Die Zweistaatenlösung: Diese haben jene Länder im Blick, die einen Palästinenserstaat anerkannt haben oder es tun wollen. Die Jugend im Westjordanland ist nicht überzeugt.

Seit fünf Minuten ist Schulschluss in der Arab Evangelical Episcopal School in Ramallah. Aus dem Eingangstor strömen Kinder in Schuluniform, ungeduldige Eltern parken in zweiter Reihe. Gegenüber der Schule befindet sich ein Supermarkt.

Hier steht die 17-jährige Samara, zusammen mit Freundinnen. Die bevorstehende Anerkennung Palästinas durch mehrere Staaten bewegt die Zwölftklässlerin. Es mache sie stolz, erzählt sie. "So Gott will, wird dieser Schritt noch weitere Länder dazu ermutigen, uns anzuerkennen. Das wird das Bewusstsein der Menschen hier stärken. Es wird uns helfen, die Besatzung loszuwerden."

Mehr Siedlungen, mehr Checkpoints

So euphorisch wie Samara sind nur wenige junge Menschen im besetzten Westjordanland. Die überwiegende Mehrheit steht laut aktuellen Umfragen einer Zweistaatenlösung sehr skeptisch gegenüber oder lehnt sie sogar ab. Das hat mehrere Gründe.

Die junge Generation wächst in einer Zeit ohne Friedensverhandlungen auf. Viele sehen schlicht keine Anzeichen für eine politische Lösung. Hinzu kommt die Realität der Besatzung. Ihr Alltag ist geprägt von israelischen Checkpoints, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der ständigen Erweiterung israelischer Siedlungen. All das hat das Vertrauen in die Machbarkeit einer Zweistaatenlösung stark untergraben.

Kaum noch Hoffnung

Unrealistisch: Mit diesem Wort beschreibt Ahmad beispielsweise die Zweistaatenlösung. Klar freue ihn die mögliche Anerkennung, sagt der 14-Jährige. "Aber was bringt sie uns?"

Ahmad hat einen kreativen Umgang mit der Ohnmacht gefunden: Er ist als Influencer unterwegs. Zusammen mit seinem Bruder veröffentlicht er auf Facebook und Instagram Videos, in denen palästinensische Orte vorgestellt werden - im besetzten Westjordanland und in Israel. Der Name ihres Accounts lautet "This is Palestine". "Unter den aktuellen Umständen, mit der israelischen Besatzung ist eine Zweistaatenlösung kaum möglich", sagt Ahmad. "Heute zum Beispiel sind auch wieder Besatzungstruppen in Ramallah eingedrungen. An jedem Ein- und Ausgang gibt es außerdem israelische Checkpoints."

Vor kurzem hat die 25-jährige Dhikra in Ramallah das "Art Café" aufgemacht.

"Wir müssen realistischer sein"

Ganz in der Nähe der Schule in Ramallah hat vor kurzem ein neues Café aufgemacht. Von der Inhaberin Dhikra stammt die Idee, einen Ort für Kreativworkshops mit einem Café zu verbinden. Auch die 25-Jährige schaut eher nüchtern auf die aktuelle Anerkennungsdebatte und die Forderung nach einer Zweistaatenlösung. Die meisten Palästinenser, erzählt sie, wollten einen Staat, ein freies Palästina. "Und zwar vom Fluss bis ans Meer. Gleichzeitig müssen wir realistischer sein. Die Menschen hier wollen am Ende die gleichen Rechte haben, und sie wollen sich in ihrem Land frei bewegen können."

Die Formulierung "vom Fluss bis ans Meer" bezieht sich auf das Gebiet zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer. Für die meisten Israelis und viele jüdische Menschen weltweit ist sie ein Aufruf zur Zerstörung des Staates Israel. Für viele Palästinenser, so wie Dhikra, repräsentiert die Formulierung das Ende der israelischen Besatzung und die Möglichkeit eines palästinensischen Staats im momentan besetzten Gebiet.

Die junge Frau berichtet, dass sie im Vergleich zu den meisten Palästinensern privilegiert sei, weil sie einen amerikanischen Pass habe. Ihr Vater stamme aus der Nähe von Jerusalem. Sie sei in den USA geboren und lebe erst seit einem Jahr in Ramallah. Wenn sie wollte, erzählt sie, dann könnte sie einfach wieder die Koffer packen. Wolle sie aber nicht.

Dhikra sagt, sie glaube an die Idee eines palästinensischen Staats: "Mein Traum ist es, hier zu bleiben, auch wenn die Zeiten mal rau, mal schön oder traurig sind. Ich möchte jetzt nicht so was sagen wie 'Die Zukunft wird friedlich'." Sie denkt nach: "Obwohl doch. Wer möchte keinen Frieden? Wer möchte nicht einfach frei leben können?"

Jörg Poppendieck, ARD Tel Aviv, tagesschau, 21.09.2025 11:58 Uhr

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