Während die israelische Armee weiter in Gaza-Stadt vorrückt, versuchen Tausende Menschen, die Stadt zu verlassen. In Israel wächst die Angst um die im Gazastreifen verbliebenen Geiseln.

Es ist ein endloser Strom an Fahrzeugen, Pferdekarren und an Menschen, die zu Fuß versuchen aus Gaza-Stadt zu gelangen, Richtung Süden in das Flüchtlingslager Al Mawasi. 30 Kilometer im Schritttempo. Die Straße ist hoffnungslos verstopft.

Ziyad Kahlout aus Gaza-Stadt steht vor einem Karren, auf dem das Wenige aufgeladen ist, was ihm geblieben ist. Der Mann scheint mit seinem Schicksal abgeschlossen zu haben. Er sagt: "Wir haben alles verloren. Wir haben unser Leben und unser ganzes Hab und Gut verloren. Wir haben unser Geld und unsere Häuser verloren. Was soll noch passieren?" 

"Wir sind müde"

Die Menschen im Gazastreifen sind nach fast zwei Jahren Krieg verzweifelt und müde. Erneut sollen sie flüchten. Wie auf einem Schachbrett werden die Palästinenser in dem schmalen Küstenstreifen hin- und hergeschoben.

Samira Issa lebte ihr ganzes Leben in Gaza-Stadt. Das Bombardement der vergangenen Tage und Wochen geht ihr nahe. Die Palästinenserin hat das Gefühl, ihre Heimat ist unwiederbringlich verloren: "Die ganze Situation ist geprägt von Zerstörung und Tod. Hochhäuser wurden gesprengt. Jahrelang wurde gebaut, nun wird alles dem Erdboden gleichgemacht. Sie haben keinen Ort ohne Zerstörung hinterlassen", sagt sie. "Ich flehe die ganze Welt an und alle arabischen Nationen, alle Könige und Präsidenten, steht uns bei, rettet uns. Wir sind müde."

Etwa 200.000, vielleicht 300.000 Menschen haben Gaza-Stadt nach den Evakuierungsaufforderungen des israelischen Militärs verlassen. Doch noch immer sollen laut Armee 600.000 Menschen in der Stadt sein. Viele von ihnen weigern sich - trotz des immensen militärischen Drucks - die Stadt zu verlassen.

Armee stellt sich auf längeren Guerillakrieg ein

Ein militärischer Druck, der zunimmt. Die Armee hat ihre Einsätze in Gaza-Stadt deutlich ausgeweitet. Sie ist laut Armeechef Eyal Zamit weit in die Stadt eingedrungen. Dabei komme eine Kombination aus Bodentruppen, Präzisionsschlägen und hochwertigen Geheimdienstinformationen zum Einsatz, erklärte er.

Doch trotz der deutlichen militärischen Überlegenheit: Israels Armee stellt sich auf einen längeren Guerillakrieg mit der Hamas ein, betont Armeesprecher Effie Defrin: "Wir werden operieren, bis die Kriegsziele erreicht sind. Wir sind zeitlich nicht begrenzt. Wir schätzen, dass es mehrere Monate dauern wird, die Kontrolle über die Stadt und ihre Schwerpunkte zu übernehmen, und noch mehrere Monate oder sogar länger, um die Stadt zu säubern. Denn die Hamas-Infrastruktur ist tief verwurzelt und gut ausgebaut."

Angst um Geiseln

Israels Bodenoffensive und der Häuserkampf bergen große Gefahren für alle Beteiligten, auch für die palästinensische Zivilbevölkerung und die israelischen Geiseln. Die sollen nun Berichten zufolge als menschliche Schutzschilde eingesetzt werden. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu droht der Hamas unmissverständlich: "Wenn sie nur ein Haar einer Geisel angreifen, ein einziges Haar, dann werden wir sie mit großer Gewalt bis ans Ende ihres Lebens jagen, und dieses Ende wird viel schneller kommen, als manch einer denkt." 

Unterstützung bekommt Netanjahu dabei von Donald Trump. Sollte die Hamas die alte Taktik der menschlichen Schutzschilde anwenden, dann werde sie große Probleme bekommen, warnt der US-Präsident.

Julio Segador, ARD Tel Aviv, tagesschau, 17.09.2025 00:12 Uhr

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