Im Kampf gegen den Drogenhandel nehmen die USA Venezuela ins Visier. Zuletzt wurde in der Karibik ein mutmaßliches Schmugglerboot attackiert. Was ist dran an den Vorwürfen, Machthaber Maduro sei Kopf eines Drogenkartells?
Es ist das wichtigste Argument der Vereinigten Staaten für ihre Offensive gegen Venezuela: Präsident Nicolás Maduro sei Akteur im Drogenhandel und als Kopf des Cartel de los Soles sogar verantwortlich dafür, tödliche Stoffe und Gewalt in Richtung Norden zu bringen.
Um das zu verhindern, verschärfen die USA seit Wochen den Druck auf ihn: Sie haben 50 Millionen US-Dollar auf ihn ausgesetzt - das höchste je von Washington versprochene Kopfgeld. Die US-Justiz hat gegen ihn Anklage erhoben. Das US-Militär hat seine Präsenz in der südlichen Karibik verstärkt und in der vergangenen Woche ein mutmaßliches Drogenboot versenkt.
Wichtiger Korridor für den Schmuggel von Kokain
Tatsächlich ist Venezuela ein wichtiger Transitkorridor für den Schmuggel von Kokain aus Kolumbien in Richtung USA und Europa. Allein schon durch seine Topografie - Venezuela besitzt eine lange Küste entlang der Karibik. Auch die politische Lage befördert den Schmuggel: Die staatliche Kontrolle ist schwach, die Beziehung zu kolumbianischen Drogenhändlern eng.
Traditionell kontrollieren sie das Geschäft. Zuletzt waren Splittergruppen der ehemaligen FARC-Guerilla in der Grenzregion zu Venezuela aktiv. Diejenigen, die den Friedensvertrag von 2016 in Kolumbien nicht unterschreiben wollten, bauen jetzt ihre Macht in neuen Gruppierungen aus - und finanzieren sich unter anderem über Drogengeschäfte.

Vor Panama-Stadt kreuzt der US-Zerstörer USS Sampson.
Drogenhandel und Prostitution
Ein wichtiger Player aus Venezuela ist zudem das Kartell Tren de Aragua, zu dem Maduro auch Verbindungen pflegen soll. Es soll aus einer Eisenbahner-Gewerkschaft hervorgegangen sein. Groß geworden ist es in dem berüchtigten venezolanischen Gefängnis Tocorón, von wo aus es sich dann in der ganzen Region ausgebreitet hat.
Neben dem Drogenhandel soll Tren de Aragua unter anderem in den Bereichen Prostitution und Menschenhandel aktiv sein. Inzwischen gilt es als gefährlichste Verbrecherorganisation Lateinamerikas. Elf der Mitglieder haben die USA nach eigenen Angaben bei dem Abschuss des Drogenboots am 2. September getötet.
Existiert das Cartel de los Soles?
Die US-Regierung behauptet, dass Machthaber Maduro Kopf des Cartel de los Soles sei, das ein Verbrechersyndikat aus Offizieren der Streitkräfte sein soll. Sicherheitsexperten sind sich allerdings uneins, ob das Kartell überhaupt existiert.
Für venezolanische Militäroffiziere und Parteifunktionäre sind jedoch Verbindungen ins Drogengeschäft nachweisbar. Schon der Linkspopulist "Comandante" Hugo Chávez soll bis zu seinem Tod 2013 in engem Kontakt mit drogenhandelnden FARC-Guerilleros gestanden, ihnen Schutz und Hilfe bei ihrer Logistik geboten haben.
Der Ex-Geheimdienstchef Venezuelas, Hugo "El Pollo" Carvajal bestätigte die Kooperation, als er sich im Juni nach einem langwierigen Prozess vor US-Behörden des Drogenhandels und Drogenschmuggels für schuldig bekannte. Carvajal war ein enger Verbündeter von Chávez.
Auch im näheren Familienumfeld Maduros gibt es klare Verbindungen: 2017 wurden zwei Neffen der venezolanischen First Lady zu 18 Jahren Haft verurteilt, nachdem sie 800 Kilogramm Kokain in die USA geschmuggelt hatten.
Ob der Machthaber Venezuelas selbst, wie von der US-Regierung behauptet, in den Handel mit Drogen verwickelt ist und Kokain als Waffe nutzt, um die USA damit zu überschwemmen, ist allerdings schwer nachweisbar.

Venezuelas Ex-Geheimdienstchef Hugo Carvajal bekannte sich schuldig, am Drogenhandel beteiligt gewesen zu sein.
Venezuela im Visier
Der Vorwurf des Drogenschmuggels könnte der US-Politik auch als Hebel dienen, um Maduro zu isolieren und weitere Sanktionen und Angriffe zu rechtfertigen, sagt der Analyst Phil Gunson von der Crisis Group, der für die internationale Nichtregierungsorganisation Venezuela beobachtet.
Maduro selbst wirft den USA vor, nur an Venezuelas Petroleum und Gas kommen zu wollen: "Ihr wisst, warum sie kommen. Sie wollen unser Erdöl gratis."
Venezuela besitzt noch vor Saudi-Arabien weltweit die größten Erdölvorkommen. Für das südamerikanische Land ist es die wichtigste Einnahmequelle, auch wenn die Fördermengen in den vergangenen Jahren durch Sanktionen und eigene Misswirtschaft massiv eingebrochen sind.
Obwohl auch viele andere lateinamerikanische Staaten verantwortlich für Drogenanbau und -schmuggel sind, wie Mexiko, Kolumbien und Ecuador, ist das Vorgehen der USA gegen Venezuela viel aggressiver. "Es ist offensichtlich, dass Venezuela im Visier ist", so Gunson.
Schon lange ist den Vereinigten Staaten das Regime Venezuelas ein Dorn im Auge. Er und viele andere Experten gehen deshalb davon aus, dass die USA den Druck immer weiter erhöhen. Das Ziel könnte ein forcierter Machtwechsel sein.
Maduro und Putin
"Ich glaube, die Vereinigten Staaten hoffen darauf, dass es viel einfacher sein wird, mit einer legitim gewählten venezolanischen Regierung Abkommen über Ölförderung und -handel abzuschließen", schätzt auch Benigno Alarcón, Leiter des Zentrums für politische Studien an der Katholischen Universität Andrés Bello in Caracas.
Aktuell sitzt Maduro fest im Sattel, hat kein Interesse, mit den Vereinigten Staaten, die ihm Wahlbetrug vorwerfen, in Energiefragen zu kooperieren. Er hat seinen Staat zu einer Diktatur umfunktioniert, besitzt den Rückhalt aus der Machtbasis wie den Parteifunktionären seiner PSUV und den Militär-Offizieren, die von seinem korrupten Apparat profitieren.
Unterstützung bekommt Venezuela von anderen Staaten wie China und Iran. Einer der wichtigsten Partner ist Russland, im Mai unterzeichneten Kremlchef Wladimir Putin und Maduro ein "strategisches Partnerschaftsabkommen".
Erdöl spielt wichtige Rolle
Das Abkommen zwischen Russland und Venezuela sieht unter anderem vor, gemeinsam in den Widerstand gegen einseitig verhängte Sanktionen wie von den USA zu gehen. Dafür wollen sie ihren Energiemarkt ausbauen, unabhängig vom "kollektiven Westen", wie es aus dem Kreml heißt.
Die USA könnten sich von der erstarkenden Partnerschaft Russlands und Venezuelas bedroht fühlen. Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Alarcón könnten die USA weiter versuchen, die Entscheidungsträger in Venezuela zu überzeugen, dass sie sich gegen Maduro wenden.
Dass die USA Maduro für seine Verbindungen zum Drogenschmuggel anklagen, hält er für eine Verschleierungstaktik. "Letztlich senden die USA mit ihrem Angriff das Signal aus: Ich bin stark und ich habe die Macht. Ich glaube, diese offensive Taktik werden sie verstärken."
US-Außenminister Marco Rubio kündigte zuletzt bei einem Besuch der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum an, dass die USA Venezuela wieder angreifen würden. Wer auf einem Boot voller Kokain oder Fentanyl Richtung Vereinigte Staaten unterwegs sei, sei "eine unmittelbare Bedrohung".
Medienberichten zufolge ordnete das US-Verteidigungsministerium inzwischen an, zehn Kampfjets vom Typ F-35 nach Puerto Rico zu verlegen, um den Kampf gegen die Drogenkartelle zu unterstützen.
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