Über den Wolken scheint immer die Sonne

Wie sollen Solarpaneele in der Nacht oder bei wolkenverhangenem Himmel Strom liefern? Was machen Windräder bei Flaute? Diese Einwände werden gern vorgetragen, um die Grenzen der erneuerbaren Energieträger für unsere Stromversorgung aufzuzeigen. Sonnenergie aus dem All hat mit diesen Problemen nicht zu kämpfen. Deshalb ist sie nicht nur ein Gedankenspiel in Science-Fiction-Werken, sondern auch Teil realer Wissenschaft.

Sonnenkollektoren im All können zumindest theoretisch beinahe konstant Strom liefern. Noch dazu umgehen sie ein weiteres heißes Eisen der hiesigen Energiewende: Weder Anwohner noch seltene Tiere können sich dort oben über Landschaftsverschandelung und Lebensraumzerstörung beschweren. Keine Bürgerinitiativen oder Umweltklagen mehr gegen erneuerbare Energien, wenn sie aus dem All kommen (der Verband der Außerirdischen hat bislang noch keine Stellung zum Thema bezogen).

Strom aus dem All: Baustein für die Klimaneutralität

Sonnenstrom aus dem All könnte die Kosten für Energie-Infrastruktur auf der Erde deutlich reduzieren, zeigen die Berechnungen der Forscher.Bildrechte: imago images/A. Friedrichs

Nun zeigt eine Studie vom King's College London, dass die weltraumgestützte Solarenergie einen entscheidenden Beitrag für die europäische Klimaneutralität bis 2050 leisten könnte. Die Forscher haben untersucht, wie man Anlagen im All am besten in das Stromnetz hier unten integrieren könnte. Die Zahlen, die sie in ihrer Simulation vorlegen, sind geradezu galaktisch: Bis zu 80 Prozent weniger Leistung an Windrädern und PV-Anlagen bräuchten wir hier auf der Erde und 70 Prozent weniger Batterieleistung.

Günstiger würde es auch werden: Die Gesamtkosten des europäischen Energiesystems würden um bis zu 15 Prozent sinken. Und das bei gleichzeitiger Klimaneutralität im Jahr 2050. Strom aus dem All, statt Energie aus Öl, Gas, Kohle oder Windrädern. Ist die solare Vollversorgung aus dem All zu schön, um wahr zu sein? Gewiss, die Simulation hängt an ein paar entscheidenden Faktoren, die auf dem Weg zum Strom aus dem All erfüllt sein müssten. So ist die Grundannahme der Forschenden, dass die Solarenergie aus dem Weltraum im Jahr 2050 insgesamt nur sechs- bis neunmal teurer ist als die Solarenergie am Boden. Aktuell ist sie technologisch noch nicht umsetzbar und wäre mindestens 100 bis 150-mal teurer.

Bienenstock oder Sandwich? Das sind die Konzepte für orbitale Sonnenenergie

Oben kommt Energie rein, unten wird es im europäischen Stromnetz verteilt: Illustration der weltraumgestützten SolarenergieBildrechte: Wei He

Die Überlegungen der Forscher um Wei He basieren auf zwei verschiedenen Konzepten für die weltraumgestützte Solarenergie. Beide Ideen stammen aus den Schubladen der Nasa; sie sind theoretisch durchdacht, praktisch aber noch nicht umgesetzt worden. Die erste Idee heißt "Innovative Heliostat Swarm". Man kann sich die Anlage wie einen Bienenstock vorstellen: Die Sonnenkollektoren sind wie Waben aufgebaut und kreisförmig in unterschiedlichen Höhen angeordnet. Die Waben leiten das Sonnenlicht zu einem Konzentrationspunkt, der weiter unten angebracht ist und den Strom umwandelt.

Das zweite Konzept nennt sich "Mature Planar Array" und ähnelt vom Aufbau einem Sandwich. Die Solarzellen sind auf der Oberseite eines großen eckigen Paneels aufgebracht und zur Sonne hin ausgerichtet. Auf der Unterseite sind Module angebracht, die den Strom umwandeln und Richtung Erde weiterleiten. Untersuchungen der NASA zufolge könnte der 'Bienenstock' konstanter Energie als das 'Sandwich' liefern.

Der lange Weg zur orbitalen Vollversorgung

Private Firmen wie SpaceX verringern die Kosten für die Raumfahrt und tragen dazu bei, Energie aus dem All möglich zu machen.Bildrechte: IMAGO / USA TODAY Network

Doch die Anlagen müssen erst einmal in den Orbit kommen. Das ist das erste Problem auf dem Weg zur Klimaneutralität mittels orbitaler Sonnen-Energie: Satelliten ins All zu schießen, wird zwar dank Firmen wie SpaceX und Origin günstiger, im Vergleich zu erdgebundenen Stromquellen ist die Lösung aber noch immer horrend teuer (und alles andere als klimafreundlich). Oben angekommen müssen sich die Anlagen in der Erdumlaufbahn selbst auspacken und aufbauen. Auch das ist technisch möglich und wurde an Satelliten bereits gezeigt; das Verfahren ist aber anspruchsvoll und fehleranfällig.

Im laufenden Betrieb werden die Solaranlagen zwar nicht durch Wolken und Dunkelheit beeinträchtigt. Dafür gibt es im Orbit aber jede Menge Weltraumschrott und Gesteins- oder Staubteilchen. Sonnenstürme können die sensible Technik beeinflussen. Und der Strom ist immer noch nicht auf der Erde angekommen. Die sinnvollste Methode ist es, die Energie aus dem All zu 'verpacken': Umgewandelt in Mikrowellen könnte man die Sonnenergie relativ verlustfrei verschicken.

Auf der Erde bräuchte es allerdings große Antennen, die die Mikrowellen auffangen, die Energie wieder entpacken und ins Stromnetz leiten. Die so genannten Rectennas, also richtenden Antennen, müssten mitunter mehrere Kilometer groß sein — Kontroversen um Flächen dürften also auch bei der weltraumgestützten Solarenergie aufkommen.

Immer noch Science-Fiction oder schon Real Science?

In Ihrer Studie bevorzugen die Forschenden aus London den 'Bienenstock' gegenüber dem 'Sandwich': Das "Innovative Heliostat Swarm"-Design gilt als konstanter, kostengünstiger und schneller verfügbar als das "Mature Planar Array"-Design. 2050 könnte der 'Bienenstock' unter günstigen Bedingungen in Europa zur Hauptenergiequelle werden.

Gleichzeitig wissen die Forscher um die vielen Hürden, die auf dem Weg zur Umsetzung noch zu meistern sind. Eine ganzheitliche Betrachtung des Energiesystems wie in ihrer Studie könne allerdings dabei helfen, heute noch fiktional wirkende Technologien morgen real am Markt und im Netz zu haben.

Links/Studien

Die Studie Assess space-based solar power for European-scale power system decarbonization von Wei He vom King's College London erschien am 21. August 2025 bei Joule.

Der Bericht Space-Based Solar Power erschien bei der NASA am 11. Januar 2024

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