Wie erwartet hat die EU-Kommission wegen des Gaza-Kriegs weitreichende Sanktionen gegen Israel vorgeschlagen - so sollen etwa Freihandelsvorteile ausgesetzt werden. Noch unklar ist, ob es die nötige Zustimmung dafür gibt.
Als Reaktion auf die Entwicklungen im Gazastreifen schlägt die Europäische Kommission den EU-Staaten das Verhängen weitreichender Sanktionen gegen Israel vor. Nach dem Willen der Behörde sollten unter anderem Freihandelsvorteile gestrichen und Strafmaßnahmen gegen extremistische israelische Minister und Siedler veranlasst werden. Ziel des Vorstoßes ist es, Israel zu einem Kurswechsel bei seinem Vorgehen im Gazastreifen zu bewegen.
"Die schrecklichen Ereignisse, die sich täglich in Gaza abspielen, müssen beendet werden", erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es brauche einen sofortigen Waffenstillstand, uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe und die Freilassung aller von der Terrormiliz Hamas festgehaltenen Geiseln.
Die Sanktionen hatte sie bereits in der vergangenen Woche in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt.
Sanktionen gegen Smotrich und Ben-Gvir vorgeschlagen
Das Streichen von Freihandelsvorteilen für Israel beträfe nach Angaben aus der EU-Kommission 37 Prozent der israelischen Warenexporte in die EU. Da die EU für Israel der wichtigste Handelspartner ist, könnte vor allem dieser Kommissionsvorschlag Druck auf die israelische Regierung ausüben.
Bei den israelischen Ministern, die sanktioniert werden könnten, handelt es sich um Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und Aufstachelung zum Hass vorgeworfen.
Zudem schlägt die Kommission auch neue Sanktionen gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas vor. Sie hatte den Gaza-Krieg ausgelöst, indem sie am 7. Oktober 2023 gemeinsam mit anderen Extremisten einen Terrorangriff auf Israel ausübte, dabei rund 1.200 Menschen tötete und mehr als 250 Menschen verschleppte.
Kommt ein Ja aus Berlin und Rom?
Im Rat der Mitgliedstaaten bräuchte es zu der Annahme des Vorschlags die Zustimmung von 15 der 27 EU-Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Denkbar ist allerdings auch, dass EU-Staaten wie Deutschland und Italien schnell deutlich machen, dass sie den Vorstoß von der Leyens nicht unterstützen. Ohne ein Ja aus Rom oder Berlin ist die nötige Zustimmung derzeit nicht absehbar, weil auch einige kleinere Länder wie Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Österreich bislang gegen scharfe Israel-Sanktionen waren.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatte bereits vor der offiziellen Vorstellung an Deutschland und Italien appelliert, die Pläne für europäische Handelssanktionen gegen Israel zu unterstützen oder alternativ andere Druckmittel vorzuschlagen. "Wenn wir uns einig sind, dass die Lage unhaltbar ist und wir die israelische Regierung zum Kurswechsel bringen wollen, dann müssen wir klären: Was können wir dafür tun?", sagte sie in einem Interview des Senders Euronews. Wer vorgeschlagene Maßnahmen als Reaktion auf Israels Vorgehen im Gazastreifen nicht unterstütze, solle bitte Alternativen nennen.
Bundesregierung zurückhaltend
Die Bundesregierung hatte sich zuvor zurückhaltend zu den erwarteten Sanktionsvorschlägen geäußert. "Die Bundesregierung hat sich noch keine abschließende Meinung darüber gebildet", sagt Regierungssprecher Stefan Kornelius. Die Erwartung, dass sich die Politik Israels durch solche Maßnahmen ändere, sei "möglicherweise überzogen". Sanktionen müssten immer zielgerichtet sein. Die Grundhaltung der Bundesregierung sei, "dass wir die Gesprächskanäle zu Israel offenhalten wollen".
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) forderte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF Zurückhaltung aus Deutschland. "Was ist denn dann die Folge? 'Kauft nicht mehr bei Juden'? Das hatten wir alles schon mal", sagte er. Mit dem historischen Zitat bezog sich Spahn auf berüchtigte Boykottaufrufe der Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren, mit denen diese die Existenz jüdischer Geschäftsleute zerstören wollten.
Beim Thema Israel und Gaza sei gerade in Deutschland "sehr schnell die Balance weg und es kippt ins Antisemitische", fügte er an. "Wir müssen sehr aufpassen, wie wir diese Debatten führen."
SPD-Außenpolitiker: "Blockadehaltung aufheben"
Hingegen plädierte der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic dafür, den Weg für Sanktionen freizumachen. Die Ausweitung des Krieges mit dem Einmarsch in Gaza-Stadt sei inakzeptabel und ein weiterer Bruch des Völkerrechts, sagte er im Deutschlandfunk. "Deutschland sollte seine Blockadehaltung aufheben, denn fast jeder andere europäische Staat tut das."
Mit Blick auf die vorgeschlagenen Strafmaßnahmen fügte er hinzu: "Keiner verlangt, dass wir die Lautesten sind im Einfordern von Sanktionen gegen die israelische Regierung. Aber wir müssen unseren Kurs europäisch anpassen und den Weg freimachen."
Grünen-Chefin Franziska Brantner plädierte für die deutsche Unterstützung eines härteren europäischen Vorgehens gegen die israelische Regierung. Die Bundesregierung müsse ihre Blockade aufgeben, sagte sie. "Appelle und Aufforderungen werden der Situation in Gaza und auch der Westbank nicht mehr gerecht, auch die Situation der Geiseln wird jeden Tag hoffnungsloser", so Brantner.
Israel kritisiert Vorstoß als "unverhältnismäßig"
Israel hatte den Sanktionsvorstoß der Kommission bereits vor der Vorlage von Details scharf kritisiert. Israels Außenminister Gideon Saar schrieb in einem Brief an von der Leyen, es sei "unverhältnismäßig" und "beispiellos", wegen des israelischen Vorgehens im Gazastreifen bestimmte Handelsvorteile aussetzen zu wollen. Ein solcher Vorschlag sei im Falle anderer Länder noch nie umgesetzt worden, kritisierte Saar. Die EU-Kommission verlasse sich auf Angaben der Hamas und spiele der Terrororganisation damit in die Hände.
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