Er wollte mal Mönch werden, war aber auch schon als Kind von Politik fasziniert: Für das schwierige Amt des Premiers hat Frankreichs Präsident Macron seinen Vertrauten Lecornu gewählt. Wer ist der 39-Jährige?
Ein Politik-Nerd war Sébastien Lecornu schon als Kind: Als Zehnjähriger soll er bereits Regierungspressekonferenzen verfolgt haben. Aber in seiner Jugend hatte er auch andere Pläne.
"Stimmt es, dass Sie darüber nachgedacht haben, Mönch zu werden und in den Benediktiner-Orden einzutreten?", fragte die Moderatorin von TV5 im vergangenen Oktober gleich zu Beginn eines Interviews mit Lecornu. "Das ist richtig", antwortete der damalige Verteidigungsminister, aber darüber rede er nicht gerne.
Als Minister repräsentiere er den Staat, und der Staat müsse neutral sein. "Ich bin ein Anhänger der Trennung zwischen Staat und Kirche. Der Laizismus ist in Frankreich Staatsräson."
Frühe Karriere in der Politik
In die Politik ist er früh eingestiegen. Mit Anfang 20 brach er sein Masterstudium in Öffentlichem Recht ab, um Bruno Le Maire zu beraten - damals Staatssekretär für europäische Angelegenheiten. Zunächst war er Mitglied der konservativen Partei Les Républicains, schloss sich aber vor der Präsidentschaftswahl 2017 der Bewegung von Emmanuel Macron an.
Die Grundidee von La République En Marche - mit alten politischen Mustern zu brechen - faszinierte Lecornu. Nach fünf Jahren zog er eine erste Bilanz: "Der Begriff 'Reform' ist ein wenig abgenutzt. Aber jedem und jeder ist eigentlich bewusst: Unser Land braucht den Wandel. Es muss sich etwas bewegen."
100-prozentiger Macron-Anhänger
Damals war die Macron-Bewegung in der ersten großen Krise. Die Gelbwesten gingen gegen den Präsidenten auf die Straße. Und Lecornu, damals Präsident des Département Eure in der Normandie, organisierte für Macron die erste einer ganzen Reihe öffentlicher Debatten.
Der Präsident stellt sich den Bürgerinnen und Bürgern: Das hatte es in Frankreich so bisher nicht gegeben. Macron sei das Risiko trotzdem eingegangen, lobte ihn Lecornu.
Potenzial als Brückenbauer
Bei öffentlichen Auftritten wirkt der neue Regierungschef eher steif - und deutlich älter als 39. Im Gespräch blüht Lecornu dagegen auf. Und er kann witzig sein. Die Dialoge aus dem Filmklassiker "Papy fait de la résistance", eine Komödie über den Widerstand gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg, kann er auswendig - und soll damit auch den Präsidenten erfreuen.
Als loyaler Gefolgsmann Macrons machte er Karriere, wurde Minister für die französischen Gebiete in Übersee und ab 2022 Verteidigungsminister.
Mit diesem Hintergrund könne Lecornu die zerstrittenen politischen Lager in Frankreich an einen Tisch bringen, sagt Benjamin Morel, Politikwissenschaftler an der Universität Paris-Panthéon-Assas und ergänzt: "Er ist jemand, der aus der Rechten kommt und war einer der ersten Verbündeten von Macron. Ein rechter Macronist sozusagen."
Und weil er für übergeordnete Ressorts wie Verteidigung zuständig war, löse er auch bei der Linken keine großen Irritationen aus. Das mache ihn potenziell zum Mann des Kompromisses.
Im Kontakt mit allen politischen Lagern
Kompromisse aushandeln, Hindernisse überwinden: Das sieht Lecornu auch als Auftrag in seinem neuem Job. Kurz nachdem ihn der Präsident zum neuen Regierungschef ernannt hatte, richtete er sich vor dem Matignon, dem Amtssitz des Premierministers, direkt an die Französinnen und Franzosen: "Kein Weg ist unmöglich. Wir müssen Schluss machen mit dem Auseinanderklaffen der politischen Handlungsfähigkeit und dem, was die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag erleben."
Der neue Premier will die "Rupture" - den Bruch mit alten Gewohnheiten. Wie seine Vorgänger wird er dabei schnell an Grenzen stoßen. Für Mehrheiten braucht er die Parteien links und rechts der Mitte. Um den Kontakt zum politischen Gegner hat er sich stets bemüht - und hat auch schon bei Marine Le Pen diniert, der Chefin des rechtsnationalen Rassemblement National.
Wenn einer die verhärteten Fronten aufbrechen kann, dann er, sagen Lecornus Vertraute. Sie beschreiben ihn als alten Fuchs, als gewieften Verhandlungspartner - sehr diskret, aber immer mit einem Ziel vor Augen.
"Blitzableiter" für Macron?
Andererseits: Die Treue zum Präsidenten könnte seine größte Schwäche sein - und auch zur Gefahr für Macron selbst werden. "Tatsache ist, dass Sébastien Lecornu ein bisschen der Klon von Emmanuel Macron ist", meint der Politikwissenschaftler Benjamin Morel.
Wenn er scheitere, könne er für den Präsidenten nicht mehr die Rolle des Blitzableiters spielen. Dann stelle sich mindestens die Frage von Neuwahlen - oder des Rücktritts von Macron selbst.
Mit seiner Überzeugung, dass sich grundsätzlich etwas ändern muss, will der neue Premierminister nicht brechen, sagte er am vergangenen Mittwoch in seiner ersten kurzen Ansprache. Aber er will anders an die Probleme herangehen als seine Vorgänger: Mit allen Parteien reden, Arbeitgebern, Gewerkschaften - und dann erst sein konkretes Programm und die Regierungsmannschaft aufstellen.
Bisher lief das umgekehrt. Eine Garantie für einen Weg aus der politischen Krise ist das aber nicht.
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