Inhalt des Artikels:
- Tschechische Kultur hat in Russland Tradition
- "Tschechisches Zentrum" als Online-Angebot in Russland geplant
- Keine in Russland verbotenen Themen
- Über den Ukraine-Krieg hinausdenken
In der zweiten Jahreshälfte 2025 will Tschechien seine offizielle Kulturdiplomatie in Russland wieder aufnehmen. Mit dem Beginn von Russlands Großangriff auf die Ukraine vor dreieinhalb Jahren hatte das Land in Russland die Vermittlung von tschechischer Kunst, Wissenschaft und Kultur eingestellt. Man wollte damit ein Zeichen der Solidarität mit dem angegriffenen Land setzen, auch abseits der eigenen Akzente bei der militärischen Unterstützung der Ukraine. Im Vergleich dazu stellte das deutsche Goethe-Institut nach Februar 2022 die offizielle Sprach- und Kulturarbeit in Russland nie ganz ein, reduzierte sie allerdings stark.
Die Beziehungen zwischen Tschechien und Russland waren schon vor dem Ukraine-Krieg sehr angespannt. Im offiziellen Prag und Moskau sprach man regelmäßig nicht gerade freundlich voneinander und das auch öffentlich. Wenn es eine Krise in den bilateralen Beziehungen gab, wies man auch schon einmal das Botschaftspersonal des jeweils anderen Landes aus. So gehörte Tschechien bereits vor Jahren zu einem der ersten Länder, die von Russland auf eine offizielle Liste "unfreundlicher Staaten" gesetzt wurden – gleich hinter den USA und sogar noch vor den baltischen Republiken.
Tschechische Kultur hat in Russland Tradition
Mit den politischen Verwerfungen kamen mit der Zeit auch die kulturellen Beziehungen unter die Räder. Diese waren einst sehr intensiv und reichten in die Zeiten vor der Wende zurück, als es die Tschechoslowakei noch gab. Davon zeugt nicht zuletzt ein wuchtiger Gebäudekomplex aus den 1980er Jahren in Moskaus Innenstadt, das sogenannte "Tschechische Haus". Dort hatte bis 2022 das auswärtige Kulturinstitut "Tschechisches Zentrum" seinen Sitz; dort fanden auch die meisten Kulturveranstaltungen statt.

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine war eine Zeit lang auch der tschechische Botschafterposten in Moskau unbesetzt. Das hat sich mittlerweile geändert und in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 soll auch die tschechische Kultur wieder Präsenz vor Ort zeigen. Das bedeute aber nicht, dass sich die tschechische Haltung zum Ukraine-Krieg oder zur russischen Staatsführung geändert hätte, betont das tschechische Außenministerium.
"Tschechisches Zentrum" als Online-Angebot in Russland geplant
Um der russischen Öffentlichkeit die tschechische Kultur zugänglicher zu machen, plane man jetzt ein virtuelles Programm, sagt der Pressesprecher der Tschechischen Zentren Jan Dlouhý dem MDR. Als Plattform wolle man in erster Linie die sozialen Medien nutzen. Auch die Tschechischen Zentren in anderen Ländern haben schon Kulturangebote ins Virtuelle verlegt, so Dlouhý. Die genauen Planungen für Russland liefen noch, denkbar seien aber Video-Gespräche mit interessanten Persönlichkeiten, die einen Bezug zur Kultur in beiden Ländern haben oder die Übertragung von Konzerten. Dlouhý fügt hinzu, das Online-Kulturprogramm solle in Einklang mit den Gepflogenheiten vor Ort geplant werden.
Damit spielt Dlouhý wohl darauf an, dass für westliche Einrichtungen, NGOs oder Stiftungen die Luft in Russland in den letzten Jahren sprichwörtlich sehr dünn geworden ist. Viele haben ihr Engagement entweder fast eingestellt oder das Land sogar verlassen. Erst kürzlich wurden die bestehenden Gesetze in Russland noch verschärft, wonach schon das Suchen von Inhalten im Internet, die der Kreml als "schädlich" qualifiziert, strafbar ist.
Keine in Russland verbotenen Themen
Die russische Öffentlichkeit interessiere sich aber nach wie vor für Kultur aus Tschechien, meint der tschechische Journalist Jiří Just, der seit gut zwei Jahrzehnten in Moskau lebt. Als freier Journalist arbeitet er für verschiedene tschechische Medien und ist somit einer der Wenigen, die noch direkt aus Russland berichten. "Das Tschechische Zentrum darf natürlich keine Themen anschneiden, die in Russland verboten sind, also zum Beispiel die Rechte von queeren Menschen, Selbstmorde, die Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus oder jegliche Form von Sympathien für die Ukraine," so Just im Gespräch mit dem MDR.
Er gehe davon aus, dass sich die tschechische Seite dieser Einschränkungen bewusst sei und sich darauf einrichte. Sonst würden sich die Organisatoren des virtuellen Kulturprogramms dem Risiko aussetzen, von staatlichen russischen Stellen blockiert zu werden. Schließlich ist das bei den meisten tschechischen Medien bereits der Fall.
Bei dieser Gratwanderung sei eines aber selbstverständlich, betont Jan Dlouhý vom tschechischen auswärtigen Kulturinstitut: "Das virtuelle Kulturangebot des Tschechischen Zentrums in Moskau darf keinesfalls als Ausdruck einer Unterstützung für die Politik Russlands verstanden werden." Gerade in Zeiten von angespannten Beziehungen und Konflikten sei es aber umso wichtiger, den kulturellen Austausch zu pflegen, fügt er hinzu. Schließlich könne man so versuchen, einen elementaren Dialog aufrechtzuerhalten.
Über den Ukraine-Krieg hinausdenken
Journalist Just hält diesen Ansatz für sinnvoll, "auch wenn ein solches Programm wohl nicht solch eine Breitenwirkung haben wird, wie zum Beispiel früher das Festival mit tschechischen Filmen oder das Bierfestival. Die haben vor dem Krieg regelmäßig stattgefunden und waren sehr beliebt." Der Krieg werde irgendwann einmal zu Ende gehen und dann werde es zu einer Erneuerung der Beziehungen kommen. Da könne die tschechische Kultur eine wichtige Brückenfunktion erfüllen, ist Just überzeugt. Schließlich sei sie für die Russen keine Unbekannte, sie seien mit ihr über viele Jahre vertraut gewesen und hätten sie gemocht.
Zudem sei mit einem rein virtuellen Angebot, so der Journalist, das Risiko des Scheiterns wesentlich geringer. Sollte sich nämlich zeigen, dass die ursprünglichen Erwartungen nicht erfüllt würden, könne man ja das Projekt still beenden, ohne deshalb jemanden aus Moskau abzuberufen.
MDR (usc)
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