Der Krieg in der Ukraine zieht Söldner aus aller Welt an - auch aus Kolumbien. Doch viele wissen nicht, in welche Art von Krieg sie sich begeben. Davon aber zu berichten, ist gefährlich.

Es sind Bilder von der Front in der Ukraine, die Jaycob auf seinem TikTok-Kanal postet. Mal steht er in voller Kampfmontur im Schützengraben, im Hintergrund hört man Gefechte. Oder er posiert schwer bewaffnet vor der Kamera.

Jaycob ist Kolumbianer, einer von vermutlich Hunderten, die in den Ukraine-Krieg gezogen sind - tausende Kilometer entfernt von seiner Heimat. Das Gehalt habe ihn gelockt, erzählt er. 3.000 US-Dollar monatlich zahle die Ukraine. Als Soldat in Kolumbien verdiene man trotz des Risikos nur etwa 400 Dollar.

Er habe endlich sorgenfrei leben wollen - doch länger als sechs Monate hielt Jaycob es in der Ukraine nicht aus. Der Krieg, erzählt er im Videointerview, sei extrem brutal. "Wenn die Ukraine sechs Drohnen schickt, antwortet Russland mit 150 Drohnen."

Wo Jaycob sich Kolumbien aufhält, will er nicht verraten. Der Ex-Soldat hält sich aus Angst versteckt. Er habe Drohungen bekommen, weil er von der Realität des Kriegs erzähle und Mittelsmännern in seinem Land das Geschäft mit den kolumbianischen Söldnern verderbe.

Jacob behält seinen Aufenthaltsort lieber für sich. Kritische Berichte über den Krieg in der Ukraine stören die Geschäfte derer, die Söldner vermitteln.

Kampferfahren durch den Guerillakrieg

Tatsächlich sind Söldner aus dem südamerikanischen Land in vielen Konflikten weltweit vertreten. Aktuell kämpfen Kolumbianer im Bürgerkrieg im Sudan. Auch mexikanische Kartelle nutzen sie als militärische Dienstleister, die paramilitärische Einheiten in Taktik, militärischer Führung und Waffengebrauch schulen. In der Vergangenheit kämpften die Söldner in Afghanistan und Irak. Und jetzt zu hunderten in der Ukraine.

Viele sind Ex-Soldaten, die aus dem jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt in ihrer Heimat Erfahrung mitbringen. Linke Guerillas kämpfen in einigen Regionen Kolumbiens gegen rechte Paramilitärs und das Militär. Auch Jaycob kämpfte als Soldat in seiner Heimat gegen Guerillas und Drogenkartelle.

Die Ukraine umwirbt Männer wie ihn, nennt sie "Freiwillige", nicht Söldner. Die Bewerbung bei der Fremdenlegion der Ukraine wirkt denkbar einfach. Man dürfe keine Vorstrafen haben, keine chronischen Krankheiten und brauche relevante Erfahrung. Dann werde man als internationaler Legionär Teil der Streitkräfte der Ukraine.

Angriffe auch auf die Retter

Jaycob berichtet, er sei an der Front und als Sanitäter eingesetzt worden. Doch der Konflikt in Kolumbien sei harmlos im Vergleich zum Ukraine-Krieg. Er habe viele Kameraden sterben sehen. "Man kämpft gegen eine Weltmacht", sagt er.

Auch ein anderer Rückkehrer, der anonym bleiben will, erzählt, dass er in einigen Einsätzen nur mit Mühe überlebt habe. Am Boden bewege man sich auf vermintem Gelände, in der Luft kreisten Drohnen. Falle ein Soldat, lasse Russland eine Drohne in seiner Nähe. Falls Kameraden kommen, um den Leichnam zu bergen, würden auch sie angegriffen. Es sei ein Szenario wie in einem Kriegsfilm aus Hollywood, sagt der Mann.

Kolumbiens linksgerichteter Präsident Petro ist wenig begeistert, dass Landsleute in Kriege im Ausland ziehen. Petro sieht das Söldnertum als eine Art Menschenhandel und will ein Gesetz verabschieden, das das Söldnertum verbieten soll.

Auf dem Heimflug verhaftet

Das Problem sei, sagt Cielo Paz, dass Soldaten in Kolumbien einfach zu wenig verdienen. Cielo sitzt in ihrem spärlich eingerichteten Wohnzimmer im Armenviertel von Popayán, einer Stadt drei Stunden südlich von Cali. An der Wand hängt ein Foto von ihr und ihrem Mann, José Medina. Die Familie hat ein Haus gebaut und Schulden bei der Bank. Das Gehalt das José als Sicherheitsmann verdiente, reichte nicht, um sie zu tilgen. Davor arbeitete auch er als Soldat in Kolumbien für etwa 350 US-Dollar im Monat. 

Von einem Freund habe José von dem Einsatz in der Ukraine gehört, erzählt Cielo. Die Entscheidung, dass José in den Krieg tausende Kilometer entfernt ziehen soll, bereuten sie heute. Sie hätten nicht gewusst, auf was sie sich einlassen, sagt Cielo.

José habe von Toten erzählt, von Drohnen und Artillerie, und dass der Krieg ganz anders sei als der Konflikt in Kolumbien. Auch José wollte schnell wieder nach Hause, war bereits auf dem Rückweg, als er bei einer Zwischenlandung in Venezuela festgenommen wurde. Venezuelas autoritärer Machthaber Nicolas Maduro und Russlands Präsident Wladimir Putin sind Verbündete, und Venezuela übergab den Kolumbianer den Russen.

Auf dem russischen Propagandasender "Russia Today" kursieren Bilder von José Medina in Handschellen. Wann Celia Paz ihren Mann wiedersieht, weiß sie nicht. Wird Medina als Söldner angeklagt, droht ihm eine hohe Haftstrafe. "Sie haben uns alle mit eingesperrt, meine Familie, meine Kinder", sagt sie. "Wir finden keinen Frieden. Es ist extrem hart."

Cielo Paz' Mann ist nun in russischer Haft - wann er freikommt, ist ungewiss.

"Kolumbianer sind häufig Kanonenfutter"

Vor kurzem demonstrierten Angehörige der Söldner in Kolumbiens Hauptstadt Bogota, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Die Informationen über das Schicksal der Kämpfer und Gefallenen sind spärlich. Die Rückführung Gefallener in die Heimat gestaltet sich schwierig.

Jaycob, der Rückkehrer, rät anderen Landsleuten davon ab, in die Ukraine zu gehen. Sie sollten sich nicht von wirtschaftlichen Versprechen locken lassen. Kolumbianer, sagt er, seien häufig Kanonenfutter, und das Söldnertum sei für die Mittelsmänner nicht mehr als ein Geschäft mit Menschen und mit dem Tod.

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