Die sechste Verhandlungsrunde um ein internationales Plastikabkommen ist in Genf gescheitert. Damit endet ein dreijähriger Verhandlungsprozess ohne Abkommen. Ob es weitere Verhandlungen geben wird, ist noch offen. Eigentlich sollte ein globales Abkommen zur Plastikverschmutzung dazu beitragen, dass Meere und Land nicht weiter mit Plastik verunreinigt werden. Plastikverschmutzung hat weitreichende Folgen für Pflanzen, Tiere und Ökosysteme – aber auch für die menschliche Gesundheit. Zudem ist Plastik häufig erdölbasiert und erzeugt bei der Herstellung CO2; auch bei der Zersetzung in der Umwelt oder beim Verbrennen wird Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre abgegeben.

Dass es nicht gelungen ist, ein globales Abkommen zum Plastik zu verhandeln, sei aus ökologischer Sicht eine Katastrophe, sagt Henning Wilts, Abteilungsleiter für Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH. "Stattdessen werden wir den prognostizierten Anstieg der Produktionsmengen und damit auch der Abfallmengen sehen, mit denen auch ein verbessertes Recycling nicht Schritt halten können wird." Selbst weiten Teilen der Chemie- und Kunststoffindustrie sei bewusst, dass ein "Weiter so" kein tragfähiges Geschäftsmodell sein könne.

Ein klares Signal für die Wirtschaft bleibt aus

Ein globales Abkommen hätte aus Wilts Sicht die Weichen für eine Transformation hin zu zirkulärem Plastik stellen können – also weg von den Einwegprodukten und hin zu einer dauerhaften Nutzung. Das wäre auch für die Wirtschaft ein wichtiges Signal gewesen, weil man sich dann traut, in diesen Bereich zu investieren. Dieses Signal ist nun ausgeblieben. Wilts betont: "Wir sind zurück in einer Situation, in der jeder darauf wartet, dass der andere den ersten Schritt tut."

Wir sind zurück in einer Situation, in der jeder darauf wartet, dass der andere den ersten Schritt tut.

Henning Wilts, Abteilungsleiter für Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH.

Gescheitert seien die Verhandlungen aus seiner Sicht aufgrund des Egoismus einiger weniger Staaten, die vor allem ihre Chemie- und Kunststoffindustrie schützen wollten, sagt Henning Wilts. "Das Scheitern war in dem Moment absehbar, als sich auch die USA klar gegen ein Abkommen positioniert haben, das über besseres Abfallmanagement hinausgehen würde." Denn das wäre der große Wurf gewesen: ein Abkommen, das nicht nur regelt, wie Plastik entsorgt werden kann, sondern umfassende Vorgaben für die Produktion und Dauernutzung von Plastik macht.

Dazu würde beispielsweise auch eine erweiterte Herstellerverantwortung gehören – das bedeutet: Unternehmen, die Plastikprodukte herstellen und verkaufen, wären auch für die Entsorgung dieser Produkte verantwortlich. Das würde Einweg-Plastikartikel unter Umständen deutlich weniger profitabel machen.

Ölproduzierende Länder werden kaum vom Plastik ablassen

Die Meeresbiologin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat die Verhandlungen in Genf persönlich verfolgt. Für sie hängt das Scheitern der Verhandlungen auch damit zusammen, dass aktuell der Druck auf öl- und gasproduzierende Länder aufgrund der Klimavorgaben ohnehin zunimmt: "Da künftig weniger fossile Brennstoffe verbrannt werden dürfen, um die Pariser Klimaziele einzuhalten, sollen diese vermehrt als Rohstoff für Kunststoffe eingesetzt werden." Diesen Plan B werden die betroffenen Länder nicht kampflos aufgeben, so die Prognose der Biologin. "Auch, wenn dies die Klimakrise weiter befeuern und zulasten der Umwelt und unserer Gesundheit gehen wird."

Welche Lösungen kann es also künftig für das globale Plastikproblem geben? An globalen, politischen Abkommen führt bei der Begrenzung der Plastikflut eigentlich kein Weg vorbei. Dabei gibt es bereits jetzt diverse Ideen aus der Forschung, mit denen sich die Plastikflut wesentlich eindämmen ließe.

Plastik besteht aus mehr Chemikalien als gedacht

Eine internationale Studie zeigt, dass in Plastik deutlich mehr Unterstoffe enthalten sind, als bisher bekannt. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Plastik die Härte oder die Farbe bekommt. 16.325 Chemikalien konnten im Zuge der Studie bei der Plastikproduktion identifiziert werden. Dass so viele unterschiedliche Chemikalien, noch dazu in unterschiedlichen Reinheitsgraden, im Plastik verwendet werden, macht das Recycling schwer bis unmöglich. Damit es tatsächlich recycelt werden kann, müsste das Plastik wieder in seine Grundstoffe zurückverwandelt werden.

DDR-Kunststoff als Vorbild

Der Vorschlag des Verfahrenstechnikers Michael Braungart wäre: Die Zahl der eingesetzten Chemikalien auf vier oder fünf Kunststoffe reduzieren. Ein historisches Beispiel, das der Forscher in diesem Zusammenhang nennt, ist die Plastikproduktion in der DDR. Damals habe es quasi nur einen einzigen Kunststoff gegeben, genannt Polypropylen. Reines Nylon oder reines PET könnten heutzutage ähnliche Eigenschaften bieten und wären dabei im Gegensatz zu Polypropylen transparent, erklärt der Forscher. Ein solches, reineres Plastik ließe sich deutlich besser recyceln, so Baumgart. Allerdings auch nicht unendlich oft. Aus gesundheitlicher Sicht hätte Plastik mit weniger Bestandteilen ebenfalls Vorteile: Aktuell ist die Zusammensetzung so vielfältig, dass nicht mehr ermittelt werden kann, welche der im Plastik verwendeten Stoffe auf die menschliche Gesundheit wirken und welche nicht. Wären nur fünf Bestanteile im Plastik, könnte man diese zumindest intensiv beforschen.

Pilze können manche Kunststoffe aus der Umwelt entfernen

Auch daran, wie Plastik nachträglich noch aus der Umwelt entfernt werden kann, forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Etwa der Biologe Hans-Peter Grossart. Er leitet die Forschungsgruppe "Aquatische mikrobielle Ökologie". Sein Team und er haben mehrere Pilzarten identifiziert, die Mikroplastik abbauen können. Die Pilze siedeln auf Kunststoffoberflächen und können die Verbindungen mit speziellen Enzymen aufbrechen. Dann verspeisen sie den Kunststoff ganz einfach. Das funktioniert aber nur, wenn im Plastik keine Schwermetalle und Toxine enthalten sind. Aktuell arbeiten die Pilze im Labor an der Plastikzersetzung, ein Praxisverfahren im großen Maßstab fehlt noch.

Die beiden Beispiele zeigen: Lösungen für die Plastikflut gäbe es aus wissenschaftlicher Sicht viele. Damit die flächendeckende Umsetzung dieser Lösungen aber wirtschaftlich wird und somit in großem Maßstab umgesetzt werden kann, braucht es klare politische Signale. Ein globales Abkommen dazu ist nun gescheitert, aber auf europäischer Ebene wird es mit der EU-Verpackungsordnung PPWR ab August 2026 strengere Richtlinien für Plastikverpackungen geben. Ab 2030 soll es dann innerhalb der EU nur noch recycelbare Verpackungen geben – mit einigen Ausnahmen. Das wäre vermutlich das Ende von Einweg-Plastikprodukten in Europa, stattdessen soll ein Mehrwegsystem etabliert werden. Auch ohne ein globales Abkommen ist das schon ein gutes Signal.

Ambitionierte Staaten vs. globale Lösungen

Aleke Stöfen-O’Brien ist Professorin für Ocean Sustainability im schwedischen Malmö. Sie findet: "Auch ohne einen internationalen Vertrag bestehen vielfältige Möglichkeiten, das Plastikproblem global zu adressieren. Staaten, die bereit sind, ambitioniert voranzugehen, können Standards setzen, Märkte beeinflussen und damit eine Vorreiterrolle einnehmen." Auch freiwillige Initiativen und regionale Bündnisse könnten wirksame Hebel in Bewegung setzen, findet die Professorin. Mehrere andere Expertinnen und Experten betonen allerdings nach dem Scheitern des Plastikabkommens, dass es nach wie vor globale, umfassende Richtlinien bräuchte, die auch die Herstellung von Kunststoffen umfassen.

Das Ziel muss übrigens nicht sein, Kunststoffe komplett zu verbieten, denn sie haben auch sehr günstige Eigenschaften. Beispielsweise ihr geringes Transportgewicht und ihre Dauerhaftigkeit. Alternative Materialien könnten sogar noch größere Umweltauswirkungen haben, ergibt eine Studie der ETH Zürich von 2021. Aus Sicht der Studienautoren ergibt es am meisten Sinn, die Umweltauswirkungen von Kunststoffen an jedem Punkt ihres Lebenszyklus' zu reduzieren. Also beispielsweise kein Plastik mit Kohlestrom zu produzieren.

Aktuell werden 9,5 Prozent recycelt

Längerfristig müssten Plastikprodukte in eine Kreislaufwirtschaft überführt werden, in der das Plastik möglichst lange weitergenutzt wird und nicht in die Umwelt gelangt. Im Jahr 2022 lag die Recyclingquote für Plastik übrigens bei 9,5 Prozent, wie eine Studie im Journal Nature ermittelt hat. Die globale Produktion von Plastik wird sich bis 2050 vermutlich noch verdoppeln. Der Druck, die damit einhergehende Plastikflut einzudämmen, dürfte also weiter steigen.

Links/Studien

Tapping into fungal potential: Biodegradation of plastic and rubber by potent Fungi - Studie über Pilze, die Plastik abbauen können.

Complexities of the global plastics supply chain revealed in a trade-linked material flow analysis, die Studie im Journal Nature hat Recyclingquoten von Plastik ermittelt.

Studie der ETH Zürich über globale Plastikproduktion und den damit verbundenen CO2-Fußabdruck: Growing environmental footprint of plastics driven by coal combustion

iz mit smc

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