Deutschland will zusammen mit Jordanien die Menschen im Gazastreifen mit humanitären Gütern versorgen. Dazu sollen Nahrung und Medikamente aus Flugzeugen abgeworfen werden. Kanzler Friedrich Merz sagte, man werde zusammen mit Jordanien und in Absprache mit Frankreich und Grossbritannien vorgehen. Über Merz' Beweggründe weiss die Journalistin Claudia Kade mehr.
SRF News: Welches Signal sendet Kanzler Merz mit der angekündigten Luftbrücke aus?
Claudia Kade: Er will vor allem zeigen, dass man statt immer nur von der israelischen Regierung etwas zu fordern, jetzt selber handeln will – und muss. Israel soll so unter Druck gesetzt werden, und man will so quasi in eine moralische Vorleistung gehen, um auch Israel zum Handeln zu bewegen.
Von NGOs kommt Kritik an der Hilfe aus der Luft. Warum setzt Merz trotzdem auf diesen Weg?
Der deutschen Regierung ist klar, dass ihre Hilfe aus der Luft nur ein kleiner Teil sein kann und der Abwurf mit Risiken für die Menschen am Boden behaftet ist. Merz ist aber wichtig, im internationalen Verbund zu handeln – also jetzt zusammen mit Jordanien und in Absprache mit Frankreich und Grossbritannien.
Kanzler Merz verliert offenbar langsam die Geduld mit Israel.
Zudem will Merz Israel zunächst nicht mit Sanktionen oder ähnlichem vor den Kopf stossen. Merz verliert offenbar langsam die Geduld mit Israel. Jetzt unternimmt er immerhin etwas, bevor er allenfalls in eine härtere Gangart gegenüber Premier Benjamin Netanjahu schalten wird.
Welche Massnahmen oder Sanktionen könnte Merz forcieren?
Offenbar steht man in Berlin kurz davor, einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Israel einzuleiten. Bislang ist für die deutsche Regierung das Existenzrecht Israels «Staatsräson» – aus historischen Gründen. Doch Merz schliesst nun nicht mehr aus, Sanktionen gegen Israel zu verhängen. Dazu gehört womöglich eine Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel – was aber auch für Deutschland selber nicht ganz schmerzfrei wäre.
Warum kommt die Kehrtwende in der deutschen Israel-Politik gerade jetzt?
Merz ist in den letzten Tagen bezüglich der Situation in Gaza unter starken Druck geraten – aus Frankreich und Grossbritannien etwa. Und auch aus der eigenen Koalition wird der Druck auf den Kanzler immer grösser, etwas zu tun. So brachte Aussenminister Johann Wadephul schon vor längerem eine härtere Gangart gegenüber Israel ins Gespräch. Die Einschätzungen gehen in die Richtung, dass man angesichts des Leids in Gaza nicht mehr länger bloss zuschauen kann.
Der Umgang mit der israelischen Regierung steht auf dem Prüfstand.
Wie bedeutend ist also der Schritt in der deutschen Israel-Politik?
Es ist eine neue Dimension: Bisher versuchte man, hinter verschlossenen Türen mit Netanjahu zu reden. Das hat sich jetzt geändert. So hat Merz etwa auch das deutsche Sicherheitskabinett einberufen, ein ungewöhnlicher Schritt. Die Situation im Gazastreifen wird also als sehr dramatisch eingeschätzt und der Umgang mit der israelischen Regierung steht auf dem Prüfstand.
Das Gespräch führte Raphaël Günther.
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