Seit Anfang Woche treffen sich an einer Konferenz in Genf für drei Tage Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten aus aller Welt. Ein erfreulicher Anlass für die Stadt, doch sie bangt um ihre Zukunft als internationale Drehscheibe, wie Westschweiz-Korrespondent Roman Fillinger darlegt.
Wie einschneidend fällt der Abbau bei der UNO aus?
Wie viele Stellen bei der UNO und anderen internationalen Organisationen in Genf verschwinden, ist noch nicht abschliessend klar, doch es dürften eher Tausende als Hunderte sein. Allein beim UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge fällt knapp die Hälfte der Führungskräfte am Genfer Hauptsitz weg. Bei der Weltgesundheitsorganisation WHO sind bis zu 1000 Stellen bedroht. Dramatisch ist der Abbau etwa bei Unaids gegen HIV/Aids, wo in Genf noch 19 von bisher 127 Stellen verbleiben.
Was sind die Gründe für den Stellenabbau?
Der Abbau ist nicht allein auf die Budgetkürzungen der Trump-Regierung zurückzuführen. Auch andere Länder haben die Entwicklungszusammenarbeit zusammengestrichen. Das Vereinigte Königreich etwa oder auch die Schweiz. Zudem läuft in der UNO ein Spar- und Umbauprozess, der Genf massiv trifft. Wie gross die Ängste sind, zeigt eine Art Misstrauensantrag von 600 UNO-Angestellten gegen UNO-Generalsekretär António Guterres.
Wie wirkt sich der Abbau auf die Genfer Wirtschaft aus?
Die gut 35'000 Personen, die in Genf bei der UNO und anderen internationalen Organisationen arbeiten, sind ein Wirtschaftsfaktor: Sie verdienen in der Regel gut, mieten Wohnungen, gehen essen, einkaufen und fahren Taxi. Dazu kommen jährlich Tausende Sitzungen und Konferenzen. Diese Woche sorgen die Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten der Welt für volle Luxushotels, volle Restaurantkassen und Betrieb auf dem Flughafen. Der Bund schätzt, dass das internationale Genf rund vier Milliarden Franken zur Wirtschaftsleistung der Schweiz beiträgt. Im Kanton Genf sind es über zehn Prozent.
Ist die Schweiz zu teuer?
Das Buhlen um internationale Organisationen gab es schon immer. Doch die Konkurrenz ist angesichts der Spar- und Reformpläne stärker geworden. Aber letztlich ist für Genf wohl weniger diese Konkurrenz das Problem, sondern dass insgesamt weniger Geld für multilaterale Zusammenarbeit ausgegeben wird.
Wäre dieser Mikrokosmos Genf in leicht reduzierter Form derart bedroht?
Ein Stück weit kann dieser weltweit einzigartige Mikrokosmos von Organisationen auch verkleinert funktionieren, aber nicht unbegrenzt. Er lebt davon, dass auf kleinem Raum viele Akteure aller Sparten zusammenkommen. Fallen diese weg oder ziehen woanders hin, bedroht das irgendwann diesen Mikrokosmos als Ganzes. Verstärkt wird die Sorge, weil Genf auch im Rohstoffhandel eine Drehscheibe ist und wichtige Akteure in andere Staaten wegziehen könnten, die der Branche teils noch weniger Vorschriften machen als die Schweiz.

Was wird getan, damit Genf eine Weltstadt der Diplomatie bleibt?
Bund, Kanton Genf und Private versuchen mit Krediten und Finanzbeiträgen, das internationale Genf zu stützen. Der Kanton Genf hat zusammen mit einer privaten Stiftung eine Organisation gegründet, welche die internationalen Organisationen in dieser schwierigen Zeit mit insgesamt 50 Millionen Franken unterstützen soll. Der Bundesrat will, wenn das Parlament zustimmt, in den kommenden vier Jahren 269 Millionen beisteuern. Aber all das kann die vielen Hundert Millionen Dollar aus den USA, die jährlich wegfallen, nicht wettmachen.
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