Israel weitet seine Angriffe im Gazastreifen aus. Dabei sind nun offenbar auch eine Mitarbeiterunterkunft und ein Lager der Weltgesundheitsorganisation ins Visier geraten. Von UN-Vertretern kommt scharfe Kritik.
Bei ihrem Vorrücken im Gazastreifen hat Israels Armee nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Lagerhäuser und eine Mitarbeiterunterkunft der Organisation gestürmt. Frauen und Kinder der WHO-Mitarbeiter seien dazu gezwungen worden, zu Fuß inmitten von Kampfhandlungen zu fliehen, teilte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Plattform X mit.
Männliche WHO-Mitarbeiter und männliche Angehörige seien bei dem Vorfall in Deir al-Balah im mittleren Gazastreifen in Handschellen gelegt, durchsucht und mit vorgehaltener Waffe verhört worden. Zwei Mitarbeiter und zwei Angehörige seien festgenommen, drei von ihnen wieder freigelassen worden. Einer von ihnen befinde sich weiter in israelischer Haft, so der WHO-Chef weiter. Die Organisation verlangt seine Freilassung.
Explosionen im WHO-Hauptwarenlager
In Deir al-Balah befindet sich auch das zentrale Warenlager der WHO für den Gazastreifen. Dieses sei bereits am Sonntag beschädigt worden - infolge eines Angriffs habe es Explosionen und einen Brand gegeben, schrieb Tedros.
Auch die anderen Lager befänden sich in dem von Israel als Kampfzone definiertem Gebiet und seien deshalb nicht mehr in Betrieb. "Dies schränkt unsere Fähigkeit ein, in Gaza tätig zu sein, und bringt das Gesundheitswesen in Gaza dem Zusammenbruch näher." Eine Waffenruhe sei nicht nur notwendig, sondern überfällig, fügte er hinzu.
Israel startet Offensive in Deir al-Balah
Israels Armee äußerte sich zunächst nicht zu den Vorfällen. Panzer waren gestern erstmals in die südlichen und östlichen Bezirke von Deir al-Bala vorgerückt. Das israelische Militär hatte zuvor die Ausweitung ihres Einsatzes gegen die Terrororganisation Hamas auf das Zentrum des Gazastreifens um die Stadt Deir al-Balah verkündet.
Die Armee forderte Tausende Palästinenser dazu auf, die betroffenen Stadtteile in Richtung Al-Mawasi zu verlassen. Die Zeltsiedlung an der Mittelmeerküste definiert Israel als sicheren Rückzugsraum für Zivilisten. Allerdings hatte es in der Vergangenheit auch dort schon israelische Angriffe mit vielen Toten gegeben.
"Die letzten Lebensadern brechen zusammen"
Unterdessen verurteilte UN-Generalsekretär António Guterres erneut die sich weiter verschlechternde humanitäre Situation im Gazastreifen nach mehr als 21 Monaten Krieg. "Die letzten Lebensadern, die die Menschen am Leben halten, brechen zusammen", erklärte Guterres' Sprecher Stéphane Dujarric. Guterres beklage zudem "die zunehmenden Berichte über Kinder und Erwachsene, die an Unterernährung leiden".
In Bezug auf Berichte, wonach im Umfeld von Verteilzentren der umstrittenen Stiftung GHF zuletzt erneut tödliche Schüsse israelischer Soldaten auf Zivilisten gefallen waren, teilte Guterres mit: "Am Wochenende kam es in Gaza zu weiteren Massenerschießungen und Tötungen von Menschen, die UN-Hilfe für ihre Familien suchten - eine grausame und unmenschliche Tat, die ich aufs Schärfste verurteile."
Berichte über Angriffe nahe Verteilzentren
Der Leiter des UN-Hilfswerks für die Palästinenser (UNRWA), Phillipe Lazarrini, bezeichnete die GHF-Verteilzentren als "sadistische Todesfallen". "Heckenschützen eröffnen das Feuer willkürlich auf Menschenmengen, als hätten sie die Lizenz zum Töten", schrieb er bei X.
Seit Ende Mai ist es im Gazastreifen nach Angaben der Vereinten Nationen bereits zu Hunderten Todesfällen bei Verteilstationen der GHF gekommen. Die Stiftung, die von Israel und den USA unterstützt wird, hat solche Berichte wiederholt als falsch zurückgewiesen.
Internationale Kritik an Israels Vorgehen
Israel hatte den neuen Verteilmechanismus nach eigenen Angaben eingeführt, um zu verhindern, dass die radikal-islamistische Hamas Hilfsgüter abzweigt. Kritiker hingegen werfen Israel eine parteiische Instrumentalisierung lebensnotwendiger Hilfe vor. Zuvor hatten die UN für die rund zwei Millionen Palästinenser rund 400 Verteilstationen betrieben. Diese funktionieren weiterhin kaum, weil Israel deren Belieferung so gut wie gar nicht zulässt.
Gestern forderten 25 Länder, darunter Großbritannien und Frankreich, ein sofortiges Ende des Krieges. Das Leiden der Zivilbevölkerung habe "ein neues Ausmaß erreicht", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Staaten. Deutschland gehört nicht zu den Unterzeichnern.
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