen Truppenabzug noch offene Fragen. Zum einen wird er an die Bedingung gekoppelt, dass die Hamas vollständig entwaffnet wird, was die Terrormiliz bislang abgelehnt hatte. Zum anderen heißt es in dem Plan, die israelische Armee solle sich auf eine "vereinbarte Linie" zurückziehen. Wo diese genau verläuft, ist unklar. Dafür sichert der Friedensplan Israel eine "Präsenz in einem Sicherheitsbereich" zu - ebenfalls ohne zu definieren, was dieser Bereich umfasst. Das könnte bedeuten, dass im Gazastreifen eine Pufferzone beibehalten würde, in welcher das israelische Militär noch präsent ist.
Was soll nach dem Kriegsende im Gazastreifen geschehen?
Israel soll den Küstenstreifen weder annektieren noch dauerhaft besetzen. Langfristig ist ein umfassender Wiederaufbau des Gazastreifens vorgesehen, die palästinensische Bevölkerung soll nicht zur Ausreise gezwungen werden. Befürchtungen dieser Art hatte US-Präsident Donald Trump teils selbst geschürt, als er im Februar vorgeschlagen hatte, den Gazastreifen unter US-Besitz zu stellen und die palästinensische Bevölkerung in einen oder mehrere arabische Staaten umzusiedeln.
Zunächst sieht der Plan aber eine "Entradikalisierung" des Gazastreifens vor. Dafür soll eine "internationale Stabilisierungstruppe" eingesetzt werden, welche die Entwaffnung der Hamas sicherstellen und für Ordnung sorgen soll. Außerdem soll sie palästinensische Polizisten ausbilden, damit diese für Sicherheit im Gazastreifen sorgen können. Offen bleibt, wer dieser Stabilisierungstruppe angehören soll und ob sich die USA mit eigenen Truppen an deren Einsatz beteiligen würden.
Sofort, nachdem der Friedensplan angelaufen ist, sollen umfangreiche Hilfslieferungen für den Gazastreifen anlaufen. Wasser- und Stromversorgung sollen wiederhergestellt und Krankenhäuser instand gesetzt werden. Die humanitäre Hilfe soll von "neutralen internationalen Organisationen" wie den Vereinten Nationen und dem Roten Halbmond verwaltet werden. Es ist unklar, ob der Gaza Humanitarian Fund, ein umstrittenes alternatives System zur Verteilung von Lebensmitteln, das von Israel und den USA unterstützt wird, weiterhin bestehen bleiben würde.

US-Präsident Trump verständigt sich mit Israels Premier Netanjahu auf 20-Punkte-Plan für Ende des Gaza-Kriegs
Isabel Shayani, ARD Washington, tagesschau, 30.09.2025 00:20 UhrWer soll den Gazastreifen künftig regieren?
Während einer zeitlich nicht klar umgrenzten Übergangszeit soll der Gazastreifen von einer Übergangsregierung eines technokratischen palästinensischen Komitees verwaltet werden. Dem sollen neben Palästinensern auch internationale Experten angehören. Die Hamas darf laut Plan bei der künftigen Verwaltung des Gazastreifens keine Rolle mehr spielen. Während der Übergangsverwaltung soll die Palästinensische Autonomiebehörde Reformen durchlaufen, damit sie schließlich die Regierung im Gazastreifen übernehmen kann.
Das als Übergangsregierung vorgesehene Komitee soll von einem sogenannten Friedensrat beaufsichtigt werden. An dessen Spitze soll US-Präsident Trump stehen, auch mehrere Spitzenpolitiker sollen dem Gremium angehören, unter ihnen der ehemalige britische Premierminister Tony Blair. Er soll bereits maßgeblich an Gesprächen rund um eine mögliche Friedenslösung für den Gazastreifen beteiligt gewesen sein. Nach seinem Rücktritt 2007 war der Ex-Premier jahrelang als Sondergesandter des sogenannten Nahost-Quartetts (USA, Russland, EU und UN) aktiv. Er setzte sich für einen palästinensischen Staat ein.
Der "Friedensrat" würde auch die Finanzierung des Wiederaufbaus überwachen. Eine Aufgabe, die ihm enormen Einfluss über die Regierung im Gazastreifen verschaffen könnte, da dies die größte Herausforderung für das Gebiet ist, das durch die israelische Offensive fast vollständig zerstört wurde. Um den Wiederaufbau voranzubringen, soll auf den jetzigen Friedensplan noch ein international finanzierter "Trump-Plan zur wirtschaftlichen Entwicklung" folgen, der Investitionen in den Gazastreifen garantieren soll und auf dessen Basis in dem Küstenstreifen eine Sonderwirtschaftszone geschaffen werden soll, um Arbeitsplätze zu schaffen.
Schafft der Friedensplan einen palästinensischen Staat?
Nein, im Friedensplan wird lediglich eine Perspektive für einen palästinensischen Staat aufgeführt. Diese ist an Bedingungen geknüpft, die zuvor erfüllt sein müssen. Im Plan heißt es, wenn die Palästinensische Autonomiebehörde ausreichende Reformen durchführt und der Wiederaufbau im Gazastreifen voranschreitet, dann könnten "die Voraussetzungen für einen glaubwürdigen Weg zur Selbstbestimmung und Staatsgründung der Palästinenser endlich gegeben sein".
Wie auch Deutschland haben die USA bislang einen palästinensischen Staat nicht anerkannt. Trump selbst hatte die Anerkennung durch mehrere westliche Staaten vor rund anderthalb Wochen, darunter Frankreich, Großbritannien und Kanada, scharf kritisiert. Inzwischen haben mehr als 150 UN-Mitglieder einen Staat Palästina anerkannt.
Warum könnte der Plan für die Hamas ein Problem sein?
Die Terrormiliz könnte sich gegen ihre im Plan vorgesehene, vollständige Entwaffnung - faktisch eine vollständige Kapitulation - sperren. Bisher hat die Hamas diese Forderung Israels vehement abgelehnt.
Hamas-Mitglieder, die ihre Waffen abgeben und "friedliche Koexistenz" zusagen, könnten dem Friedensplan zufolge Amnestie erhalten. Denjenigen, die den Gazastreifen verlassen wollen, soll die Ausreise gewährt werden.
Die Frage ist allerdings, ob andere Staaten sich bereit erklären, Hamas-Mitglieder aufzunehmen. Die Hamas hat zwar Verbindungen in andere Länder. Seit vielen Jahren etwa hat sie ein Büro in Katar - welches vor rund drei Wochen Ziel eines israelischen Luftangriffs wurde. Zwar hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sich für den Angriff entschuldigt und zugesichert, die Souveränität Katars nicht erneut zu attackieren. Trotzdem bleibt der Angriff ein Signal, dass es ein Risiko darstellen könnte, Hamas-Mitglieder aufzunehmen.
Welche Punkte könnten für Israel problematisch sein?
Zum einen die von dem Plan zwar sehr unkonkrete, aber dennoch aufgeführte Möglichkeit, dass es in Zukunft einen selbstständigen Staat Palästina geben könnte. Israel lehnt die Zweistaatenlösung klar ab. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hatte sich dafür ausgesprochen, dass Israel dauerhaft die Sicherheitskontrolle des Gazastreifens behält.
Dass Israel mit seiner Zustimmung zum Friedensplan auf eine Annexion des Gazastreifens verzichtet, dürfte vor allem bei Netanjahus ultrarechten Koalitionspartnern auf heftige Gegenwehr stoßen. Einige von ihnen haben bereits eine israelische Wiederbesiedlung des Gebiets nach einer Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung gefordert.
Wie fallen internationale Reaktionen auf den Friedensplan aus?
Bei westlichen Staaten erntet der Friedensplan viel Lob. Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete ihn als beste Chance auf ein Ende des Gaza-Krieges. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen begrüßte den Plan und rief die internationale Gemeinschaft auf, diesen zu unterstützen. Ähnlich äußerten sich der britische Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Auch die Palästinensische Autonomiebehörde stellte sich hinter den Friedensplan und bekräftigte ihren Willen, die darin angestrebten Reformen umzusetzen. Langfristig könne der Plan den Weg zu einer Zweistaatenlösung ebnen, hieß es vonseiten der Behörde.
Positives Echo kam auch vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, obwohl die Türkei zu den Kritikern des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen zählt. Wiederholt hatte sie Israels Regierung vorgeworfen, in dem Küstenstreifen Völkermord zu begehen. Nun versicherte Erdoğan, die Türkei werde daran mitwirken, einen "gerechten und dauerhaften, für alle Parteien akzeptablen Frieden" zu schaffen.
Wie bewerten Experten den Plan?
Aus Sicht des Autors und Nahost-Experten Daniel Gerlach ist Frieden im Gazastreifen durch den Plan zumindest "etwas wahrscheinlicher geworden". Doch viel Raum für Optimismus sah er im Interview mit dem ZDF trotzdem nicht. Zu offensichtlich sei Netanjahus Haltung geworden, Trump zwar die Einhaltung seines Plans zuzusagen. In Wahrheit werde der israelische Regierungschef aber weiterhin machen, "was er und seine Regierung für richtig halten", vermutet Gerlach.
Der frühere Botschafter Israels in Deutschland, Shimon Stein, äußerte im Interview mit dem Deutschlandfunk Zweifel, dass die Hamas dem Friedensplan zustimmen wird. Seiner Auffassung nach werde die Terrormiliz auf Korrekturen drängen. Stein kritisierte, dass die Hamas im Vorfeld des Treffens von Trump und Netanjahu nicht einbezogen wurde. Trump habe es eilig gehabt, eine Friedensvereinbarung vorzustellen. Netanjahu sei zur Zustimmung gezwungen, so Stein.
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