Inhalt des Artikels:

  • Geschichte verborgen im Meer
  • Geheimnisvolles Schiffswrack der Gagliana Grossa
  • Matsch kostbarer als Gold
  • Archäologie unter Wasser – ein Knochenjob
  • Mitmachen ausdrücklich erwünscht

Badehose, Sonnencreme, Strandliteratur – so packt der klassische Kroatienurlauber. Bei Familie Siepenkötter kommt da deutlich mehr zusammen: Kompressoren, Feuerwehrpumpen, Tauchflaschen, etliche Kilo Blei – und jede Menge Neugier. Denn Christa und Herbert Siepenkötter sind leidenschaftliche Sporttaucher mit einer besonderen Vorliebe für kroatische Gewässer. Doch nicht die üblichen Tauchreviere reizen sie – sie suchen nach verborgenen Schätzen. Seit mehr als zehn Jahren unterstützen sie kroatische Unterwasserarchäologen und helfen ehrenamtlich, jahrhundertalte Schiffswracks zu erkunden.

Taucher-Team mit Christa und Herbert Siepenkötter (re.)Bildrechte: Christa Siepenkötter

Geschichte verborgen im Meer

Christa Siepenkötter gerät ins Schwärmen, wenn sie über ihr ungewöhnliches Hobby spricht: "Wenn man unten ist, hat dieses Arbeiten am Wrack fast etwas Meditatives. Wir legen Geschichte frei – da sind Dinge im Sediment begraben, die Menschen vor Jahrhunderten benutzt haben. Man weiß nie, was einen als nächstes im Sand erwartet. Das macht es doch sehr spannend. Und wir tragen mit unserem Hobby zur wissenschaftlichen Forschung bei."

Experten gehen von hunderten, wenn nicht gar tausenden archäologischen Fundstätten in der Adria aus, die von steinzeitlichen Siedlungen bis zu gesunkenen modernen Yachten und abgestürzten Flugzeugen reichen. Eine der führenden Unterwasserarchäologinnen Kroatiens ist Dr. Irena Radić-Rossi von der Universität Zadar – sie hat ihre Karriere den Fundstätten der Adria gewidmet. Seit Jahren legen sie und ihre Studenten unter der Meeresoberfläche Schicht für Schicht stumme Zeugen der Geschichte frei.

Dr. Irena Radić-Rossi (li.), Unterwasserarchäologin von der Universität ZadarBildrechte: Vedran Dorušić

Geheimnisvolles Schiffswrack der Gagliana Grossa

Besonders angetan haben es ihr Schiffe aus dem 16. und 17. Jahrhundert, einer Glanzzeit des Schiffsbaus im Mittelmeer. "Ich werde oft gefragt, welches Wrack mein Lieblingswrack ist. Das ist schwer zu beantworten, aber wenn ich mich entscheiden müsste, wäre es wahrscheinlich die Fundstätte der Gagliana Grossa bei der Insel Gnalić", verrät die Archäologin. Es ist ein venezianisches Handelsschiff, das Ende des 16. Jahrhunderts Waren von Venedig nach Istanbul transportierte und vor der kroatischen Küste Schiffbruch erlitt.

"Die geladenen Waren sind in den venezianischen Archiven ebenso penibel aufgeführt wie die gesamte Geschichte des Schiffes und der Besatzung zum Zeitpunkt des Schiffbruches. Das bietet uns einen faszinierenden Einblick in den venezianischen Handel und Schiffsbau vom Ende des 16. Jahrhunderts", schwärmt Radić-Rossi. Die Gagliana Grossa hatte eine Ladekapazität von 720 Tonnen – da verwundert es nicht, dass selbst heute, knapp 60 Jahre, nachdem das Wrack entdeckt wurde, noch Teile der Ladung geborgen werden.

Alter Schmuck aus der AdriaBildrechte: Christa Siepenkötter

Matsch kostbarer als Gold

Wer auf Goldkisten und -münzen wie aus Piratenfilmen hofft, wird allerdings enttäuscht – die wahren Schätze sind oft unscheinbar. Christa Siepenkötter weiß mittlerweile, dass manchmal die skurrilsten Funde zu wahren Begeisterungsstürmen der Archäologen führen: "Das mit den Piratenschiffen entspricht nicht der Realität. Ab und zu gibt es zwar tatsächlich Münzfunde, aber das ist gar nicht so das Spannende. Mein Mann Herbert tauchte einmal mit etwas auf, das für mich wie ein Klumpen Matsch aussah, eine Doktorandin jedoch in helle Aufregung versetzte. Darin enthalten waren nämlich Farbpigmente, nach denen sie schon lange gesucht hatte. Für das ungeübte Auge war es lediglich Matsch, für die Expertin der entscheidende Hinweis, der die Doktorarbeit voranbringt."

Fundstück aus archäologischen Unterwasseruntersuchungen in der Adria.Bildrechte: Christa Siepenkötter

Archäologie unter Wasser – ein Knochenjob

Matsch ist tatsächlich das alles beherrschende Thema, denn die Hauptaufgabe der Sporttaucher besteht darin, mit langen Schläuchen, die an Pumpen angeschlossen sind, den Sand und die Ablagerungen von der Fundstätte so gut es geht zu entfernen. Man kann sich das wie übergroße Unterwasserstaubsauger vorstellen, mit denen das Wrack Stück für Stück freigelegt wird. Je nach Tiefe kann das mehrere Stunden dauern und ist harte Arbeit, fernab eines Indiana-Jones-Glamours, den man sich vielleicht darunter vorstellen mag.

Absaugen von Sand und Ablagerungen bei der Freilegung eines gesunkenen SchiffswracksBildrechte: Christa Siepenkötter

"Die Arbeit der Unterwasserarchäologen klingt oft romantisch – ist aber harte, körperlich fordernde Realität. Sie sind den ganzen Tag im Wasser und müssen mit schweren Schläuchen und Pumpen hantieren. Man muss Unmengen an Tauchflaschen an Bord und wieder runter schleppen und ist dauernd in Bewegung. Es ist physisch sehr anstrengend. Man muss schon eine Menge Begeisterung mitbringen, damit einem so eine Expedition auch nach ein paar Tagen noch Spaß macht", weiß Unterwasserarchäologin Radić-Rossi.

An Begeisterung fehlt es Christa Siepenkötter und ihren Mittauchern von der Tauchbasis Koblenz nicht: "Eine Aufgabe, die mir mal großen Spaß gemacht hat, war das Auffinden und Kennzeichnen von Nagellöchern im Holz. Wir sind weit davon entfernt, das fachlich einordnen zu können, denn wir sind Grabungshelfer. Doch können wir als Sporttaucher einen wichtigen Beitrag zu den archäologischen Untersuchungen vor Ort leisten." Ein bescheidener Anspruch, hinter dem viel Engagement steckt.

Taucher und Unterwasserarchäologen an Bord eines Schiffes in der AdriaBildrechte: Christa Siepenkötter

Mitmachen ausdrücklich erwünscht

Die Unterstützung der Koblenzer Hobbytaucher ist für die Wissenschaftler in Kroatien längst unverzichtbar geworden – nicht nur wegen der zusätzlichen Hände. Denn neben Knowhow und Manpower bringen die begeisterten Sporttaucher auch Ausrüstung und Finanzen mit. "Mit kleinem Team und kleinem Geld lässt sich vielleicht nur eine Woche lang arbeiten. Mit größerem Team und mehr Finanzvolumen, das wir ja mitbringen, lässt sich so eine Grabungskampagne doch etwas länger durchführen", weiß Christa Siepenkötter. Denn das kroatische Kulturministerium kann solche Ausgrabungen nur in einem begrenzten Umfang finanzieren, und auch das nur über Ausschreibungen, in denen sie mit anderen Projekten zum Kulturerhalt konkurrieren.

Deshalb freut sich Dr. Radić-Rossi über jeden begeisterten Sporttaucher, der seine Hilfe bei den Untersuchungen anbietet: "Wenn Sie diese Magie und Leidenschaft der Unterwasserarchäologie mal hautnah miterleben möchten, können Sie sich uns gerne anschließen – vorausgesetzt, Sie bringen die nötige Taucherfahrung mit und scheuen körperliche Arbeit nicht." Wer also bereit ist, sich in Neopren zu zwängen, Sand zu saugen und mit Herzblut alte Holzplanken zu inspizieren, kann diese besondere Form des Kulturerhalts selbst erleben. Kroatienurlaub einmal ganz anders – tiefgründig und voller Entdeckungen.

Unterwasserarchäologie: Wer darf als Taucher mitmachen? (bitte aufklappen)

Wer bei "Ausgrabungen" unter Wasser in kroatischen Gewässern helfen will, muss folgende Anforderungen erfüllen:

  • Tauchschein mindestens Stufe 2 ("Advanced")
  • Tauchsportärztliches Attest
  • Tauchversicherung
  • An- und Abreise in Eigenregie


Kontakt Dr. Irena Radić-Rossi: [email protected]

Taucher bei der archäologischen Untersuchung eines Schiffswracks in kroatischen GewässernBildrechte: Christa Siepenkötter

MDR (baz)

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