Beim Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit werden Bilder von Indiens Premier Modi mit Gastgeber Xi und Kremlchef Putin um die Welt gehen. Nähert Indien sich wegen der Spannungen mit den USA nun an China an?

Es ist die Frage, die sich Beobachter im Vorfeld des Besuchs von Indiens Premier Narendra Modi zum Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit in China gerade stellen: Wie nahe kommen sich Indien und China, jetzt, wo US-Präsident Donald Trump den bisherigen Partner Indien mit seinem enormen Zoll von 50 Prozent abstraft?

"Eher ein loses Bündnis mit Widersprüchen", Benjamin Eyssel, ARD Peking, zum Gipfeltreffen in China mit indischem Premier Modi und Putin

tagesschau24, 31.08.2025 09:00 Uhr

Von einer neu entdeckten Kameraderie zwischen Peking und Neu-Delhi spricht Starmoderator Vishnu Som vom indischen Nachrichtensender NDTV. Die beiden Länder haben sich in jüngster Zeit eindeutig einander angenähert.

Die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) - auf Englisch Shanghai Cooperation Organisation (SCO) - wurde 2001 gegründet und hat ihren Sitz in der chinesischen Hauptstadt Peking.
Ihre Gründungsmitglieder sind China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan. Seitdem sind zunächst Indien und Pakistan und später der Iran sowie Belarus beigetreten.
Zu den Zielen der weltgrößten Regionalorganisation gehören vor allem die sicherheitspolitische Zusammenarbeit, die Wahrung der regionalen Stabilität sowie Wirtschaftsthemen. Laut Kritikern zählt zu den inoffiziellen Zielen auch die Eindämmung US-amerikanischen Einflusses, vor allem durch die NATO, sowie die Verhinderung von Revolutionen.

Entfremdung von Trumps USA

Diese Entwicklung hat tatsächlich viel mit dem US-Präsidenten zu tun. Natej Sarna, ehemaliger indischer Botschafter in Washington sagt, die Beziehungen zwischen Indien und den USA hätten sich in den vergangenen Monaten verschlechtert, vor allem das Vertrauen sei beschädigt worden. Das sei bedauerlich.

Selbst wenn Trump plötzlich einen Kursschwenk machen, die neuen Zölle aufheben und Neu-Delhi neu umgarnen sollte, wäre es für Indien schwer, einfach zum Tagesgeschäft zurückzukehren. Das wäre irrational, so Sarna. "Ich glaube, es wird lange dauern, das Vertrauen wieder aufzubauen. Und wir haben noch nicht einmal damit begonnen."

Entspannung aber kein Vertrauen zu China

Wird China nun Indiens neuer Partner? Vergangene Woche war der chinesische Außenminister Wang Yi bei Indiens Premier Modi. Auch wenn es kaum mehr als ein Höflichkeitsbesuch war: Die Zeichen stehen auf Entspannung.

Dabei war China bis vor kurzem vor allem ein Rivale, das Verhältnis zwischen Peking und Neu-Delhi frostig. Die gemeinsame Grenze zwischen beiden Staaten ist seit jeher umstritten, es gibt regelmäßig Auseinandersetzungen, auch mit Toten. China half Indiens Erzfeind Pakistan jüngst im militärischen Konflikt mit der indischen Armee. Es sind nur zwei Punkte auf einer langen Liste von Themen, die beide trennt.

Man müsse Modis Reise nach China ganz nüchtern betrachten, sagt der indische Journalist Saurabh Shukla. "Ich sehe den Besuch des indischen Premierministers zum Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit zwar als Fortschritt, würde aber sagen, dass es sich in gewisser Weise um eine Vernunftehe handelt."

Indien wisse offensichtlich, dass es China nicht vertrauen könne, so Shukla. China werde Pakistan weiterhin nach Kräften unterstützen und sehe Indiens Aufstieg als direkte Bedrohung für China. Beide Länder seien nun einmal Konkurrenten, das lasse sich nicht einfach beiseite schieben. "Die beiden Länder haben offensichtlich große Unterschiede in ihren Zielen, teilen sich dabei aber den gleichen Kuchen. Es geht um die Frage, welches Land die dominierende Macht in Asien sowie eine globale Wirtschaftsmacht wird." 

Wunsch nach Multipolarität

Am Rande des Gipfels in der chinesischen Metropole Tianjin wird es nicht nur ein Treffen von Modi mit Chinas Präsidenten Xi Jinping geben, sondern auch mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Denn auch mit Russland pflegt Indien eine Partnerschaft. Die zu erwartenden Bilder von Modi mit Putin würden eine Botschaft senden, meint Shukla: Indien will mit vielen kooperieren, aber sich nicht fest binden.

Das ist die Außenpolitik, die Modi schon seit langem betreibt. "Indien wird von Tianjin aus signalisieren, dass es Multipolarität und regionale Gruppierungen schätzt. Auch wenn es bilaterale Herausforderungen und Probleme gibt, sollten sie im Interesse der Region zusammenarbeiten." 

"Es ist nicht schwarz-weiß"

Ist die Sorge vor einer neuen indo-chinesischen Partnerschaft und die Abkehr von den USA also unbegründet? Als Zeichen für eine solche Dynamik wurde vielfach die Entscheidung gedeutet, Direktflüge der indischen Fluggesellschaft Air India nach Washington ab Montag ihre Direktverbindung vorerst einzustellen - und eine direkte Verbindung nach Peking aufzunehmen. Doch so einfach sei es nicht, sagte Indiens Außenminister Subramanyam Jaishankar. Weder bei den Flügen noch sonst in Indiens Außenpolitik.  

"Es ist nicht schwarz-weiß. Es ist nicht so, dass etwas mit Amerika passiert ist, und dann sofort etwas mit China passiert. Wenn man sich die Dinge ansieht, die wir jetzt angekündigt haben: Das mit der Flugverbindung ist noch gar nicht entschieden. Wir haben nur begonnen, etwas vorzubereiten, an dem wir arbeiten wollten."

Tatsächlich heißt es lediglich, Air India habe gerade zu wenige Flugzeuge, die Verbindung nach Washington könnte in ein paar Monaten wieder aufgenommen werden. Und so könnte es sich auch mit den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten darstellen und sich mit der Zeit wieder entspannen. Jenseits aller Bilder vom Gipfel in China, die Narendra Modi lächelnd mit Xi Jinping und Wladimir Putin zeigen werden.

Benjamin Eyssel, ARD Peking, tagesschau, 31.08.2025 11:54 Uhr

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