Das kleine Reich von Jens Tauchmann liegt fünf Minuten mit dem Velo entfernt von seinem Wohnhaus – es ist eine von 800 Garagen am Rand eines Gründerzeitviertels von Chemnitz. Das wirkt aussergewöhnlich, so viele Garagen und gar keine Wohnhäuser; ähnlich wie Schrebergärten.
Einige Garagenhöfe sind versprayt. Die Garagentore hier sind gepflegt. Im Innern hat der 68-Jährige alles fein säuberlich aufgeräumt.
Die Garage wirkt klein, einst gebaut für die ostdeutschen Trabis, oder, wie bei Familie Tauchmann, einen Wartburg 311. Die Garage ist leer und doch voller Dinge. Da hängen Arbeitskleider, auf Gestellen liegt Werkzeug, ein Küchenschrank stammt aus der ehemaligen Heimat der Mutter.
Persönliche Erinnerungsstücke des Alltags
Besonders lieb und teuer ist Jens Tauchmann sein Gesellenstück, das er als Blechklempner und Schlosser einst gefertigt hat: Eine Werkzeugkiste aus Metall.
Aber auch der alte Kanister des Vaters aus dem Zweiten Weltkrieg wird aufbewahrt. Die Garagen sind zu Schatzkammern geworden für Objekte mit emotionaler Verbundenheit – Dinge, zum Wegwerfen zu schade, aber auch nicht mehr Teil der unmittelbaren Alltagswelt in der Wohnung.
In zweijähriger Arbeit kollektiv von Hand gebaut
Jens Tauchmann war elf, als sein Vater Anfang der 70er-Jahre mit vielen andern diese Garagen baute. Sie wurden mühselig am Feierabend und Wochenende von Hand erstellt. Zwei Jahre hätten die Arbeiten gedauert, unter den schwierigen Bedingungen der DDR. Es gab «Baustoffmangel, Mangel an Zement und Sand, und es gab keinerlei Technik, keine Bagger, keine Raupen. Alles nur mit Hand und Schaufel», erzählt Jens Tauchmann, «da gibt es ein Gemeinschaftsgefühl».
Durch diese Entstehungsbedingungen steckten viel Emotionen und Fleissarbeit in den Anlagen, sagt Kulturanthropologin Katharina Schuchardt. «Nicht jeder hat einen Trabi bekommen und das Auto wurde entsprechend gehegt und gepflegt.» Garagenhöfe waren stets auch Orte des Zusammenkommens, es wurde gebastelt und gefeiert.
Garagen als Schwerpunkt des Kulturhauptstadt-Jahrs in Chemnitz
Chemnitz hat die Garagen als geheimnisvolle Orte persönlicher Erinnerung zum zentralen Projekt des Kulturhauptstadt-Jahrs gemacht. Leute sind eingeladen, Garagen zu besuchen, im Kunstprojekt «#3000Garagen» geht es um Kunstinstallationen, eine Fotografin hat Portraits von Garagenbesitzern gemacht. Via Garagen bietet sich ein niederschwelliger Zugang zu den Menschen in Chemnitz.
«Dieser Fokus ist sehr klug gewählt, dass ausgerechnet ein Ort, der besonders privat, langweilig und unkommunikativ erscheint, ausgerechnet der sein soll, wo man sich öffnet und trifft, wo man das Private ins Öffentliche holt», sagt Soziologe Ulf Bohmann. Kuratorin Agnieszka Kubicka-Dzieduszycka: «Es ist eine tolle Erkenntnis, dass man in dieser vermeintlich kunstfernen Stadt so partizipative Projekte entwickeln kann.»
Garagenbesitzer Jens Tauchmann hatte schon viele Besucher in seiner Garage. «Erst waren wir skeptisch, dachten, das Projekt ist ein Schuss in den Ofen. Aber nein, das hat sich ganz schön entwickelt. Man glaubt gar nicht, was das für Leute angelockt hat!»
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