Auf dem Weg zur Klimaneutralität sollte die EU sich eigentlich ein klares Zwischenziel setzen. Doch daraus wird beim heutigen Treffen der EU-Minister wohl nichts - gerade wegen der neuen deutschen Position.
Von Europas "Mann auf dem Mond"-Moment hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gesprochen: Europa soll, so der Plan, bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden.
Nun geht es darum, ein verbindliches Zwischenziel zu definieren. "Die Europäische Union geht den nächsten Schritt auf ihrem Weg, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und klimaneutral zu werden. Die Kommission schlägt vor, Europas Emissionen um 90 Prozent zu reduzieren - bis 2040", erklärte EU-Klimakommissar Wobke Hoekstra zufällig, aber symbolträchtig am wohl heißesten Tag dieses Jahres in Brüssel Anfang Juli.
Bis 2040 sollen also in Europa 90 Prozent weniger klimaschädliche Gase verglichen mit dem Stand von 1990 ausgestoßen werden.
Zustimmung unwahrscheinlich
Allen voran aus Frankreich, Polen, Italien und Tschechien war Widerstand bereits bekannt. Aber nun weicht auch der deutsche Kurs von dem ab, was Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) bislang auf der EU-Bühne erklärte hatte. Dessen Position klang unlängst noch so: "Wir sind für das 2040-Ziel." Wichtig sei nun vor allem Investitionssicherheit und dass "nicht permanent gewackelt wird".
Doch auch Deutschland wackelt jetzt. Damit ist die nötige Zustimmung im Kreise der europäischen Umweltminister für die EU-Klimaziele 2040 aktuell nicht mehr erreichbar. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) möchte das Ganze lieber noch mal bei einem EU-Gipfel neu diskutieren.
Das sei ein gefährliches Bremsmanöver, so der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss: "Die Bundesregierung hat in Brüssel das europäische Klimaziel von der Tagesordnung genommen und die Entscheidung an die Staats- und Regierungschefs verschoben. Dort droht dem Klimaschutz ein jämmerlicher Tod."
Gemeint ist: Im Kreise der Umweltminister reicht die sogenannte qualifizierte Mehrheit. Wird das Klimaziel noch einmal zur Chefsache gemacht, braucht es ein - sehr unwahrscheinliches - einstimmiges Votum.
Was wird aus den UN-Klimazielen?
Damit wackelt jetzt allerdings nicht nur das europäische Klimaziel 2040. Auch das Zwischenziel für 2035 steht auf der Kippe. Dies muss in der kommenden Woche bei den Vereinten Nationen eingereicht werden, als Grundlage für die Verhandlungen bei der Weltklimakonferenz in Brasilien.
Das sei ziemlich unglücklich gelaufen, sagt auch der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese: "Das Ziel von 90 Prozent für 2040 ist extrem ambitioniert, und ich verstehe jeden, der davor Respekt hat und sagt, das können wir nicht mittragen. Ich glaube, es war ein Fehler, sich so auf 2040 zu konzentrieren und 2035 unter dem Radar fliegen zu lassen. Die nächsten Tage müssen jetzt genutzt werden, um ein ambitioniertes und realistisches Ziel für 2035 festzulegen. Und damit den internationalen Prozess in die richtige Richtung weiter zu treiben."
Danach sieht es aktuell aber nicht aus: Den Europäern droht sogar eine Situation, bei der sie im November mit völlig leeren Händen zur Klimakonferenz reisen. Es wäre ein gefundenes Fressen für alle Staaten, die von Europa bisher zu mehr Klimaschutz gedrängt wurden.
Eine vage Absichtserklärung?
Und es wäre eine besonders schlechte Nachricht für alle Regionen, die jetzt schon am meisten unter Extremwetter-Ereignissen leiden. "Wir haben eine riesige Verantwortung für das weltweite Klima", sagt der CDU-Europaabgeordnete Liese. "Viele Unternehmen haben investiert in der Hoffnung, dass Klimaschutz in Europa und darüber hinaus weitergeht. China hat jetzt zum ersten Mal seine Emissionen gesenkt und wird auch ein entsprechendes Ziel völkerrechtlich verbindlich hinterlegen." Deswegen müsse Europa schnell ein Ziel verabschieden.
Die dänische Ratspräsidentschaft will heute wohl erst einmal nach einem Rettungsanker greifen: in Form einer Absichtserklärung, die einen breiten Korridor an möglichen Klimazielen bis 2035 beschreibt. Von minus 66 bis 72 Prozent klimaschädlicher Gase ist in dieser Erklärung für alles etwas dabei. Doch für eine starke Rolle Europas bei der Klimakonferenz ist es zu wenig.
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