Nach den heftigen Kämpfen im Süden Syriens gilt seit wenigen Wochen eine Waffenruhe. Doch die Stimmung ist angespannt, viele Menschen konnten nicht in ihr Zuhause zurückkehren - und sie befürchten neue Gewalt.
Wenn Shadi aus Damaskus nach Hause kommt, ist seine Familie froh, dass er unbeschadet zurück ist. Shadi ist Druse, er gehört einer religiösen Minderheit in Syrien an und fürchtet deshalb Übergriffe von Islamisten. "Es ist sehr unsicher für uns", sagt er. "Ich habe Angst, das Haus zu verlassen, Angst, meine Tochter auf die Straße zu schicken."
Täglich schauen sie die Nachrichten, beobachten mit Sorge die Gewalt gegen Drusen, so wie in Suwaida im Süden Syriens vor wenigen Wochen. "Ich habe ein Haus in Suweida", erzählt Shadis Frau Dima. "Es ist abgebrannt, weg - was in Suweida passiert ist, ist ein Verbrechen. Mein Bruder hat jetzt kein Zuhause mehr."
Drusische Milizen und sunnitische Beduinenstämme lieferten sich im Juli in Suwaida heftige Kämpfe. Es gibt Berichte über brutale Übergriffe auf Zivilisten von beiden Seiten. Truppen der syrischen Übergangsregierung schritten ein. Doch die Drusen werfen ihnen vor, gemeinsame Sache zu machen mit den bewaffneten islamistischen Gruppen. Ein weiteres Problem für die Drusen: Sie werden von Israel unterstützt und gelten damit für viele Syrer als Verräter.
"Ich habe überlegt, das Baby zurückzulassen"
Angst vor neuer Gewalt haben auch die Beduinen, die vor den Kämpfen geflohen sind. In einer Schule nördlich von Suwaida sind viele Familien untergekommen. Sie werfen den drusischen Milizen vor, dass auch diese Gräueltaten begangen hätten.
Umm Semous Baby war erst vier Tage alt, als sie fliehen musste. "Ich habe überlegt, das Baby zurückzulassen", sagt sie. "Weil wir beschossen wurden. Um die älteren Kinder tragen zu können und wegzurennen."
Die Kinder haben Schreckliches gesehen, sind traumatisiert. Der kleine Zaid will den Schlüssel seines alten Zuhauses nicht mehr loslassen. Die 14-Jährige Inas wurde bei den Kämpfen verletzt. Sie sieht in Suwaida keine Zukunft. "Wenn die Drusen Suwaida verlassen, kehren wir zurück", sagt sie. "Aber wenn sie bleiben, können wir nicht wieder nach Hause."
Sorgen auch bei Christen
Vieles ist zerstört in Syrien - vor allem aber das gegenseitige Vertrauen. Erreichen die verschiedenen Volks- und Religionsgruppen jemals ein friedliches Miteinander? Machthaber al-Scharaa verspricht das, doch hält er es auch? Im Frühjahr gab es bereits Massaker von Islamisten an einst Assad-treuen Alawiten. Die Täter wurden bislang nicht zur Rechenschaft gezogen.
Beten für den Frieden in Syrien - das tun auch die Christen des Landes. Reem und ihre Familie machen sich große Sorgen. Vor wenigen Wochen gab es einen Terroranschlag auf eine Kirche nahe Damaskus, um ein Haar wäre Reems Tochter unter den Opfern gewesen. Die Familie will Syrien verlassen. "Ich habe eine Schwester in Deutschland", sagt Reem. "Wir müssen dringend weg. Wir sehen hier einfach keine Zukunft für die Kinder."
Auch Shadi, der Druse, traut der Waffenruhe nicht. Gemeinsam mit den Kurden fordern die Drusen, Syrien zu einem förderalen Staat zu machen, in dem Minderheiten gleiche Rechte haben. Und das haben sie vielleicht gemein, die verschiedenen Gruppen in Syrien: Sie alle hoffen auf eine friedliche Zukunft.
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