Christian von Soest forscht am Giga-Institut, einer sozialwissenschaftlichen Einrichtung mit Hauptsitz in Hamburg. Er berät Politikerinnen und Politiker und hat schon mehrere Forschungsprojekte zu Sanktionen geleitet. Fragen, die er sich immer wieder stellt: Können Sanktionen etwas bewirken? Ändern die sanktionierten Länder ihre Politik?

Seine kurze Antwort: "Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist nicht berauschend." Eine sehr bekannte Studie komme zu dem Schluss, dass ungefähr ein Drittel aller Wirtschaftssanktionen zu einer Verhaltensänderung beitrage.

Möglichst konkretes, begrenztes Ziel

Von Soest sieht aber auch Kriterien, die eine Verhaltensänderung wahrscheinlicher machen. Etwa, wenn die Maßnahmen ein sehr konkretes, eng begrenztes Ziel, wie die Freilassung von bestimmten politischen Gefangenen, verfolgten.

Diese "eingeschränkten, klar definierten Forderungen" seien erfolgversprechender als sehr umfassende Forderungen wie nach einem Regimewechsel oder im Fall von Russland die Beendigung eines Angriffskrieges. Von Soest: "Das heißt, hier müssen wir eigentlich schon erwarten, dass die Erfolgswahrscheinlichkeiten sehr sehr gering sind."

Sanktionen gegen Autokratien weniger effektiv

Besonders erfolgversprechend seien Sanktionen gegen demokratische Staaten – doch die meisten solcher Strafmaßnahmen richteten sich gegen Autokratien. Dort seien sie weniger effektiv. Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik von 2024. Wirtschaftssanktionen könnten in autoritären Systemen mit einem Repressions- und Propagandaapparat  sogar dazu führen, dass diese Regime stabil bleiben.

Außerdem beschreibt die Studie negative Auswirkungen für die betroffenen Länder. Wer Sanktionen verhänge, müsse etwa damit rechnen, dass sich im Zielland die Menschenrechtssituation verschlechtere. Denn die Herrschenden nutzten Sanktionen oftmals als Vorwand, um Stabilität und Ordnung mit noch mehr Unterdrückung durchzusetzen, heißt es in der Studie.

Funktion geht "über das reine Erzwingen" hinaus

Sollten also besser gar keine Sanktionen verhängt werden? Von Soest glaubt, dass sie trotzdem einen wichtigen Zweck erfüllen. Auch wenn man wisse, dass man eine Verhaltensänderung nicht direkt erzwingen könne und die Wahrscheinlichkeit sehr gering sei, "kann die Funktion durchaus darin liegen, eben den Nachschub von Bauteilen zu unterbinden oder auch von Finanzströmen".

Und insofern hätten Sanktionen durchaus auch eine Funktion, "die über das reine Erzwingen" hinausgehe. Die von den USA und Europa verhängten Sanktionen hätten so etwa den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgebremst, sagt von Soest. Denn Russland müsse sich so aufwendiger über Umwege westliche Bauteile beschaffen, die es für sein Waffenarsenal benötigt.

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